12.02.2021
Ü20-PV-Anlagen: der Marktwert-Check
Eine Hilfestellung von Jörg Sutter
Ü20-Anlagen in der Weiterbetriebs-Option
Die meisten der Ü20-Anlagen, für die Ende 2020 die Zahlung der EEG-Einspeisevergütung geendet hat, befinden sich vermutlich derzeit in der Weiterbetriebsoption des neuen EEG 2021. Mit dieser Option hat der Gesetzgeber eine Möglichkeit geschaffen, dass Ü20-Anlagen ohne Zutun und vor allem ohne technische Umbauten einfach weiter den erzeugten Strom einspeisen können und vom Netzbetreiber vergütet bekommen. Doch jetzt fragen sich die Betreiber: Lohnt sich denn eigentlich diese Variante? Oder soll ich meine Anlage auf Eigenversorgung umbauen? Was bekomme ich eigentlich für meinen eingespeisten Strom? Zumindest die erste und die letzte dieser drei Fragen möchte ich heute an dieser Stelle beantworten.
Vorneweg: Auch wenn die gesetzliche Grundlage des Weiterbetriebs überall in Deutschland die gleiche ist, bleibt die Frage nach Optimierung des Weiterbetriebs eine individuelle Sache. Anlagengröße, erzielbarer Ertrag und technischer Zustand der Anlage sind immer unterschiedlich. Bei der Frage nach einem Umbau auf Eigenversorgung werden noch mehr Informationen gebraucht und einbezogen: Wie hoch ist der Stromverbrauch im Haushalt? Wie teuer werden die Umbaukosten, um den Strom zukünftig nicht mehr ins Stromnetz, sondern zuerst daheim zu verbrauchen und nur den Überschuss einzuspeisen? Und am wichtigsten: Welche Interessen hat der Betreiber denn?
Was bekomme ich in der Weiterbetriebs-Option?
Gesetzlich ist das klar geregelt: Jede solare Kilowattstunde (kWh), die eingespeist wird, wird vom Netzbetreiber mit dem „Marktwert Solar“ vergütet, zuvor wird davon noch eine pauschale Vermarktungsgebühr abgezogen. Die ist im EEG 2021 auf 0,4 Cent pro kWh festgelegt.
Einfach zu finden ist diese Festlegung nicht: , die Angabe zur Berechnung des Marktwertes befindet sich erst in Anlage 1 des EEG 2021; in §23 (Marktprämie) wird darauf Bezug genommen. Dort heißt es: „Die Höhe der Marktprämie wird jährlich berechnet. Die Berechnung erfolgt rückwirkend anhand des für das jeweilige Kalenderjahr tatsächlich berechneten Jahresmarktwerts.“ Der Marktwert Solar wird zunächst monatlich von den Übertragungsnetzbetreibern bestimmt und entspricht einem durchschnittlichen Marktwert des Solarstroms an der Strombörse und wird hier veröffentlicht. Analog werden auch monatliche Marktwerte für Onshore- und Offshore-Windkraft berechnet.
Doch jetzt Vorsicht!
Denn für die Berechnung der Weiterbetriebs-Vergütung von Ü20-Anlagen wird nicht dieser monatliche Marktwert zugrunde gelegt, sondern der im EEG 2021 neu definierte „Jahresmarktwert Solar“ (JWsolar). Und der berechnet sich nicht einfach als Durchschnitt der 12 Monate des Kalenderjahres, sondern wird zusätzlich mit der jeweils erzeugten Strommenge in jeder einzelnen Stunde gewichtet.
Und was bekomme ich nun genau?
Für das vergangene Jahr 2020 beträgt der Jahresmarktwert Solar 2,458 Cent/kWh und ist damit rund 0,4 Cent kleiner als der Durchschnitt der zwölf Monatsmarktwerte des vergangenen Jahres (2,8789 Cent pro kWh). Auch der Jahreswert ist auf der oben verlinkten Seite veröffentlicht. Doch dieser Wert gilt für das Jahr 2020, nicht für 2021. Für Anlagen, die sich seit 1.1.2021 in der Weiterbetriebs-Option befinden, gibt es den Jahresmarktwert Solar 2021, der aber erst im kommenden Jahr rückwirkend berechnet werden kann. Und berechnet werden kann er nur, wenn in einer Fleißarbeit 8.760 Stundenpreise und genauso viele Stunden-Erzeugungswerte zu einem Durchschnittswert verbunden werden. Konkret: Interessierten Laien ist ein Nachrechnen nicht möglich.
