10.12.2021
Weitere Bewertungen des Koalitionsvertrags
Eine Zusammenstellung von Jörg Sutter
Nun ist die Koalition besiegelt, Olaf Scholz ist zum neuen Bundeskanzler gewählt und auch die Personalien der Führungsebene für die Ministerien sind geklärt. Bevor die neue Bundesregierung nun in hektische Weihnachtsruhe verfällt, möchten wir an dieser Stelle noch einige Aussagen und Meinungen zum Koalitionsvertrag anführen, die natürlich insbesondere den Ausbau der Erneuerbaren Energien betreffen. Die Grundmeinungen unterscheiden sich dabei nicht sehr: Grundsätzlich ein erster Schritt in Richtung Klimaschutz, aber nicht ausreichend für das Erreichen der Paris-Ziele – so lassen sich viele der Stellungnahmen in Kürze zusammenfassen. Einige davor hier noch ein wenig im Detail:
Pfade des Klimaschutzes
Nicht nur eine oberflächliche Bewertung, sondern auch ein detaillierter Vergleich der verschiedenen Klimapfade hat Karl-Martin Hentschel erstellt, der Autor des „Handbuch Klimaschutz“ seine Auswertung findet sich hier. Sein Fazit: Der Koalitionsvertrag lässt eine Reduzierung der zu erwarteten Emissionen über die im Klimaschutzgesetz genannten Werte hinaus nur in den Sektoren Energie und Hauswärme erwarten.
Die Jugend will mehr
Nachdem Friday-for-Future schon kurz nach Veröffentlichung den Vertrag als nicht ausreichend für den Klimaschutz bezeichnet haben, hat die Organisation eine ausführliche Stellungnahme nachgelegt, die man hier nachlesen kann. Das Fazit hier: „Wir sind auf 1,5-Grad-Pfad mit diesem Koalitionsvertrag, erklärte uns gestern die Ampel-Koalition. Das könnten wir feiern. Es stimmt nur leider nicht“. Im vergangenen Jahr hat Friday-for-Future vom Wuppertal-Institut eine Studie erstellen lassen, was die Politik machen müsste, um auf den Paris-Kurs zu kommen – die DGS-News hatten damals berichtet. Im Vergleich zu den dort beschrieben Aufgaben ist der Koalitionsvertrag nicht ausreichend. Im Web findet sich ein 6-Punkte-Plan für die ersten 100 Tage der neuen Regierung, um den Schwenk in Richtung Paris-Konformität zu schaffen. Neben der sofortigen Beendigung neuer Erdgasprojekte fordern FFF eine sozial gerechte Mobilitätswende und die Übernahme globaler Verantwortung ein.
Zum Lesen zu faul?
Haben Sie, lieber Leser, denn selbst schon einen Blick in den neuen Koalitionsvertrag geworfen? Nein? Wollen sie dieses Werk vielleicht ganz einfach konsumieren, so ähnlich wie einen Podcast? Dann sei an dieser Stelle an Birte Schneider von der ZDF heute-show übergeben. Die hat sich die Mühe für alle Medienkonsumenten gemacht und den Vertrag gelesen – aber nicht durchgelesen, sondern vorgelesen: Hier finden Sie das moderne Vorweihnachts-Märchen mit einschläfernd angenehm monotoner Stimme vorgetragen. Viel Spaß damit, aber Vorsicht: Sie müssen schon ein wenig Zeit mitbringen, das YouTube-Video dauert knapp 9 Stunden.
Bündnis Bürgerenergie: Zufriedenheit und Forderung
Wer nun beim Video im letzten Absatz nicht eingeschlafen ist und hier weiterlesen möchte: Gerne, hier kommt noch die Bewertung des Bündnis Bürgerenergie (BBEn), die im Netz hier ebenfalls in der ausführlichen Version gefunden werden kann. Dort steht die Stärkung des dezentralen Ausbaus und ein höheres Ausbautempo im Vordergrund. Das klare Bekenntnis der Koalitionäre zur Bürgerenergie, das auch im Koalitionsvertrag niedergeschrieben ist, wird begrüßt. In diesem Zusammenhang weist BBEn auch auf die noch immer offene nationale Umsetzung der EE-Richtlinie aus Brüssel hin, die vor allem den gemeinschaftlichen Eigenverbrauch ermöglichen soll und damit eine gute Beschleunigung für die Energiewende wäre.
Protest und Unterstützung durch die DGS
Auch der Beirat der DGS, ein ehrenamtliches Gremium, von dem unser Präsidium in strategischen Fragen beraten wird und das gute Impulse gibt, hat eine kurze erste Bewertung vorgenommen. Martin Schnauss vom Beirat schreibt dazu: „Zwischen Hoffen und Bangen - man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll. Robert Habeck im Wirtschaftsministerium und Patrick Graichen als Staatssekretär. Die Erneuerbaren wird das definitiv voranbringen, endlich der Solarenergie einen ganz neuen Schub verpassen und somit die Herzen in der DGS höherschlagen lassen. Eine Verkehrswende wird es unter Volker Wissing sicher nicht geben. Das bedeutet weiterhin Förderung für große Dienstwagen, Pendlerpauschale, Straßenbau und vermutlich Wasserstoff (?). Sicher ist eins: Wir sind weiterhin gefragt und dürfen nicht nachlassen: die neue Regierung braucht gleichermaßen unsere aktive Unterstützung und unseren lautstarken Protest.“
In diesem Sinne werden wir uns als DGS auch weiter einsetzen: In die Verbesserung der Rahmenbedingungen und auch noch mehr als bisher in die Vermittlung der Umsetzungsmöglichkeiten, die sich an Planer, Betriebe, Multiplikatoren und interessierte Endkunden richten wird. Denn eine Neuformulierung von Zielen und eine Vereinfachung der Rahmenbedingungen – beides im Koalitionsvertrag versprochen – reichen nicht, um mehr Solarstrom von den Dächern zu ernten. Erst wenn der Hauseigentümer überzeugt ist, die Module vom Handwerker installiert sind und sich der Stromzähler zum ersten Mal (digital) dreht: Ja, erst dann ist solch ein Beitrag zur Energiewende Realität geworde