11.12.2020
Ü20: Hilfestellung, Drohkulisse, Falschinformation – die Rolle von Stadtwerken
Eine Situationsbeschreibung von Jörg Sutter
Die rund 18.000 PV-Anlagenbetreiber, deren EEG-Vergütungszeitraum in drei Wochen mit dem Jahresende aufhört, hängen noch immer in der Luft, ob und wann die EEG-Novelle verabschiedet wird und ob für nächstes Jahr neue Möglichkeiten zum Weiterbetrieb zur Verfügung stehen. Auch die Stadtwerke und Netzbetreiber wussten seit langen von dem aufkommenden Problem für ihre Kunden und Pioniere der Energiewende. Doch bekommen die Betreiber hier Unterstützung? Wir zeigen einige Beispiele.
Stadtwerke mit konkreten Angeboten für Ü20
Ein aktuelles Beispiel zeigt, wie es gehen kann: Die Stadtwerke Tübingen haben in der vergangenen Woche ein Angebot an Ü20-Betreiber kommuniziert: 6 Cent pro kWh soll es geben, wenn der Betreiber gleichzeitig seinen Stromverbrauch mit einem Öko-Tarif der Stadtwerke vertraglich regelt. Die konkrete Angebotsbeschreibung findet sich hier. Dieses ist eines der wenigen positiven Beispiele, das derzeit für Hoffnung im Lager der Ü20-Betreiber sorgt, auch wenn es derzeit („zunächst“) nur für Anlagen aus dem Stadtgebiet von Tübingen gilt. Ähnliche Angebote gibt es auch schon von anderen Stadtwerken, so z.B. den Stadtwerken Amberg hier zum Download.
Stadtwerke als Partner der Kunden
Viele Verteilnetzbetreiber und Stadtwerke haben sich schon vor Monaten Gedanken gemacht, wie mögliche Angebote an Ü20-Betreiber aussehen könnten. Sie sind dann entweder an den Regularien der Direktvermarktung des EEG 2017 und/oder der Verzögerung und Komplexität der aktuellen EEG-Novelle teilweise gescheitert. Zumindest muss man das vermuten, nachdem es derzeit so wenige Informationen zu kommenden Angeboten für Ü20-Betreiber gibt. Doch auch Stadtwerke, die keine konkreten Angebote entworfen und formuliert haben, sind teilweise sehr positiv auf ihre Kunden zugegangen, wie die kommenden Beispiele zeigen:
Beispiel 1: Stadtwerke Soest
Unter Verweis auf die Eigenschaft als PV-Pionier haben sich die Stadtwerke Soest schon im Juni an ihre Ü20-Kunden gewandt und in einfachen Worten die beiden Möglichkeiten der weiteren Volleinspeisung und der Eigenversorgung für den Weiterbetrieb ab 2021 beschrieben. Eine „pragmatische Lösung“ wird angekündigt, ein Verzicht auf teure Umbauten und ein konkreter Ansprechpartner, der bei Fragen zur Verfügung steht, wurde benannt.
Beispiel 2: Stadtnetze Münster
In ähnlicher Weise wie die Stadtwerke Soest haben sich die Stadtnetze Münster an die Ü20-Betreiber gewandt und konkrete Hilfestellung angeboten. Noch weitergehend wurde hier schon empfohlen, Ruhe zu bewahren und in Aussicht gestellt, dass mit der EEG-Novelle der Automatismus in die Weitereinspeise-Option erfolgt und auch später noch eine Umstellung auf Eigenversorgung möglich ist. „Um Kosten zu sparen“ soll zuerst die Weitereinspeisung angenommen werden, so das Argument der Stadtwerke. Wohltuend: Es waren mögliche Umbaukosten des Anlagenbetreibers gemeint, nicht Kosten des Netzbetreibers. Das kommt gut an.
Beispiel 3: Stadtwerke München
Von den Stadtwerken München kann man hier eine 9 Minuten lange Youtube-Video-Erläuterung zum Weiterbetrieb von Ü20-Anlagen ansehen. 432 Anlagen sind im Netzgebiet der SMW davon aktuell betroffen. Betont wird, dass sich die SMW schon länger dafür eingesetzt hat, dass die Politik hier eine Lösung schafft, die eine Weitervergütung zulässt und das ja mit der EEG-Novelle nun gelungen ist. Aber auch die SMW warten auf die Verabschiedung der Novelle, um dann nochmals aktiv auf die Betreiber zuzugehen.
Netzbetreiber, die alleine lassen
Andere Netzbetreiber und Stadtwerke hingegen haben sich in den vergangenen Wochen verhalten, als wären die PV-Anlagen ihrer Kunden nicht Bausteine der politisch gewollten Energiewende, sondern lästige Elemente, die den ruhigen Netzbetrieb stören und daher ungewollt sind. Anders kann man manche Formulierungen in Anschreiben an Kunden nicht interpretieren und man fragt sich, warum solche Schreiben nicht von der Vertriebs- oder Marketing-Abteilung vor Versand gecancelt wurden – weil es doch um Kunden geht, mit denen man normalerweise anders umgeht.
