09.08.2019
Jeden Tag ne neue grüne Sau
Kommentar zu Bayerns Regierungschef Markus Söder von Heinz Wraneschitz
Ob er heute schon wieder eine neue, grüngestrichene Sau durchs mediale Dorf treiben wird? Was Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder zurzeit an Umwelt- und Klimaideen fast im Stundentakt in den Äther pustet, passt kaum mehr auf die vielzitierte Kuh-, oder besser Schweinehaut. Ich habe dazu das Gefühl, er hat nicht einmal ein Kurzzeit-Gedächtnis.
Beispiel Batterien. Was regte sich Söder auf, als Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) Ende Juni Münster (NRW) als Standort für eine Speicherzellenforschungsfabrik benannte. Im Süden Deutschlands hatte sich dagegen besonders das Zentrum für Solar- und Wasserstoffwirtschaft ZSW in Ulm große Hoffnungen gemacht, den Zuschlag über 500 Mio. Euro Bundesmittel für das Prestigeprojekt zu bekommen. Münster: Ein Schlag für das ZSW, das seit zig Jahren erfolgreich an Batteriesystemen aller Art forscht. Dass die Bundesentscheidung deshalb dem Baden-Württemberger Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann sauer aufstoßen würde, war abzusehen.
Doch was hat Markus Söder an der Entscheidung der Bundesforschungsministerin so gewurmt? „Da würde es mehr Sinn machen, man investiert in den Süden“, erklärte er dazu trotzig, und: Zusammen mit Baden-Württemberg werde man nun selber „Forschungs- als auch Produktionsstandorte unter anderem in Ulm, Augsburg und Nördlingen aufbauen“.
Dabei hatte „der Maggus“, wie er gerade in Franken gerne genannt wird, wenige Tage zuvor „Augsburg, München und Bayreuth“ zum „Technologiekompetenzdreieck für erfolgreiche Fertigungsforschung“ hochgejubelt. Nun also will er stattdessen „Nördlingen aufbauen“, wohlgemerkt: das in Bayern. Dorthin hatte Varta vor ein paar Jahren seine Solar-Speichersparte ein paar Kilometer von Ellwangen her umgezogen: Ein legaler Grenzübertritt aus Baden-Württemberg, weil Varta wohl auch Bayerns Batterie-Fördermittel im Blick hatte. Zu der sichtlich erfolgreichen „Sonnen“-Batteriefabrik in der passenden Allgäuer Gemeinde Sonnen kam aktuell kein Wort aus des Ministerpräsidenten Mund. Doch womöglich kommt Sonnen ja heute an die Reihe. Wer weiß?
Ohnehin könnte Markus Söders Lieblingsspruch lauten: „Was stört mich mein Geschwätz von gestern?“ Er redet offenbar immer jenen nach dem Maul, mit denen er gerade spricht. „Sie werden in Bayern einen starken und verlässlichen Partner haben. Weg von Kohle, Öl, Gas: Wir brauchen Regenerativenergien in Bayern!“ Das versprach 2010 der damalige Umweltminister den freistaatlichen Windbranchen-Vertretern in Fürth wörtlich in die Hand und ergänzte: „Wir brauchen einen energetischen Neuanfang: Absolute Ökoenergie.“ Und zu den 439 bestehenden sollten noch weitere „1.500 große Windkraftwerke in den nächsten zehn Jahren“ kommen.
Dann kamen Fukushima und die Merkel`sche Energiewende, und Söders Purzelbaum rückwärts: „Derzeit werden in Bayern keine neuen Windkraftanlagen genehmigt“, zitierte ihn eine ministerielle Pressemitteilung Ende 2013. Da hatte Bayerns Kabinett die „10-H“-Abstandsregel zwar auf den Weg gebracht. Aber der Finanz- und Heimatminister Söder wollte dem noch nicht existierenden Gesetz schon lange vorauseilend Geltung verschaffen.
10H gilt bis heute in Bayern. Doch der heutige Ministerpräsident stellt sich laut Nürnberger Nachrichten inzwischen „die Frage, was wir leisten können, um die internationale Herausforderung Klimaschutz zu bewältigen. Deswegen ist die Frage von Ökologie keine parteipolitische, sondern eine ethische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“
Ökostrom ist für ihn offenbar die Lösung aller Probleme – jedoch weiter ohne viel Windkraft. Stattdessen kommt ihm dazu momentan dauernd das Wort Photovoltaik über die Lippen. Außerdem hat er eine zurzeit schwer hippe neue Spielwiese besetzt: Wasserstoff. Dass ausgerechnet seine Heimatstadt Nürnberg zum H2-Zentrum werden soll, ist bestimmt kein Zufall.
Dabei wäre schon eher das benachbarte Erlangen geeignet: Mit Fraunhofer— und Helmholtz-Institut, die seit langem H2-Forschung betreiben. Und mit der aufstrebenden Firma Hydrogenious, die weiß, wie man den Wasserstoff ungefährlich speichert und transportiert.
Nach eigenem Bekunden arbeitet Markus Söder mit einer „Strategie“ und macht den Versuch, „Klimaschutz und die Förderung der Konjunktur miteinander zu vereinbaren.“ Tatsächlich macht der bayerische Regierungschef das genaue Gegenteil: Populistisches Hin- und Hergespringe, um ja keinen Augenblick zu verpassen, in den Medien präsent zu sein. Wirklich nachhaltige Klima- und Energie-Politik geht anders.