10.02.2023
Deutsch-Norwegisches Stromspeichergefühl
Eine Reportage von Heinz Wraneschitz
Es ist ein sehr windiger letzter Januartag in Diespeck, Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim, Mittelfranken/Bayern/Deutschland/Europa/Erde. An diesem Tag und Ort forderte Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger, es müssten viel mehr Stromspeicher gebaut werden. Doch es mangele an Anreizen, solche zu errichten, erklärte er weiter. Dabei stand er genau neben dem zurzeit größten Stromspeicher im Kreis NEA (Neustadt/Aisch-Bad Windsheim), ja sogar von ganz Bayern. Und er wirkte an dessen Inbetriebnahme mit.
Es braucht mehr Wind- und Solarkraftwerke, und für die Verteilung des Ökostroms fehlt der Übertragungsnetzausbau von Nord nach Süd, so die landläufige Meinung. Vielleicht denken einige gerade noch an neue Umspannwerke. Doch genau neben einem solchen regionalen Umspannwerk in Diespeck steht diese 24-Megawattstunden-(MWh)-Batterie, genauso wie ihr Beinah-Zwilling mit 22,8 MWh Kapazität in Iphofen (Unterfranken).
Gleich zwei Stromspeicher - zusammen 46,8 MWh also - hat die österreichische Verbund AG in Nordbayern errichten lassen. Der Energiekonzern aus dem Alpenstaat hat für seine Investition im niedrigen zweistelligen Millionenbereich keinerlei öffentliche Fördermittel bekommen. Verbund musste sogar an den örtlichen Verteilnetzbetreiber einen siebenstelligen Eurobetrag als gesetzlich vorgesehenen „Baukostenzuschuss“ überweisen. Dennoch sind die Projekte nach Aussage des Verbund-Vorstandsvorsitzenden (CEO) Michael Strugl „wirtschaftlich selbsttragend“.
Der Grund dafür ist im deutschen Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zu finden: Das erlaubt Netzbetreibern zwar, Speicher dort zu errichten, wo ansonsten der Netzausbau notwendig wäre. Aber um überschüssigen Wind- oder Solarstrom günstig einzukaufen und bei Mangellagen teurer abzugeben, das erlaubt das EnWG den Netzbetreibern nicht. Genau darauf aber baut das Geschäftsmodell des Verbund-Konzerns.
Deshalb sind die beiden Speicher in Franken auch nicht die ersten, die das Unternehmen Verbund Energy4Business, mit Münchner Sitz, in Deutschland finanziert hat – aber zumindest in Bayern bislang die insgesamt größten. Jeweils sechs Container stehen nun an beiden Standorten, vollgepackt mit Lithium-Ionen-Akkus. Allein die in Diespeck gespeicherten 24 (MWh) Strom reichten laut NEA-Landrat Helmut Weiß aus, um alle Haushalte des Kreises eine Stunde lang zu elektrisieren.
Doch die Österreicher nützen weniger diese theoretische Versorgungsmöglichkeit als die Leistungsabgabe des Speichers: 21 Megawatt (MW) kann dieser bei Bedarf sofort ins Stromnetz abgeben. Beispielsweise, wenn die Netzfrequenz absinkt, oder wenn sich Spitzen beim momentanen Börsenstrompreis abzeichnen. An diesem „Spotmarkt“ gibt es bei hohem Strombedarf und wenig Lieferung durch die volatilen Wind- und Solarkraftwerke gute Verdienstmöglichkeiten.
Geladen werden die Batteriemodule, indem sie Stromüberschüsse abfangen, zum Beispiel von Solarkraftwerken. Gerade in Franken müssen die oft in der Mittagszeit abgeregelt werden. Nun sollen die Speicher auf den Überschuss zugreifen, zu möglichst niedrigen Börsenpreisen. Geliefert hat die Speichersystems Eco Stor aus Kirchheim bei München. Geschäftsführer Georg Gallmetzer zur verwendeten Technik: „Das sind Lithium-Ionen- (LiIon) Akkus, ähnlich wie in Elektroautos.“ Das 2021 gegründete Start-Up-Unternehmen gehört inzwischen zur norwegischen Energiegruppe „Å Energi“. Deren Vorstandschef (CEO) Steffen Syvertsen verriet den zahlreichen Gästen der Inbetriebnahmefeier im nahen Neustadt/Aisch, Å Energi sei gerade in Skandinavien dabei, eine „Mega-Factory“ für Batteriesysteme zu errichten.
Noch aber verwendet Eco Star Batterien aus Asien: in Diespeck stammen diese von Samsung; in Iphofen (Kreis Kitzingen), wo ein fast baugleiches Projekt entsteht, kommen sie von LG.
Aktuell wurden 2022 hierzulande nur 500 MWh Batteriekapazität in stationären Anwendungen verbaut, aber 30.000 MWh in Fahrzeugen. Jedoch erwartet Helmut Weiß, der Landrat des NEA-Kreises, den baldigen Speicherdurchbruch, gerade im ländlichen Bereich. Denn hier seien die Netze nicht ausgelegt für eine Vervierfachung an Windkraftwerken, die Weiß alleine in seinem Landkreis kommen sieht, wenn das gerade in Kraft getretene Wind-an-Land-Gesetz greife.
Und so will Verbund-CEO Strubl, denn auch „1.000 MW bis 2030, mindestens 100 MW Speicher jedes Jahr“ allein in Deutschland bauen lassen. „Wir können es uns gar nicht leisten, mögliche Ökostrom-Erzeugung nicht aufzunehmen“, redet Strubl der verantwortlichen Politik ins Gewissen.
Bei einem, Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger, rennt er damit offensichtlich offene Türen ein. Neben dem Ausbau der Verteilnetze mangelt es für ihn bei der Energiewende ganz arg „an Anreizen, Stromspeicher zu errichten“. Und so sah Minister Aiwanger mit dem Inbetriebnahme- „auch einen Türöffnertermin“, um die von ihm versprochenen „mehrere 100 neuen Windräder und tausende Hektar Photovoltaik in die Netze zu kriegen“: neben Netzausbau mit Batteriespeichern.
„Davon sollen alle Beteiligten etwas haben“, ergänzt Aiwanger. Denn obwohl der Verbund mit dem Ein- und Ausspeichern von Ökostrom Gewinn machen will, bekommen die Standortgemeinden keine Gewerbesteuer ab. Deshalb will der Energieminister „alle Beteiligten an einen Tisch bringen“. Was sicher auch die örtlich verantwortlichen Bürgermeister freuen würde.
So gibt Diespecks Ortschef Christian von Dobschütz zu, er vermisse bislang das Bewusstsein auf Seiten der überregionalen Politik: „Wir setzen die Energiewende hier um. Und die Themen sind vor Ort zu lösen.“
Könnte der Umstieg auf Sonne und Wind womöglich leichter klappen mit der Möglichkeit, Gewerbesteuer zu kassieren?