10.02.2023
Der E-Auto-Ausblick 2023
Ein Überblick von Götz Warnke
Kommt er, oder kommt er nicht – treffsichere E-Auto-Ausblicke zu schreiben, ist in den letzten Jahren zunehmend schwieriger geworden. Da ist nicht nur die schiere Menge neuer Firmen und Typen, die auf den Markt drängen – aber es dann teilweise doch nicht schaffen. Da sind auch die internationalen Krisen und die mit ihnen einher gehende Fragilität der Lieferketten. Dabei muss gar nicht in erster Linie an den Krieg in der Ukraine gedacht werden, der die Fahrzeug-Produktion nach einem anfänglichen Kabelbaummangel eher weniger beeinflusst. Doch der überraschende Angriff Russlands zeigt, wie schnell langjährig schwelende nationale Konflikte akut werden – und in Asien gibt es ja einige davon, die insbesondere die wichtige Chipproduktion erheblich beeinträchtigen können. Dazu kommt die grassierende Corona-Epidemie in China und ein dort drohender Immobiliencrash mit gesamtwirtschaftlichen Folgen. All’ das macht E-Auto-Ausblicke zunehmend fragil. Und auch manche Einzelangaben sind nicht mehr in Stein gemeißelt: z.B. färbt das Dynamic Pricing von Tesla zunehmend auf andere Hersteller ab. Dennoch:
Airways: Die chinesische Marke ist seit 2020 in Deutschland mit dem mittelgroßen E-SUV U5 aktiv, der z.B. über die Euronics-Elektrohändler vertrieben wird. Dieses Jahr folgt mit dem U6 ein Crossover (SUV-Coupe´): 63 bis kWh, 160 kW, Preis um 48.000 €.
Audi: Die Ingolstädter werden ihr neues Crossover-Modell auf der mit zusammen Porsche entwickelten PPE-Plattform wohl erst auf der IAA 2023 vorstellen: den Q6 e-tron mit seinem 800-Volt-System. Noch auf der alten Plattform erscheint als aufgefrischtes Dick-SUV der Q8 e-tron, auch als Sportback.
BMW: Die blau-weißen Münchner setzen auf ihr neues Mittelklassemodell i5, das es auch als Kombi i5 Touring geben wird. Die Fahrzeuge werden auf der gemischten CLAR-Plattform gebaut. Dazu rollt die Oberklassen-Limousine i7 auf die Straßen, und auch der preiswerte ix1 soll in größeren Stückzahlen die Regensburger Werkstore verlassen.
BYD: Der größte E-Auto-Hersteller Chinas, und damit einer der größten der Welt, startet in diesem Jahr seine Deutschlandoffensive: neben den großen Han und Tran, einer Limousine und einem SUV, gibt es auch zwei interessante Fahrzeuge: Der Atto 3 zielt mit seinem 150-kW-Motor und seinem 60-kWh-Akku auf den VW ID 3, kommt aber im Gegensatz zu Han und Tran auf einer reinen Elektroplattform. Der elegante Seal, ebenfalls auf einer reinen Elektroplattform, wirkt wie eine Mischung aus Tesla 3 und Hyundais Ioniq 6, auf deren Marktsegment er auch zielt.
Citroen: Die einst avantgardistischen Franzosen aus dem heute internationalen Stellantiskonzern präsentieren mit dem ë-C4 X einen kleinen Crossover mit 50 kWh-Batterie und 100 kW Leistung zu einem Preis ab 37.540 €. Der Wagen kann bereits konfiguriert werden; Marktstart soll noch im ersten Quartal sein.
FIAT: Die Italiener scheinen sich dieses Jahr hinsichtlich E-Autos auf dem Erfolg ihres elektrischen 500er ausruhen zu wollen. Nur die Untermarke Abarth bringt ihre Version eines kraftvoll-sportlichen 500e auf den Markt.
Fisker: Inzwischen ist die Produktion des Fisker Ocean bei Magna in Österreich angelaufen, und in diesem Jahr wird man hin und wieder auch auf deutschen Straßen Exemplare des Nobel-SUVs sehen.
Ford: Höchst geheimnisvoll arbeitet Ford an seinem E-Crossover, der bisher noch nicht einmal einen offiziellen Namen hat. Dabei soll er ab diesem Herbst in Köln vom Band laufen, wo bis zum Sommer noch der kleine Verbrenner Fiesta gebaut wird. Vom Crossover ist bisher nur gesichert, dass es auf Volkswagens MEB-Plattform aufsatteln wird und in Konkurrenz zum ID 5 und zum Skoda Enyaq Coupé treten soll. Zudem schickt Ford den Transporter E-Tourneo Custom als Konkurrenz zum VW ID. Buzz in den Ring.
Hyundai: Hyundai hat seinen kleinen E-SUV Kona EV kürzlich überarbeitet; nach dem bisherigen Verkaufserfolg dürfte der Wagen auch dieses Jahr wieder viele Interessenten in Deutschland finden. Gleiches gilt für die stromlinienförmige Limousine Ioniq 6, die im Konfigurator auf Kunden wartet.
Jeep: Die US-Traditionsmarke gehört zum Stellantis-Konzern; von ihr kommt dieses Jahr der kleine E-Jeep Avenger, dessen Produktion am 31.01 im polnischen Tychy begonnen hat. Die Fahrzeugdaten sind Stellantis-typisch: 54-kWh-Akku, 115-kW-E-Motor, Preise ab rund 40.000 €.
