10.07.2020
Die Parteien in der Klimakrise (III): Die Gesinnungs-Parteien AfD und GRÜNE
Eine Kritik von Götz Warnke
Die deutschen Parteien wirken, so will es das Grundgesetz laut Artikel 21, bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Diese umfängliche und durch höchstrichterliche Urteile ausgestaltete Mitwirkung ist aber nicht nur ein Privileg, sondern auch eine Verantwortung. Dieser Verantwortung werden die verschiedenen Parteien je nach Thema in unterschiedlichster Maß (nicht) gerecht. Insbesondere im Zusammenhang mit der Klimakrise und den deutschen Verpflichtungen gemäß des Pariser Klimaabkommens vorn 2015 ist von den Klimabewegungen „Fridays for Future“, „Extinction Rebellion“ etc. immer wieder der Vorwurf erhoben wurden, keine der deutschen Parteien würde mit ihren Konzepten dem Ernst der Klimakrise gerecht. Dieses ist ein verheerendes Zeugnis angesichts einer Krise, die völlig aus dem Ruder laufen und bis Mitte diesen Jahrhunderts dem größten Teil der Menschheit das Leben kosten könnte. Da sich unser Schicksal mehr am Agieren der Parteien und den daraus resultierenden Folgen entscheidet als an schönen Sonntagsreden und wohlklingenden Parteiprogrammen, sollen im Folgenden die sechs Parteien im Deutschen Bundestag unter die Lupe genommen werden.
Die AfD
Die AfD ist heute die einzige mitgliederstarke deutsche Partei, bei der sich die Wissenschaft nach Parteibeschlüssen richten soll. So etwas hat es hier zuvor nur bei der gegen Einstein gerichteten „Deutschen Physik“ der Nationalsozialisten und dem Lyssenkoismus der SED gegeben. Die AfD hingegen lehnt die Klimawissenschaften ab, die von einzelnen schon mal als „Müllwissenschaften“ bezeichnet werden; deshalb wird von Seiten der Partei auch heftig gegen die angeblich überflüssigen, teuren und ineffektiven Erneuerbaren Energien polemisiert. Dabei stützen sich die „Alternativen“ auf dubiose, pseudowissenschaftliche Organisationen wie EIKE e.V., die wiederum gute Verbindungen zum pseudowissenschaftlichen US-Lobby-Thinktank Heartland Institute pflegen.
Nun könnte man einfach über solche unwissenschaftlichen Positionen zur Klimakrise hinweggehen, zumal die Corona-Krise ja deutlich gezeigt hat, dass es einen gesellschaftlichen Bodensatz an Verwirrten gibt. Allerdings erfordert nicht nur die drängende Klimakrise, dass man sich mit solchen Irrlichtereien auseinandersetzt, sondern die vielen hier entstehenden Widersprüche und Ungereimtheiten sagen auch eine Menge über die Partei und die Motive ihrer Mitglieder aus.
Da fürchten die „Alternativen“ u.a. die Überfremdung durch den Islam und die Bedrohung durch den islamischen Terrorismus, den überstarken Einfluss ausländischer Organisationen (z.B. EU) und den Verlust deutscher Souveränität. Doch de facto unterstützen sie mit ihrem Festhalten an der aus dem Ausland importierten Fossil-Energie arabische Terrorfinanziers, russische Oligarchen, dubiose Kohleförderer in Kolumbien und die deutsche Abhängigkeit von weiteren Gas-, Erdöl- und Kohle-Produzenten.
Wäre die AfD eine nationalbewusste Partei, so könnte sie – konsequent in ihren Abneigungen bleibend – fordern: „Deutsche Windkraft statt arabisches Öl, deutsche Photovoltaik statt kolumbianischer Kohle, deutsche Solarthermie statt russischem Erdgas, deutsches Biogas statt US-Fracking-LNG!“ Aber das will und macht die AfD nicht. Es fragt sich nur, warum?
Noch rätselhafter ist der Kampf der AfDler gegen das E-Auto. Da nach Meinung der Partei kein menschengemachter Klimawandel durch CO2-Emissionen existiert, könnte man die E-Autos doch hervorragend mit dem Strom aus alten und neuen Braunkohlekraftwerken laden. Dann hätte man nicht nur in den Städten extrem sparsame und abgasfreie Autos, sondern die Städte würden durch das Fehlen aufheulender Motoren und knatternder Auspuffe auch leiser und weniger heiß. Statt dessen hält man das E-Auto wahlweise für einen großen Schwindel oder „die Rückkehr zum Pferd“, und macht mit Kampagnen wie „Ja zum Diesel“ zweifelhaften Herrschern am Persischen Golf die Taschen voll. Warum?
