12.04.2019
Nicht nur applaudierend am Rande stehen
„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ Mit diesem Zitat des französischen Dramatikers Molière als Motto haben am Montag dieser Woche Vertreter der Klimaschutzbewegung "Fridays for Future" erstmals die deutsche Politik mit konkreten Forderungen konfrontiert. Sie hätten bewusst nur Ziele formuliert, sagte Linus Steinmetz von „Fridays for Future“, deren Umsetzung nun Aufgabe der Politik sei. Den Angaben der Klimaaktivisten zufolge war der Forderungskatalog in bundesweiten Arbeitsgruppen in Abstimmung mit Wissenschaftlern ausgearbeitet worden. Und diese Forderungen haben es in sich.
„Fridays for Future“ besteht auf der Einhaltung der Ziele des Pariser Abkommens und des 1,5°C-Limits und fordert explizit für Deutschland:
- Nettonull Emissionen 2035 zu erreichen
- den Kohleausstieg bis 2030 abzuschließen
- 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035 zu realisieren.
Entscheidend für die Einhaltung den 1,5°C-Limits sei, die Treibhausgasemissionen so schnell wie möglich radikal zu reduzieren. Deshalb müssten bereits bis Ende 2019 folgende Beschlüsse von der Politik gefasst und umgesetzt werden:
- Das Ende der Subventionen für fossile Energieträger
- 1/4 der Kohlekraft abschalten
- Eine Steuer auf alle Treibhausgasemissionen. Der Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen muss so hoch werden wie die Kosten, die dadurch uns und zukünftigen Generationen entstehen. Laut UBA sind das 180€ pro Tonne CO2.
Die Bewegung „Fridays for Future“ hat recht schnell eine Entwicklung durchlaufen, die erstaunlich ist. Von den „Schule schwänzenden“ Pennälern zur Spitze der Klimaschutzbewegung gleicht einem Blitzstart, den viele Energiewendefreunde immer noch ungläubig bestaunen. Nach einigen Wochen Demonstration haben es die Schülerinnen und Schüler mit einem kurzen und knackigen Auftritt vor der versammelten deutschen Presse geschafft, das Schmierentheater um die Kohlekommission wie ein Kartenhaus zusammenfallen und die Groko in die Krise zu stürzen zulassen. Frei nach dem Motto, wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ‘ ich einen Arbeitskreis, hat Kanzlerin Merkel mit der Aufstellung eines „Klimakabinetts“ reagiert. Aber das ist alter Wein in neuen Schläuchen. Ob das viel nützt, möge also dahingestellt sein. Der Eindruck verfestigt sich, die Tage der Koalition sind gezählt und grundlegende Veränderungen stehen ins Haus.
Zugleich ist aber ein weiterer bemerkenswerter Fakt hervorzuheben. Die jungen Leute heizen nicht nur den Oberbremsern von Regierung und Konzernen ein. Sie konterkarieren, oder besser gesagt, sie überholen auch die in die Jahre gekommene Energiewendebewegung, die ihren Protest gegen das Kohleausstiegsdatum 2038 und den Fuel Switch zum Erdgas nur verhalten und vereinzelt vorgetragen hatte. Im Herzen mögen viele ein Ausstiegsdatum 2030 befürwortet haben, aber wer hat sich getraut, dies vorzutragen und als realistische Forderung zu postulieren? Damit ist innerhalb kürzester Zeit auch die traditionelle Energiewendebewegung vor eine neue Situation gestellt, mit der die wenigsten gerechnet hatten. Auch sie kommt in Zugzwang und muss sich nun bekennen. Das Zitat von Molière trifft schließlich nicht nur die Regierenden.
Was sollten wir jenseits der Debatte um „realistische“ Forderungen noch tun? Mit dem „wir“ ist nicht allein die DGS und ihre Mitgliedschaft gemeint. Das geht alle an, die sich für Solar und Klimaschutz engagieren. Denn begeistert am Rande stehen und applaudieren, das mag höchstens ein erster Reflex gewesen sein. Die Schülerbewegung ist aus der allgemeinen Forderung nach „mehr Klimaschutz“ herausgewachsen und wir sollten sie bei der Konkretisierung unterstützen. Wir sollten unser Wissen und Know how nach Möglichkeit transferieren. Das müssen wir wohl noch erst lernen. Entscheidend dürfte sein, dass wir nicht von oben herab auftreten und keinerlei Tendenz entwickeln, die Autonomie der Schülerbewegung in irgend einer Weise zu schmälern.
Wahrscheinlich wissen viele der jungen Klimaaktivisten nicht einmal von den „alten“ Organisationen, deren Erfolgen, Meriten und Wissen. Das können und müssen wir zügig ändern. Zugleich sollten wir uns aber klar machen, dass diese neue Bewegung weder zentral aufgebaut ist, noch dies beabsichtigt. Dezentralität ist uns kein Fremdwort und deshalb sollte es uns gelingen, dezentral zu agieren und Kontakte zu den Klimaaktivisten aufzubauen. Zentral wird dies nicht viel bewirken. Aber die Gruppen innerhalb unserer Strukturen und die individuellen Solarfreunde im Lande können aktiv werden. Ohne große organisatorische Voraussetzungen. Entscheidend ist, dass wir es anpacken. Warum sollte es nicht gerade altgedienten Solarfreunden Spaß machen und zu einer generationenübergreifenden Kommunikation und Kooperation führen? Von Vorteil ist, dass die Aktivisten von „Fridays for Future“ innerhalb kurzer Zeit eine Internetpräsenz auf die Beine gestellt haben, die das erleichtert. Aus den „digital nativ peoples“ könnten schnell erfahrene Klimaschützer werden.
Klaus Oberzig
Forderungen als PDF
Forderungen als PDF (DRUCK)
https://fridaysforfuture.de/forderungen/
https://utopia.de/fridays-for-future-konkrete-forderungen-an-die-politik-134378