Dafür an dieser Stelle vielen Dank an Peter Altmaier und sein Ministerium, die immer darauf gedrungen haben, die einfache Förderung und Vergütung durch immer kompliziertere Marktmechanismen abzulösen. Die Realität bei der Weiterbetriebsoption kann jetzt anschaulich so beschrieben werden: Sie gehen am 2. Januar zum Bäcker und kaufen vier Brötchen. Sie bekommen die Brötchen, bezahlen fünfzig Cent als Abschlag und der Bäcker weist Sie darauf hin, dass die Endabrechnung von ihm dann im Februar 2022 erledigt wird und dann auch der genaue Preis pro Brötchen feststeht und sie dann entweder nachzahlen oder noch ein paar Cent rausbekommen.
Eine schöne neue Welt, oder?
Das heißt konkret: Wenn Ihre Ü20-Anlage seit 1. Januar in der Weiterbetriebs-Option läuft, können Sie derzeit nur abschätzen, was Sie für den Strom bekommen werden. Gemessen am Jahreswert 2020 wird die Vergütung in einer Höhe von 2,458 Cent minus 0,4 Cent Vermarktungskosten, also bei rund 2,06 Cent pro kWh liegen. Doch wie in Grafik 1 zu sehen, war das Jahr 2020 auch hinsichtlich der Strompreise aufgrund Corona ein besonderes Jahr. Der Monatsmarktwert Solar ist im April sogar auf unter einen Cent gefallen. Üblicherweise lag er in den vergangenen drei Jahren zwischen 3 und fünf Cent pro kWh. Ich gehe davon aus, dass die Netzbetreiber die Ü20-Anlagen mit monatlichen Abschlägen (auf Basis des Vorjahres-Marktwertes) vergüten und dann wie bisher mit einer jährlichen Endabrechnung die Korrektur auf den (erst im Folgejahr feststehenden) Jahresmarktwert Solar vornehmen.
Rechnet sich der Weiterbetrieb damit?
Für die meisten Ü20-Anlagen wird die Weiterbetriebs-Option die wirtschaftlich schlechteste Option sein. Gleichzeitig ist sie natürlich die einfachste, da weder organisatorisch noch an der Anlagentechnik eine Veränderung vorgenommen werden muss. Aber betrachten wir konkret eine 2 kWp-Anlage mit einen spezifischen Jahresertrag von 900 kWh/kWp, also 1.800 kWh pro Jahr Gesamtertrag. Wird dieser mit 2,458 Cent minus 0,4 Ct. Vermarktung vergütet, so bleiben damit gerade einmal 37,04 Euro pro Jahr übrig. In 12 monatliche Teilbeträge gepackt wäre das ein monatlicher Abschlag von 3,10 Euro (ggfs. zuzüglich Umsatzsteuer) vom Netzbetreiber. Wenn der Marktwert in diesem Jahr sich dann zu höheren Werten als 2020 entwickelt, würde noch ein weiter Erstattungsbetrag zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung folgen. Ein um 0,5 Cent höherer Jahresmarktwert ergäbe eine Erstattung von 10 Euro.
Für unsere Berechnungen, die wir schon seit dem vergangenen Jahr für Ü20-Anlagen immer wieder erstellt haben, setzen wir für die 2 kWp-Anlage jährliche Kosten von 20 Euro für den Zähler, 25 für die Versicherung und pauschal 50 Euro für Wartung und Reparaturen an. Schon diese Kosten sind zusammen zweieinhalbmal so groß als die Einspeiseerlöse. Und das von uns (DGS) empfohlene Durchchecken der Anlage zu Beginn des Weiterbetriebs, für das wir rund 200 Euro ansetzen, ist da auch noch nicht drin. Packt man das dazu, ergibt sich die in Grafik 2 zu sehende Verlustrechnung.
Fazit
Die gesetzliche Weiterbetriebsoption war und ist wichtig, um eine einfache Möglichkeit nutzen zu können, ohne bürokratischen und technischen Aufwand Ü20-Anlagen über den Jahreswechsel zu retten. Auch Ende 2021 werden wieder über 20.000 Anlagen vor dem Ende der regulären Vergütung stehen, auch die brauchen diese Lösung.
Wirtschaftlich betrachtet kann ein Weiterbetrieb bei kleinen Anlagen mit nur wenigen kWp damit nicht gelingen. Doch die Betreiber haben nun die Möglichkeit, entspannt in den kommenden Wochen (oder Monaten) die beste Lösung für Ihre Anlage herauszufinden. Oft wird es ein Umbau auf Eigenversorgung sein. Sollte dieser zu umständlich (und damit unwirtschaftlich teuer) sein, kann auch ein Angebot eines Stadtwerks zur „vereinfachten Direktvermarktung helfen: Bei der ist - wie bei der Weiterbetriebsoption - kein Umbaut der PV-Anlage erforderlich. Wir rechnen damit, dass in den kommenden Wochen noch weitere solche Angebote auf den Markt kommen. Also: Augen offenhalten und bei Fragen an unsere PVLOTSE-Experten der DGS wenden (www.pvlotse.de).