08.11.2019
Im Gespräch mit Prof. Adolf Goetzberger
Professor Adolf Goetzberger ist ein Pionier der Energiewende. Er kam nach Forschungsjahren im Halbleiterbereich in den USA wieder nach Deutschland, hat 1981 das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg gegründet. 1992 erhielt er das Bundesverdienstkreuz und war von 1993 bis 1997 Präsident der DGS. In diesem Monat wird er 91 Jahre alt.
Frage: Herr Professor Goetzberger, Sie waren beruflich und in vielen Ehrenämtern mit dem Thema Sonnenenergie beschäftigt. Wieweit spielt das heute noch eine Rolle für Sie?
Goetzberger: Ich hatte noch lange ein Büro im Fraunhofer-Institut und das habe ich erst vor vier, fünf Jahren aufgegeben, als das Institut Platz gebraucht hat. Dann habe ich auch aufgehört, selber etwas aktiv zu machen. Seither bekomme ich noch diverse Zeitschriften, die ich lese, die SONNENENERGIE der DGS gehört natürlich dazu. Dadurch bin ich immerhin noch einigermaßen informiert.
Frage: Mit dem jahrzehntelangen Blick aus Ihrer Erfahrung: Wo stehen wir heute im Solarbereich?
Goetzberger: Eigentlich könnten wir viel weiter stehen, wenn man kontinuierlich daran gearbeitet hätte, aber es gab ja einen großen Einbruch im deutschen Solarmarkt, dadurch sind auch viele andere Entwicklungen wenn nicht zum Stillstand gekommen so doch sehr verlangsamt worden. Vieles ist nach China abgewandert. Wir könnten heute mit den Erneuerbaren Energien viel weiter sein, wenn man die Förderung kontinuierlich durchgezogen hätte. Man will ja die fossilen und umweltschädlichen Energien weitgehend ersetzen.
Frage: Glauben Sie, dass die Fridays-for-Future-Bewegung jetzt neuen Schwung bringt? In den letzten Jahren ging ja – trotz den politischen Bekenntnissen – nicht viel voran.
Goetzberger: Es führt zumindest dazu, dass das Ganze mehr in den Blick der Öffentlichkeit gerückt wird und man auch in der Politik dessen gewahr wird und mehr darüber spricht und plant - aber ob wirklich Taten folgen, muss sich erst noch erst noch erweisen.
Frage: Das gilt dann wahrscheinlich aus Ihrer Sicht auch für das Klimapaket der Bunderegierung?
Goetzberger: Ja, ich habe dazu viel Kritik gehört. Aber immerhin finde ich es positiv, dass mal was getan wird, auch wenn man so die Klimaziele wohl nicht erreichen wird. Ich erinnere mich, kurz nach der ISE-Gründung [Anmerkung: das war 1981] in Vorträgen immer wieder die Forderung erhoben zu haben, dass die Energiepreise die Wahrheit sagen müssen. Damals wäre sowas schon angemessen gewesen, dann wären wir heute viel weiter.
..wenigstens soll bei der PV der 52-GW-Deckel nun gestrichen werden
Goetzberger: Ja, das war ja völlig wiedersinnig, dass die Energie, die man eigentlich fördern möchte, künstlich gedeckelt wird. Und die Förderung kostet heute doch gar nicht mehr so viel, weil Photovoltaik so billig geworden ist, so dass man sich das leicht erlauben kann.
Was sind denn gerade die spannenden technischen Themen in der PV?
