12.07.2019
Und so schafft man mehr und mehr ----- völlig sinnlosen Verkehr
„Mehr Verkehr – na und?“ ist die Haltung vieler Zeitgenossen. Doch der Verkehr ist immer auch ein Energie-, Umwelt- und damit ein Klimaproblem. Es ist halt klimapolitisch relevant, wenn z.B. reihenweise Radfahrer aufs Auto umsteigen. Denn unser Verkehr wird hauptsächlich von fossilen Energien angetrieben, und die sind der Grund für die Klimakrise. Besonders ärgerlich wird es dann, wenn Teile dieses Verkehrs mehr oder minder überflüssig sind, diese überflüssigen Verkehre aber dennoch staatlich gefördert werden. Hier eine kleine Auswahl:
Straßenverkehr
Hauptproblem des heutigen Straßenverkehrs sind die zu vielen, zu großen und zu schweren Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Dass diese Fossil-Fahrzeuge für Klima, Umwelt und Bürger ein Problem darstellen, wissen natürlich auch unsere Politiker – sie fördern diese Fahrzeuge dennoch. Das beginnt bereits beim stehenden Verkehr, z.B. in den Parkhäusern. Als im Zuge der beginnenden Motorisierung in den 1960ern die meisten davon gebaut wurden, war der Oberklasse-Mercedes W 108 mit seinen Maßen (LxBxH) 4,90 x 1,81 x 1,44 m wahrlich das Maß aller Dinge für die Größe der Parkplätze. Heute kommt ein BMW X 7 auf die Maße (LxBxH) 5,15 x 2,00 x 1,80 m, ist also in jeder Dimension rund 20 cm größer. Und was machen z.B. die Kommunen als Eigentümer der meisten Parkhäuser? Sie vergrößern die Parkplätze, statt übergroße Fahrzeuge für zwei Plätze zahlen zu lassen und diese so aus den Innenstädten abzuschrecken.
In die gleiche Richtung gehen die Mineralölsteuern: Benzin wird mit rund 18 Cent pro Liter höher besteuert als Diesel. Deshalb werden die eigentlich sparsameren Dieselmotoren gern in viel saufenden SUVs eingesetzt, um dort die Treibstoff-Kosten etwas zu dämpfen. Wenn der Staat Diesel über die Steuern quasi subventioniert, schafft er also mehr Verkehr mit großen Autos.
Mancher Lokalpolitiker lobt sich dafür, wenn er neue Gewerbegebiete ausweisen kann – möglichst mit einem logistisch günstigen Anschluss an eine Schnellstraße oder gar eine Autobahn. Wer so plant, statt auf einen Gleisanschluss zu setzen, erzeugt automatisch mehr LKW-Verkehr und CO2-Emissionen. Denn die vielen LKW mit ihren hohen Achslasten sind längst ein Problem für unsere Infrastruktur, insbesondere für die Fahrbahndecken und Brücken. Ein LKW verursacht so viele Straßen-Schäden wie tausende PKW. Diese Schäden zu reparieren bzw. die zerstörte Infrastruktur zu ersetzen, erzeugt nochmals Verkehr in Form von Baufahrzeugen, Materialtransporten etc., und die klimaschädliche Produktion von Beton etc.
Und was macht die Politik? Sie genehmigt Riesen-LKWs (Giga-/Megaliner),[1] die nochmals mehr Güter auf die Straße holen.
Stattdessen müsste die Politik verstärkt auf den Schienentransport setzen. Oder Gewerbegebiete mittels Landesplanung nur noch mit Gleisanschluss genehmigen. Aber auch wenn Kantinen der Ministerien, Behörden, Ämtern, Schulen etc. nur noch auf regionale (Bio-)Lebensmittel setzen, spart das Ferntransporte ein. Und es gibt noch viel mehr Möglichkeiten!
Schienenverkehr
Der Schienenverkehr ist in den vergangenen Jahrzehnten verkehrspolitisch an den Rand gedrängt worden. Das betrifft nicht nur die mangelnde finanzielle und materielle Ausstattung der Deutschen Bahn, die Strecken stilllegt oder auf Neubauprojekte wie die Y-Trasse verzichtet.[2] Straßenbahnen wurden, wie in Hamburg, stillgelegt oder nicht weiter ausgebaut, obgleich sie mit ihren Oberleitungen eine günstige Form der Elektromobilität bieten. Techniken wir die Rekuperation[3] bei Elektro-Schienenfahrzeugen wurden und werden nicht flächendeckend eingesetzt. Immer noch innovative Techniken wie die Wuppertaler Schwebebahn (von 1901!) oder Seilbahnen werden selten umgesetzt. Dabei hülfe deren Aufständerungs-Technik, Flächennutzungs-Konflikte zu vermeiden: Gerade in engen Großstädten ein entscheidender Vorteil. Zudem transportieren Schienenfahrzeuge mit geringem Energieaufwand auf kleiner Fläche eine verhältnismäßig große Anzahl an Personen oder große und schwere Güter. Ihr Nachteil ist die Bindung an das Schienennetz. Wer aber Strecken stilllegt und Netze nicht bedarfsgerecht in die Fläche ausbaut, der erzeugt mehr Verkehr in der Fläche.
Deutschland hat genau dies in den vergangenen Jahrzehnten umfänglich praktiziert.