KIA: Die Koreaner werden es in diesem Jahr Audi, BMW und Mercedes nachmachen, und mit dem EV 9 einen riesigen Protz-SUV vorstellen. Vielleicht wollen sie nach dem gelungenen EV 6 einfach nur beweisen, dass sie auch „hässlich“ können.
Mercedes: Dem großen EQS-SUV folgt dieses Jahr die SUV-Variante EQE, die etwas kürzer geraten ist als die Limousine. Dazu gesellt sich der Hochdach-Kombi EQT.
MG: Die zugekaufte Tochtermarke des chinesischen Autokonzerns SAIC hat im vergangenen Jahr den MG 4, ein Fahrzeug der Kompaktklasse vorgestellt, der in diesem Jahr in Deutschland ausgeliefert wird. Akku: 51- oder 64-kWh, Motor: 125 oder 150 kW, Preise ab 31.990 €. Das zielt klar auf den ID. 3.
Microlino: Nein, es ist kein Auto, sondern ein Schweizer Leichtfahrzeug der Klasse L7e. Aber es kommt dieses Jahr nach Deutschland, und es steht hier, um zu zeigen, dass es für ein standsicheres Kabinenfahrzeug nicht immer gleich eines fetten SUVs bedarf. Motor 12,5 kW, Akku-Kapazität bis 14 kWh, Preis ca. 15.150 €.
NIO: Die chinesische E-Auto-Marke stellt neben die Oberklassen-Limousine ET7 die Mittelklassen-Limousine ET5; zudem soll auch das SUV EL 7 dieses Jahr nach Deutschland kommen. Bei allen Fahrzeugen kann man die bis zu 21.000 € teuren Akkus auch leasen. Die Fahrzeuge haben ein Wechselakkusystem, und NIO baut gerade ein System von Batteriewechsel-Stationen in Deutschland auf.
Opel: Die zum Stellantis-Konzern gehörenden Rüsselsheimer schicken den Opel Astra Electric ins Rennen um die Käufergunst, wobei man auch den „Sports Tourer“ als ersten deutschen Kombi bestellen kann. Grunddaten: Motor 115 kW, Akku 54 kW, Preis wohl mehr als 40.000 €.
Ora: Die Untermarke der chinesischen Great Wall Motors (GWM) kommt mit dem Kompaktwagen Funky Cat und 48- oder 63-kWh-Akku, einem 126 kW-Motor und Preisen von 38.990 bis 49.490 € – große Summen für ein relativ kleines Auto.
Polstar: Der Limousine Polestar 2 hat gerade eine umfängliche Neuauflage erfahren; jetzt folgt mit dem Polestar 3 ein großes E-SUV: Akku 111 kWh, Reichweite über 600 km (WLTP), Preis über 88.000 €.
Renault: Das französische Traditionsunternehmen, das seine Partnerschaft mit Nissan fortführen will, ist in diesem Jahr mit Neuerscheinungen sehr zurückhaltend. Allerdings soll im Herbst mit dem R 5 eine elektrisierte Neuauflage des 70er Jahre Klassikers präsentiert werden, der es höchstwahrscheinlich dieses Jahr noch in den Konfigurator und vielleicht noch in einzelnen Exemplaren sogar noch auf Deutschlands Straßen schafft.
Smart: Der Smart #1 hat als 5sitzer mit dem im französischen Hambach produzierten Smart Fortwo nur noch den Namen gemeinsam: 66 kWh Akkukapazität und ein 200-kW-Motor erinnern eher an ein Mittelklasse-Fahrzeug als an einen Kleinstwagen. Gebaut wird er beim Mercedes-Partner Geely in China.
Tesla: In diesem Jahr kommen nun wieder die Limousine Model S und das SUV Model X auch als „einfache“ Luxusfahrzeuge und nicht nur in der dreimotorigen „Plaid“-Version nach Europa. Doch außerhalb des Quartetts mit den günstigeren Model 3 und Model Y wird es hier keine Neuerscheinungen geben.
Toyota: Dass die Japaner schöne Autos bauen können, haben sie kürzlich wieder mit ihrem neuen Plug-Hybrid Prius bewiesen. Leider scheinen sie diese Fähigkeit nicht auf E-Autos übertragen zu können/wollen. Denn Toyotas bisher einziges E-Auto, der SUV bZ4X ist weder schön noch flächendeckend verfügbar. Dafür tummelt er sich seit längerem im Konfigurator: rund 71 kWh Batteriekapazität, 150-kW-Motor, Preise ab 47.490 €.
Volvo: Die Ex-Schweden, heute zum Geely-Konzern gehörig, starten mit dem großen SUV EX90, der sich mit dem Polestar 3 eine Basis teilt: Preise ab 106.000 €, Motorleistungen ab 300 kW und ein Akku von 111 kWh zeichnen diesen Trump aus. Der kleine EX30 wird erst Mitte des Jahres vorgestellt, und dürfte erst Anfang 2024 von China in Deutschland landen.
VW: Neben einer Überarbeitung des ID. 3 setzen die Wolfsburger auf den neuen ID.7, eine stromlinienförmige Limousine, die es auch als Kombi geben soll, und die im 2. Quartal 2023 ihre Weltpremiere hat. Bei Akkukapazitäten zwischen 62 und 82 kWh soll die rund 5Meter lange, stromlinienförmige Limousine Reichweiten bis über 600 km erreichen.
Fazit: Die Anzahl der Marken und Fahrzeugtypen nimmt zu, die Anzahl kleinerer Autos – aber keine Kleinwagen! – nimmt zu, und die Anzahl der Autos aus China nimmt zu. Wie stark sich diese einzelnen Tendenzen sich in 2023 allerdings jeweils realisieren, bleibt weiterhin ungewiss.