Beispiel 4: Westnetz
„Sie haben Ihre Solare Strahlungsenergieanlage vor dem 01.01.2001 in Betrieb genommen. Die Förderung dieser Anlage nach dem EEG läuft zum 31.12.2020 aus. Mit dem Ende dieser Förderung endet auch unsere gesetzliche Verpflichtung, den von Ihrer Anlage erzeugten Strom zu vergüten.“
So beginnt ein Anschreiben von Westnetz an einen Ü20-Betreiber vom Juni. Sympathisch, oder? Das schafft Vertrauen, der Netzbetreiber möchte helfen… oder? Drei mögliche Weiterbetriebsarten werden dann kurz beschrieben, jeweils mit einem Verweis an einen Elektroinstallateur (Umbau Eigenversorgung) oder einen „Direktvermarkter Ihrer Wahl“. Und dann: „Wir bitten Sie, die notwendigen Schritte rechtzeitig anzugehen“. Bumm. Da steht der Betreiber, ganz allein.
Dann wird noch eine Internetadresse für Einspeiser angegeben, die weiterhelfen soll. Doch ein Blick dorthin führt aktuell zu Formulierungen wie „In den bestehenden Marktprozessen ist eine Direktvermarktung mit einem Arbeitszähler (SLP-Zähler) nicht vorhanden“. Hä? Verständliches und kundenfreundliches Erklären funktioniert so leider nicht.
Beispiel 5: Stromnetz Herrenberg
Die Stromnetz Herrenberg teilten einem Ü20-Betreiber in einer Zwischenmitteilung Mitte November gar mit: „Aus heutiger Sicht wird somit ein wirtschaftlicher Weiterbetrieb Ihrer Solar-Anlage nur bei Volleinspeisung möglich sein.“ Und warum das? Weil die Stadtwerke den Text der EEG-Novelle völlig zu Unrecht so interpretieren, dass bei einem Umbau auf Eigenversorgung in jedem Fall auf die selbst verbrauchten Kilowattstunden eine Pönale von über 25 Cent/kWh fällig werden würde! Das entbehrt zwar jeder Verhältnismäßigkeit, die Novelle enthält nur die Vorgabe, dass eine Pönale droht, wenn entgegen der EEG-Regelungen eine Eigenversorgung ohne den Einbau eines Smart-Meters umgesetzt wird. Es stellt sich schon die Frage, warum solch eine grobe Fehlinformation vermutlich ungeprüft an die Kunden weitergeleitet wird. Und auch hier: Ein Verweis, dass mit Verabschiedung der EEG-Novelle weitere schriftliche Informationen folgen werden, jedoch keinerlei Hilfsangebot, Vorgehensvorschlag oder anderweitige Unterstützung des Kunden und Betreibers. Unterzeichnet mit „Stromnetzgesellschaft“, auch ein Ansprechpartner für Fragen wird nicht genannt.
Kein abgestimmtes Vorgehen
Sieht man sich das Vorgehen der Netzbetreiber und die Anschreiben an die Kunden an, so wundert man sich ob des völlig unterschiedlichen Vorgehens bei völlig identischen Vorgängen, bei denen ja bundesweit der bisheriger und zukünftige Regelungsrahmen über das EEG genau gleich ist. Noch vor einem Jahr wäre ich davon ausgegangen, dass die Verbände der Netzbetreiber dieses Thema tiefgründig analysieren und dann ihren Mitgliedern Handlungsempfehlungen und Musterschreiben an die Hand geben. Das ist aber offensichtlich nicht geschehen – die Gründe bleiben (zumindest für mich) im Verborgenen.
Schade, dass sich nicht mehr Netzbetreiber proaktiv an die Betreiber gewendet haben und ihnen zumindest eine konkrete Hilfe für einen Weiterbetrieb angeboten haben. Das wäre – auch ohne ein eigenes Angebot – durch ein ansprechendes Anschreiben schon recht einfach möglich gewesen. Dazu ein Sachbearbeiter, der zur EEG-Novelle auf dem Laufenden bleibt und den nachfragenden Kunden weitere Antworten auf seine Fragen geben kann. Siehe oben: Einige positive Beispiele gibt es ja bereits, vielleicht folgen noch weitere in den kommenden Tagen und Wochen. Manchmal ist es auch nur ein Satz, der entscheidend sein kann: So hat auch das LEW-Verteilnetz schon im Sommer Infoschreiben an die Kunden gesendet. Der letzte Satz darin: „Übrigens: Ihre Ökostrom-Anlage ist eine von rund xy Anlagen in unserem Netz, die bereits im ersten Jahr der EEG-Förderung dabei war.[..] Vielen Dank für diese Pionierarbeit.“. Das wirkt.
Hinweis: Wenn Sie als Ü20-Betreiber ein Anschreiben Ihres Netzbetreibers erhalten haben, so senden Sie uns das doch bitte an die Adresse weiterbetrieb@dgs.de einfach zu. Wir möchten an diesem Thema gerne „dranbleiben“.
Handlungsempfehlung für Betreiber
Ob mit Information des Netzbetreibers oder ohne: Die DGS hat in der vergangenen Woche gemeinsam mit einer Reihe anderer Verbände eine Handlungsempfehlung für die Betreiber herausgegeben, eine Beschreibung dazu und die Handlungsempfehlung als pdf finden Sie hier.
Auch darin wird auf das unterschiedliche Vorgehen der Netzbetreiber eingegangen, das wichtigste ist aber: Nichts überstürzt entscheiden, sondern sich Zeit lassen und noch beobachten, wie es mit der EEG-Novelle in den kommenden Wochen weitergeht. Die DGS-News halten Sie hier auf dem Laufenden. Und: Weitere Informationen für Ü20-Betreiber finden sich auf der Website des PVLOTSE-Projektes unter www.pvlotse.de. Im Rahmen des Projektes beantworten qualifizierte DGS-Berater Fragen rund um Ü20 kostenlos unter pvlotse(at)dgs.de oder unter der Telefon-Hotline 030-62236210.