Ähnlich merkwürdig ist die Haltung der Partei zu den Bauern: Angesichts der Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes, das Gewässer vor Überdüngung durch die Landwirtschaft schützen soll, spricht die AfD-Bundestagsfraktion von einem erneuten Schlag der Bundesregierung gegen die heimische Landwirtschaft und von Teilenteignung. Zugleich führt die Partei einen Krieg gegen die Windkraft und jene Landwirte, die gern ihr Land für Windenergie nutzen würden. Hier könnte man den Alternativlern bezüglich ihrer Windkraft-Politik genauso gut entgegnen: „Ein erneuter Schlag gegen die heimischen Landwirte – das ist nichts anderes als eine Teilenteignung!“
Schließlich hat die AfD vor einem Jahr in der „Dresdner Erklärung“ ihre Positionen zu Umwelt und Naturschutz formuliert: Vorsorgeprinzip bei sauberem Grundwasser und keine Privatisierung der Trinkwasserversorgung, Boden als wichtige Ressource umweltverträglich bewirtschaften und nicht zum Spekulationsobjekt werden lassen, Bekämpfung der Meeresverschmutzung und Schaffung von Meeresschutzgebieten, Schutz der Wälder und der Küsten – insbesondere vor Erneuerbaren Energien, und vor allem, allem keine Klimaschutzmaßnahmen!
Wie passt das nun alles zusammen? Passt das überhaupt zusammen? Ja, es passt zusammen, wenn man einmal annimmt, dass es sich hier im Prinzip um eine „Du-darfst-Partei“ handelt, also gemäß der bekannten Reklame „Ich will so bleiben, wie ich bin!“ – „Du darfst!“. Eine Partei des deutschen Biedermannes und Spießbürgers, der zwar weiß, dass das Leben immer ein gewisses Maß an Anpassung und Veränderung erfordert, der aber keine grundsätzlichen, umfassenden Veränderungen in seinem Leben und Umfeld will. Der deutsche Spießbürger beansprucht vielmehr eine von außen kommende Bestätigung, dass er schon immer zu den Guten, Wahren und Schönen gehörte, dass sein Lebensentwurf zumindest im Grundsätzlichen über jede Kritik erhaben ist. Und da unterscheidet sich eben der Klimaschutz deutlich vom Umwelt- und Naturschutz, weil er unseren gewohnten Lebensstil in Frage stellt bzw. hier grundsätzliche Einschnitte verlangt – und nicht nur einige Anpassungen wie weniger Ruß aus dem Schornstein oder saubereres Trinkwasser.
Es mag ja für einige beruhigend sein, dass die AfD keine nationalistische Partei ist (auch wenn es dort durchaus „braune Bratzen“ gibt), die etwa von „Lebensraum im Osten“ träumt, sondern eine spießbürgerlich-stockkonservative Partei, der solche Ideen fern sind – schließlich könnte sich ja der geliebte Dackel Waldi in den russischen Wäldern verlaufen, und die vertraute Fußpflegerin wäre 2.000 km entfernt!
Aber für die dringend notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der Klimakrise ist diese Partei verheerend.
Die Grünen
Die Grünen gelten als DIE Klimaschutzpartei. Dabei gibt es in ihren Reihen eine Vielzahl unterschiedlicher, oft mit jeweils großem emotionalen Engagement behandelter Themen: Alternativmedizin, Bürgerrechte, Erneuerbare Energien, Genderpolitik, Klimaschutz, Migration, Naturschutz, Öko-Landwirtschaft, Sozialpolitik, Tierschutz, Umweltpolitik, Verkehrspolitik, um hier nur die wichtigsten zu nennen. Die Abstimmung zwischen den Themenkomplexen, aber auch zwischen den sich darin manifestierenden Strömungen und Interessen machen es bisweilen selbst für die Parteiführung schwer, einen gewissen Ausgleich zu finden. Bei anderen Themen wie z.B. bei der Alternativmedizin gibt es in der Partei Positionierungen, die ebenso wissenschaftlich unbelegt sind wie die Klimathesen der AfD. Wieder andere Themen stehen in einem Spannungsverhältnis/Konflikt zueinander. Das gilt insbesondere für Klimaschutz und Erneuerbare Energien einerseits sowie Naturschutz andererseits: die Auseinandersetzungen zwischen Windkraftbefürwortern und Vogelschützern sind ebenso bekannt wie die zwischen Wasserkraftfans und Aquafaunisten; auch die Wiederansiedlung des Wolfes, ein Herzensanliegen mancher Grüner, ist wegen der mittlerweile 1.000 toten Schafe, dem Wolfsmanagement mit Spezialzäunen, Gutachtern, Tierärzten etc. und den damit verbundenen Materialaufwendungen, Fahrten etc. nicht zum CO2-Nulltarif zu haben.
