11.01.2019
649.000.000.000 Kilowattstunden Brutto
Die Berliner Denkfabrik Agora Energiewende hat gleich in der ersten Januarwoche eine Bilanz 2018 zur Stromerzeugung in Deutschland vorgelegt. Für PV-Betreiber nicht verwunderlich: Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien hat im vergangenen Jahr einen neuen Rekord aufgestellt und die CO2-Emissionen sind leicht gesunken. Doch wer hier einen Erfolg der Energiewende bejubelt, hat sich zu früh gefreut: Die hohen Erträge sind vor allem durch die spezifisch hohen Solarerträge verursacht – kein Wunder nach dem Rekordsommer. Und auch der Winter war mild, die Heizverbräuche daher gering. Agora Energiewende warnt deshalb und bezeichnet die CO2-Absenkung als nicht nachhaltig.
Von der Seite der Brutto-Stromerzeugung betrachtet wurden 35,2 % aus erneuerbaren Quellen (Sonne, Wind, Wasser etc.) produziert. Schaut man aus der Sicht des Verbrauchers auf den Stromverbrauch in Deutschland (der auf Vorjahresniveau lag), lag der Anteil sogar bei 38,2 %.
Es zeigt sich ein hoher Stromexport: Über 52 TWh wurden im vergangenen Jahr exportiert (Saldo), das sind acht Prozent der gesamten Erzeugung. Oder anders betrachtet: Über die Hälfte der aktuellen Steinkohle-Stromerzeugung geht in den Export. Darüber gefreut haben sich vor allem die Belgier, die Ende 2018 sechs von sieben Atomkraftwerken wegen Reparaturen vom Netz nehmen mussten und nur knapp an einem massiven Stromengpass vorbeigeschrammt sind. Hauptabnehmer des deutschen Stroms ist Österreich vor Frankreich und den Niederlanden, von dort floss wiederum viel Strom nach Belgien weiter.
Doch ist die Energiewende im vergangenen Jahr vorangekommen? Der Zubau an Solaranlagen betrug rund 3 Gigawatt, was einen leichten Zuwachs vom niedrigen Niveau der vergangenen Jahre bedeutet. Der Zubau an Windanlagen ist gegenüber 2017 aber um 50 Prozent eingebrochen.
Und wie hat sich die konventionelle Stromerzeugung entwickelt? Die Verstromung von Steinkohle ist weiter zurückgegangen, denn sie wird immer unwirtschaftlicher. Die Reform des europäischen Emissionshandels (siehe auch Artikel „Nach der Kohle ins Gas“ in diesen News) hat zu einer Preiserhöhung von 5 auf 15 Euro/Tonne CO2 geführt, was den Steinkohlestrom empfindlich verteuert hat. Dr. Patrick Graichen von Agora weist darauf hin, dass dieser Preiseffekt aber kaum steuernd bei der Braunkohle wirkt, da dort weitere Preisbestandteile günstig sind. Hier muss der Ausweg durch die Arbeit der Kohlekommission gefunden werden. Graichen stellt auch fest, dass die aktuelle Produktion aus Sonne und Wind nicht zur Erreichung von 65 % erneuerbaren Stroms bis 2030 ausreicht. „Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss daher beschleunigt werden“, so Graichen. Agora fordert – wie auch die DGS – deshalb unter anderem eine Verbesserung der Investitionsbedingungen für PV-Anlagen sowie die Abschaffung des 52 GW-Deckels.
Und ein positiver Beleg der Energiewende zeigt sich auch an anderer Stelle: Deutschland hatte im vergangenen Jahr den zweitniedrigsten Börsenstrompreis in Europa.
Die Veröffentlichung des Jahresberichtes zeigt wieder einmal die Betonung des Stroms bei der Energiewende, analoge Berichte zur Wärme oder zum Verkehr gibt es derzeit nicht. Der Bericht ist lesenswert und sehr anschaulich mit Grafiken und verständlichen Erklärungen erläutert. Er enthält noch viele weitere Aspekte wie Preisentwicklungen, Zustimmung der Bevölkerung zur Energiewende und einen Ausblick auf 2019.
Die Analyse „Die Energiewende im Stromsektor: Stand der Dinge 2018“ kann unter www.agora-energiewende.de downgeloadet werden.
Brutto oder Netto
Die Daten zur öffentlichen Nettostromerzeugung und zur gesamten Bruttostromerzeugung unterscheiden sich im Übrigen deutlich. Dadurch ergeben sich auch deutlich unterschiedliche Anteile bei den Erneuerbaren Energien. Die Nettostromerzeugung repräsentieren den Strommix, der tatsächlich zu Hause aus der Steckdose kommt und der im Haushalt verbraucht wird bzw. mit dem auch Elektrofahrzeuge öffentlich geladen werden. An der deutschen Strombörse EEX wird ausschließlich die Nettostromerzeugung gehandelt und bei den grenzüberschreitenden Stromflüssen werden auch nur Nettozahlen gemessen. Die Bruttostromerzeugung hingegen beinhalten auch die elektrischen Verluste der Kraftwerke, die direkt im Kraftwerk verbraucht werden und gar nicht in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden. Auf der Verbrauchsseite werden die elektrischen Verluste der Kraftwerke auch dem Bruttostromverbrauch zugerechnet, damit die Bilanz wieder stimmt. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE veröffentlicht auf seiner Plattform Energy-Charts neben den Online-Werten ebenso Bilanzen, diese sind grundsätzlich Nettodaten. Bei der Stromerzeugung haben die Erneuerbaren in Deutschland hier im Jahr 2018 rund 219 TWh produziert. Sie liegen damit 4,3% über dem Niveau des Vorjahres mit 210 TWh. Der Anteil an der Erneuerbaren bei der öffentlichen Nettostromerzeugung lag damit erstmals über 40%. Die aktuelle Nettostrombilanz zum Download.