11.01.2019
Politische Energie-Baustellen für 2019
Das neue Jahr hat die erste Woche schon hinter sich gebracht, die neuen Rekorde der Erneuerbaren bei der Stromerzeugung 2018 wurden kurz gefeiert, dann aber wieder der Blick der Realität zugewendet. Einige energiepolitische Großvorhaben stehen in diesem Jahr an. Zeitlich als erstes wird im Februar das Ergebnis der Kohlekommission und damit die weitere Zukunft der Kohle in Deutschland diskutiert werden. Ein Überblick.
Kohlekommission
Lassen Sie uns träumen: Die Kohlekommission legt einen konkreten Ausstiegszeitplan bis 2035 vor, der mit Maßnahmen zur sozialen Abfederung flankiert wird. Details werden noch im politischen Diskurs überarbeitet, dann als gesellschaftlicher Kompromiss mit breiter Mehrheit und großer Akzeptanz in der Bevölkerung verabschiedet. Die aktuellen Kohlegruben und Bergwerke werden zu Solar- und Windfarmen sowie Speichern umfunktioniert, wie es Greenpeace Energy bereits skizziert hat. Und um den Willen zum Klimaschutz zu bestätigen, entscheidet die Bundesregierung: Der Hambacher Forst bleibt bestehen und wird zum Schutzgebiet klassifiziert. Soweit der Traum. Realität: Mitte Februar sollen erst einmal die Ergebnisse der Kommission vorgelegt werden. Weiteres Vorgehen unklar.
Energieimporte
Der Bau der Ostseepipeline Nord Stream II und auch die Diskussion um Sinn und Bau von LNG -Flüssiggas-Terminals an deutschen Küstenhäfen hat die Politik erreicht. Hier wird Energiepolitik international: Russland versucht mit Nordstream II seine Erdgasexporte nach Europa auszubauen. Die USA wollen über LNG-Terminals amerikanisches Frackinggas verkaufen. Doch wenn wir schnell auf Erneuerbare Energien umsteigen, brauchen wir das dann überhaupt noch? Hier muss die Politik in diesem Jahr die Weichen stellen.
Netzausbau
Die Realisierungsquote des Netzausbaus im Rahmen des Bundesbedarfsplangesetzes liegt aktuell bei im Prozentbereich, über 6.700 km Leitungen wurden noch nicht gebaut. Die Regierung hat dazu Ende 2018 eine Beschleunigung beschlossen. Die Grünen haben in einem aktuellen Brief an Minister Altmeier angemahnt, die aktuelle Netzplanung unter Berücksichtigung von Kohleabschaltungen transparent darzustellen. Es sollen keine Netzleitungen gebaut werden, die nicht benötigt werden. Kritiker geben auch zu bedenken, dass die Netzkapazität zukünftig weniger von den technischen Kabelstärken sondern mehr von den vertraglichen Einschränkungen (immer mehr Netzkapazität wird reserviert/blockiert für innereuropäischen Stromhandel) bestimmt werden.
Klimaschutzgesetz
Zuletzt 2007 wurden die politischen Aktivitäten des Klimaschutzes in einem „Integriertes Energie- und Klimaprogramm“ zusammengefasst. Die aktuelle Regierungskoalition hat sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, hier weiterzuarbeiten. In einem großen Klimaschutzgesetz sollen die Maßnahmen verankert werden, die die Einhaltung der Klimaziele 2030 sicherstellen. Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (Svenja Schulze, SPD) betonte Ende 2018 mehrfach, dass darin auch die einzelnen Sektoren mit klaren Emissionsminderungszielen benannt werden, das wird spannend, insbesondere für Verkehr und Landwirtschaft. Es darf erwartet werden, dass im Energiebereich auch die Ergebnisse der Kohlekommission einfließen werden.
EEG-Änderung
Nach der Änderung ist vor der Änderung: Das EEG steht auch wieder einmal zur Novellierung an. Von allen Seiten kommt die Forderung, den 52 GW-Deckel für Photovoltaik abzuschaffen, der sonst schon im kommenden Jahr für einen Fast-Stillstand beim Neubau von Solarstromanlagen führen könnte. Auch der Mieterstrom muss nachjustiert werden und nicht zuletzt steht die nationale Umsetzung der europäischen Entscheidung an, privat erzeugten Strom von kleinen Anlagen nicht mehr mit Abgaben und Umlagen zu belasten.
GEG
Die Idee eines Gebäudeenergiegesetzes, das die ENEV, EnEG und das EEWärmeG zusammenfasst, ist auch schon älter, erste Schritte wurden im März 2017 gegangen. Ende des vergangenen Jahres wurde nun ein Gesetzesentwurf erstellt. Ziel ist, das Gebäudeenergiegesetz (GEG) noch in 2019 in Kraft zu setzen.
Atomausstieg
Der Atomausstieg wird in 2019 weitergehen, nachdem hier 2018 nichts Neues passiert ist. Das AKW Philippsburg II wird zum 31.12.2019 stillgelegt, wie die EnBW gegenüber der DGS in dieser Woche bestätigt hat. Diese Abschaltung wurde aber bereits gesetzlich im Jahr 2011 geregelt.
Kleinverkehr
Wenn schon nicht die große Verkehrswende kommt, dann wird eben typisch deutsch an einer umfassenden Verordnung gearbeitet, die im Frühjahr verabschiedet werden soll. Damit sollen endlich die Kleinverkehrsmittel wie Elektroroller für den Straßenverkehr unter bestimmten Auflagen freigegeben werden.
Ziele und Störfeuer
Die Ziele und Aufgaben sind das eine. Doch auch politische Störfeuer sind wieder zu befürchten: Die Europawahl im Mai (zeitgleich mit der Bürgerschaftswahl in Bremen) sowie die Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern Anfang September und Ende Oktober spielen im politischen Jahreskalender eine Rolle. Und man darf nicht unterschätzen, wie groß die Angst vor den Wahlen sein kann, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen, die für die Bürger vorübergehend unbequem oder zunächst teuer (oder gar beides gleichzeitig) sein können. Die Landtagswahlen in den Braunkohleländern Sachsen und Brandenburg können hier besonders spannend werden.
Weitere politische Aufgaben
Diese Liste könnte noch ergänzt werden: Massiver Ausbau der Erneuerbaren Energien, Stärkung der Bürgerenergie, Energiewende bei Wärme und Verkehr, Änderung des Strommarkt-Designs, Anpassung des Messstellenbetriebsgesetzes (wegen des technisch abgerüsteten Smart-Meter-Rollouts) und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Speicher und Sektorenkopplung sind allgemeine Aufgaben, die aber noch nicht in konkreten Gesetzentwürfen auf dem Tisch liegen. Bleibt zu hoffen, dass auch diese Themen in Berlin und den Bundesländern beherzt, zügig und mutig angegangen werden.
Fehlt aus Ihrer Sicht ein wichtiger politischer Punkt, den wir auch im Auge behalten sollen? Schreiben Sie mir:
Jörg Sutter