Insofern ist deutlich, dass man bei den Grünen auch gut Parteikarriere machen kann, ohne was von Klimaschutz zu verstehen oder sich gar für Erneuerbare Energien zu interessieren. Und das kann beim Kampf gegen die Klimakrise sehr kontraproduktiv sein: So hat der Brandenburger Landesverband der Grünen sich auf eine 1.000-Meter-Abstandsregelung für Windkraftanlagen festgelegt, und liegt damit fast auf Linie mit – dem rechts-konservativen Flügel (!) – der CDU. Und die Grünen-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock versucht dann in einem mehr als peinlichen Fernsehauftritt (ab Min. 46:05) bei Anne Will am 17.11.2019, das Ganze noch schön zu reden. Die Reaktion von Seiten der Erneuerbaren-Energien-Anhänger war entsprechend. Dies ist beileibe kein Ausnahmefall: Im von CDU und Grünen regierten Hessen droht vielen aus dem EEG fallenden Windrädern das Ende, weil nur 20% der Turbinen in Windvorranggebieten stehen und daher repowert werden können; die Politik hat bei der Festlegung dieser Gebiete (Regionalplanung) schlicht geschlafen.
In Niedersachsen ging auch mit grüner Regierungsbeteiligung 1990 ff. und 2013 ff. das Abbrennen der Heideflächen und das „Entkusseln“ weiter, das die Ansiedlung von jungen Bäumen verhindern und die traditionelle Heidelandschaft erhalten soll – also als Naturschutz getarnter Erhalt romantischer (Heide-)Landschaftsbilder statt CO2-speichernder Bäume. Oder Hamburg: Die „Hochbahn AG“ erhält einen neuen Busbetriebshof für ihre wachsende Elektrobus-Flotte. Auf die großen, verschattungsfreien Dachflächen würde eigentlich gut eine große PV-Anlage passen – eigentlich! Doch die zuständige Bezirksversammlung Wandsbek hat nur Dachbegrünung ohne PV beschlossen, zumal auch die Wandsbeker Grünen der Ansicht waren, dass Dachbegrünung eben so richtig nur ohne PV gehe. Und das, obwohl die von den Grünen geführte „Behörde für Umwelt und Energie“(BUE) extra einen Leitfaden zur Dachbegrünung "Auf die Dächer - Fertig – Grün" herausgegeben hat, in dem die positive Ergänzung von Gründach und PV ausdrücklich beschrieben wird.
Selbst bei manchen grünen Energieexperten hat man bisweilen den Eindruck, es würden weniger die Argumente eines Papiers für die entsprechende Akzeptanz sorgen als die korrekt gesetzten Gender-Sternchen. Dabei sind viele Konfliktpunkte im grünen Kosmos noch nicht einmal angesprochen, geschweige denn durchdiskutiert, obgleich das sicher notwendig wäre. So z.B. zwischen Klimaschutz und Migration: Der Architekturprofessor Werner Sobek hat in einem Vortrag darauf hingewiesen, dass jedem Deutschen rechnerisch 12 Parkplätze (Min.05:30) und 490 Tonnen Baustoffe zur Verfügung stünden; würde man die Welt an den überdurchschnittlichen deutschen Maßstäben ausrichten, müsste man das Klimaziel auf + 6 bis 8°C festlegen. Durch die Migration wird jeder Zuwanderer auf das heutige deutsche Verbrauchsniveau bei materiellen Ressourcen und Energie „angehoben“; schon in den letzten Jahren führte die vermehrte Zuwanderung zu höheren CO2-Emissionen, so dass sich Ideen von einer Welt mit offenen Grenzen aus Klimaschutzgründen verbieten. Das Gleiche gilt übrigens auch für die „Verstädterung“ genannte Binnenmigration: Haben die Grünen den Mut, z.B. ihrer studentischen Wählerschaft zu sagen, dass bezahlbarer Wohnraum und das Leben in „angesagten“ Stadtteilen einander ausschließen, und dass künftig die Preise der Bauten und Mieten in erster Linie die energetische „Wahrheit sagen“ müssen?
Fazit
Über die Spießbürger und Klima-Okkultisten der AfD muss man keinen weiteren Satz verschwenden. Für die Grünen hingegen gilt das alte Fußball-Motto: „Knapp daneben ist auch vorbei!“ Die Partei hat zwar hervorragende Energie- und Klimapolitiker, aber in der Breite leistet sie sich hier zu viele dilettantische Fehlgriffe. Ein Grund dürfte das bei vielen Mitgliedern unterentwickelte Verständnis für die unterschiedliche Wichtigkeit der Themen sein: Ohne Klimaschutz werden tausende Tierarten und wir Menschen nicht überleben, ohne Wolfsschutz schon.
Teil I: Die Volksparteien SPD und CDU
Teil II: Die Klientel-Parteien FDP und DIE LINKE
Teil III: Die Gesinnungs-Parteien AfD und GRÜNE
Teil IV: Schlussfolgerungen