09.12.2022
Black Out nicht sehr wahrscheinlich
Ein Bericht von Heinz Wraneschitz
„Wie sicher ist die Energieversorgung? Welche Notfallpläne liegen vor? Was kommt auf Betriebe und Firmen zu? Fragen, die für regionale Unternehmen von großer Bedeutung sind“, stand in der Einladung zu lesen. Der folgten etwa 100 Mitglieder des Wirtschaftskreises im Landkreis Fürth. Und sie tauschten sich darüber – also eigentlich über das immer brandaktuelle Thema Energie – mit regionalen Fachleuten aus. Der Mobilraum-Produzent Cadolto hatte dafür seinen Veranstaltungsraum zur Verfügung gestellt.
Dabei wäre nicht nur die Wirtschaft, sondern die Bevölkerung genauso betroffen, wenn der Strom ausfiele. Auch wenn die Elektrizität hierzulande nur etwa ein Fünftel der Endenergie ausmacht. Denn Gas zum Heizen und für Industrieprozesse, Öl als Antriebsstoff für die Mobilität liegen da vorne: „Wenn der Netzbetreiber den Schalter umlegt, was passiert dann mit Pflegeheimen, Kläranlagen, der Wasserversorgung?“ fragte Cadolzburgs 1. Bürgermeister Bernd Obst in den Raum. Und er gab zu: „Wir werden jetzt nicht aufholen können, was seit Jahrzehnten im Bevölkerungsschutz versäumt worden ist. Die Kommunen sind auf die jetzige Situation nicht gut vorbereitet, ein Stückweit überfordert.“
Frank Bauer, Fürther Kreisbrandrat und im Landratsamt für den Katastrophenschutz zuständig, beschrieb das für ihn geltende Krisenszenario so: „Wir müssen für 72 Stunden Blackout planen, besonders die internen Abläufe anschauen.“ Zuerst werde der ÖPNV ausfallen, dann sei „als Paradebeispiel der Digitalfunk von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst gefährdet“, nannte er beispielhaft zwei kritische Punkte. Und er ergänzte: Der Katastrophenschutz könne kaum in der Fläche unterstützen, um systemrelevante Betriebe wie Wäschereien von Kliniken mit Notstromaggregaten zu versorgen; „da wurde viel abgebaut“.
Marcus Steurer, der Geschäftsführer der Fürther Stadtwerke infra versuchte, anhand von Fakten zu beruhigen: „Blackout wird es kaum geben. Möglicherweise ein stundenweises kontrolliertes Abschalten großer Lasten. Aber die Situation jetzt ist keine weitaus stärkere als in den Jahren zuvor.“ Und zwar bei Strom wie Gas: Die Gasspeicher seien zu 98 Prozent gefüllt, auch weil Haushalte und Industrie weniger verbraucht hätten, unter anderem der milden November-Temperaturen wegen. „Doch der Appell >spart Energie ein< ist noch nicht ganz angekommen“ merkte Steurer an. Dafür jedoch waren die aufgerissenen Fenster im Veranstaltungsraum ein ganz schlechtes Beispiel.
Haben die Firmen durch den Energieschock umgedacht?
Aber glaubt man Christian Sendelbeck, Vizepräsident der Handwerkskammer für Mittelfranken und SHK-Unternehmer, dann haben „die Firmen endlich begriffen: Sie wissen nun, wie viele Kilowattstunden sie verbrauchen.“ Wobei gerade Lebensmittel-Handwerker wie Bäcker und Metzger Probleme wegen der explodierten Gas- und Stromkosten bekommen haben. „Und auch Bauarbeiter müssen erst einmal mit dem Auto auf die Baustelle“ und dabei die ebenfalls massiv gestiegenen Spritpreise verkraften.
Thomas Mörtel von der Fürther Kreishandwerkerschaft nannte ein Beispiel: „Ein Betrieb zahlt statt 27.000 jetzt 144.000 Euro für Strom pro Jahr. Deshalb sind die bayerischen Verbände sehr zufrieden mit der bundesweiten Strom- und Gaspreisbremse. Die ist eine gute Botschaft“, wenn er auch mit Problemen im Detail rechnet. Denn das Gesetz soll endgültig erst kurz vor Weihnachten im Bundestag beschlossen werden, aber bereits ab dem 1. Januar 2023 gelten.
Christian Bühler, Fürther IHK-Vorsitzender und Chef der gleichnamigen Mittelstands-Invest, relativierte die oft lautstark formulierte Kritik an kurzfristigen Entscheidungen der Ampel-Koalition: „Ein grüner Wirtschaftsminister, der in Katar die für Menschen und Wirtschaft wichtige Versorgungsicherheit holt, wer hätte das erwartet? Wir müssen die Krise nutzen, globaler denken, zum Beispiel Grünen Wasserstoff dort beziehen, wo er gut hergestellt werden kann.“
Warnung vor noch mehr Abhängigkeit
Rainer Kleedörfer vom nordbayerischen Stromnetzbetreiber N-ERGIE hat daran offenbar Zweifel. „Wir haben bereits eine hohe Abhängigkeit von ausländischen Anbietern, von Gas über Öl bis Atombrennstoff. Es rächt sich jetzt, dass wir geglaubt haben, die Versorgungswege sind sicher. Und statt eine Versorgungssicherheit aufzubauen macht man jetzt einen neuen schweren Fehler. Denn wo kommen die Metalle für die Erneuerbaren Energien her? Aus China, Kasachstan, Mali. Das ist schlecht, weil wir da wieder abhängig sind.“
Ohnehin zeige die aktuelle Stromsituation - „wir haben Dunkelflaute: Kein Sonnenstrom und auch keine Windenergie“ -, dass selbst ein 100-facher Ausbau der Erneuerbaren nicht die alleinige Lösung sei. Denn einerseits könnten neue Ökokraftwerke kaum mehr angeschlossen werden, weil die Verteilnetze mangels gesetzlicher Rahmenbedingungen nicht hätten ausgebaut werden können: „Allein die N-ERGIE bräuchte tausende Kilometer.“
Und um die bestehenden Leitungen in der Region zu entlasten „brauchen wir Batteriespeicher auf Freiflächen-Solaranlagen. Aber die Betreiber haben dafür keinen Anreiz.“ Und auch die zum Ausgleich von Stromlücken „notwendigen Gaskraftwerke, allein in Süddeutschland Dutzende, werden nicht gebaut. Stattdessen läuft jetzt die letzte Dreckschleuder“, also Kohlekraftwerke, um die Dunkelflaute zu überbrücken, so Kleedörfer.
Bürgermeister Obst sprach in diesem Zusammenhang „den Faktor Mensch vor Ort“ an: „Beim Ausbau müssen Bürgerinnen und Bürger mitziehen.“ Von jedem und jeder Einzelnen genauso wie von den Unternehmen erwartet Landrat Matthias Dießl im Übrigen: „Für vieles müssen wir selber sorgen. Eine Herausforderung. Doch die Politik wird nicht für alles sorgen können.“ Doch Moderatorin Maike Müller-Klier von der IHK hat Hoffnung: „Wohl oder übel sind wir inzwischen ja alle Energieexperten geworden.“