Luftverkehr
Der Luftverkehr ist einer der klimaschädlichsten Verkehrsformen. Nicht nur, dass hier besonders viel Treibstoff pro Personenkilometer eingesetzt würde. Es ist vielmehr der Eintrag der Treibhausgase in hohe Schichten der Atmosphäre, der den besonderen Klimaeffekt ausmacht. Das weiß natürlich auch die Politik. Dennoch fördert sie den Flugverkehr: Neben der Umsatzsteuerbefreiung beim Kauf von Flugzeugen für internationale Strecken wird auch auf den Flugzeugtreibstoff Kerosin in der Bundesrepublik wie in den meisten EU-Staaten keine Steuer [4] erhoben. Doch nicht nur so wird der Luftverkehr künstlich billig gemacht. Viele der 16 internationalen und der rund doppelt so vielen regionalen Flughäfen werden direkt oder indirekt öffentlich subventioniert. Zwar hat die EU der „Subventionitis“ von Regionalflughäfen ab 2024 einen Riegel vorgeschoben.[5] Dennoch bleibt die grundsätzliche Frage, ob man so viele Regionalflughäfen überhaupt braucht, und ob man nicht zumindest für innerdeutsche Verbindungen auch die Bahn nehmen kann? Selbst bei manchen internationalen Airports wie den Flughäfen Münster/Osnabrück (FMO) oder Dresden kann man die Frage nach der Berechtigung stellen, zumal die nächsten Flughäfen wie Düsseldorf und Bremen bzw. Leipzig-Halle gar nicht weit entfernt liegen.
Wer staatlicherseits so viele finanzielle und sonstige Anreize für das Fliegen setzt, muss sich über den zunehmenden Flugverkehr nicht wundern.
Schiffsverkehr
Für den Transport großer Güter ist das Binnenschiff das klimaschonendste Verkehrsmittel – noch vor der Bahn und weit vor dem LKW.[6] Der Binnenschiffsverkehr ist über die Wasserkraft erzeugenden Kanalsysteme auch der einzige Verkehrsträger, der Energie erzeugen kann. Dennoch ist die Binnenschifffahrt so etwas wie das Schmuddelkind der Verkehrssysteme: Seit der Einweihung des Rhein-Main-Donau-Kanals gibt es keine großen Kanalprojekte mehr. Dabei liegen Pläne dazu seit Jahrzehnten in den Schubladen liegen. Die Umrüstung der Binnenschiffe auf klimafreundliche Antriebe kommt nicht voran. Und innovative Bundesprojekte wie ein Oberleitungs-Binnenschiff analog zu den vielen Oberleitungs-LKW-Projekten auf Autobahnen gibt es nicht. Es ist, als wenn die Politik den Spediteuren hinter vorgehaltener Hand zuflüstert: „Nehmse doch den LKW“, was natürlich mehr Verkehr und CO2-Emissionen produziert.
Ganz anders sieht es bei Seeverkehr aus, wo die Politik fast alles tut, diesen Verkehrszweig zu fördern. Hintergrund ist das Dogma vom Wirtschaftswachswachstum und vom freien Welthandel, der uns die billigsten Plastik-Produkte aus den fernsten Globus-Gegenden beschert. Die Reeder setzen aus Kostengründen auf immer größere, d.h. längere und breitere Schiffe. Das führt bei den Häfen zu Infrastrukturproblemen: längere Kaimauern, größere Schiffswendekreise, höhere Brücken, größere Containerbrücken (die die breiteren Schiffe gerade noch entladen können), und für die schnelle Entladung mehr kurzfristigen LKW-Verkehr mit Staus und mehr Baggerei – sowohl zur Verbreiterung der Fahrrinnen als auch gegen deren Versandung bzw. Verschlickung. So liegen allein im Hamburger Hafen die Baggerkosten zur Verhinderung der Verschlickung bei rund 100 Millionen Euro pro Jahr.[7] Alles das verbraucht nicht nur Energie, sondern erzeugt auch mehr (Baustellen-)Verkehre. Und es kostet Geld: Die Investitionskosten der Häfen für die immer größeren Schiffe sind inzwischen höher als die Kosteneinsparungen der Reedereien.[8]
Was tun?
Weniger Welthandel, mehr regionale Produktion („Fab City“) und eine Kooperation der deutschen Nordsee-Häfen Bremen, Hamburg, Wilhelmshaven könnten Lösungsansätze sein.
Götz Warnke
[1] www.allianz-pro-schiene.de/themen/gueterverkehr/gigaliner/
[2] de.wikipedia.org/wiki/Y-Trasse_Hamburg/Bremen%E2%80%93Hannover
[3] www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/342892/
[4] de.wikipedia.org/wiki/Kerosinsteuer
[5] www.foes.de/pdf/2017-03-FOES-Kurzanalyse-Regionalflughaefen.pdf , www.tagesschau.de/ausland/eu-flughafen100.html
[6] www.dvz.de/rubriken/xxl/detail/news/das-binnenschiff-auf-dem-weg-in-die-zukunft.html
[7] www.thb.info/rubriken/single-view/news/baggerkosten-belasten-hpa.html
[8] www.arte.tv/de/videos/061709-000-A/hafen-der-zukunft/ , Timeline ab Min. 28:45