Goetzberger: Das ISE treibt vor allem die Systemtechnik voran, das ist etwas, was ich sehr begrüße, ich hatte diesen Gedanken von Anfang an. Dadurch hat das ISE heute auch ein weites Betätigungsfeld, auch wenn die Solarzellen-Entwicklung als solche zwar immer noch wichtig ist, aber nicht mehr im Mittelpunkt steht. Die Entwicklung der Solarzellen zu höheren Wirkungsgraden ist immer noch nicht zu Ende, das geht kontinuierlich. Seit Gründung des ISE wurde der Wirkungsgrad der marktgängigen kristallinen Siliziumzellen immer weiter verbessert, auch wenn sich die Industrie manchmal schwer damit getan hat, wissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis durchzusetzen. Ich kann mich noch gut an eine Gutachtersitzung erinnern, als ich in den Anfangsjahren des ISE einen Antrag eingebracht habe, mit dem zunächst einmal das Potential der Siliziumzelle ausgelotet werden solle. Wir wollten damals versuchen, mit den bekannten Halbleitertechniken den höchstmöglichen Wirkungsgrad zu erreichen. Da hat es dann Kritik gehagelt, das wäre zu teuer, ein Industrievertreter hat das dann zu Fall gebracht, indem er gesagt hat, alles was wir wollen ist 10 Prozent Wirkungsgrad und möglichst billig. Dadurch sind wir um Jahre zurückgefallen. Inzwischen haben das andere gemacht, Kollege Green in Australien zum Beispiel.
Frage: Inzwischen gibt es die ersten realisierten Beispiele für Argo-Photovoltaik, also die Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen für Solarenergie und Feldfrüchte. Auch das geht auf Ihre Idee zurück?
Goetzberger: Schon 1981 habe ich das veröffentlicht und seit damals immer wieder alle fünf, sechs Jahre versucht, das zu realisieren. Wir haben immer wieder Anträge gestellt, bei Ministerien und Stiftungen, das ist immer wieder abgelehnt worden. Jetzt erst konnte man einen Praxisversuch machen.
Frage: Aktuell wird auch in Baden-Württemberg weiter darüber diskutiert, denn große Flächen für PV sind hier durchaus knapp.
Goetzberger: Da ist ja genau etwas, das wir damit zumindest einer Lösung näherbringen wollten. Was damals schon aufgefallen ist, ist dass durch den Schattenwurf viel Abstand zwischen den Modulen gehalten werden muss und deshalb viel Fläche nicht genutzt wird. Auf der anderen Seite muss ja auch bei der Freiflächenaufstellung das Grün unter den Modulen sowieso gepflegt werden. Das hatten wir dann aufgeschrieben und ich habe das als Vorschlag veröffentlicht.
.. zum ersten Mal in der SONNENENERGIE (Link)
Goetzberger: ja, und leider ist das dann jahrzehntelang liegengeblieben, ohne dass damit was angefangen wurde.
Noch eine Frage zum ISE, das jetzt 1.200 Mitarbeiter hat: Stehen Sie mit den aktuellen Mitarbeitern noch im Austausch?
Goetzberger: Ich gehe immer wieder ins Seminar dorthin und kenne den aktuellen Leiter Herrn Henning gut, auch Herr Bett kenne ich schon sehr lange, er hat auch bei mir Diplomarbeit gemacht. Ein intensiver Kontakt zu ihm ist das nicht, er ist ja auch sehr beschäftigt, aber wenn ich irgendein Anliegen habe, ist er immer sehr entgegenkommend und hilfsbereit.
Frage: Aus Ihrer Sicht: Warum ist das ISE so erfolgreich? War es damals zur Gründung einfach der richtige Zeitpunkt mit dem richtigen Thema?
Goetzberger: Da sind einige Dinge zusammengekommen. Es muss das richtige Thema sein, über den Zeitpunkt kann man noch streiten, denn als ich das ISE gegründet habe, war es nicht der richtige Zeitpunkt, denn es war äußerst schwierig, vor allem in der Fraunhofer Gesellschaft, denn die verlangt einen erheblichen Anteil an Industriefinanzierung. Das war zu Beginn des ISE nicht möglich, weil es damals ja gar keine Industrie gab. Aus späterer Sicht war es schon der richtige Zeitpunkt. Sehr wichtig ist auch, dass man die richtigen Mitarbeiter haben muss, ohne die fähigen und kreativen Menschen geht so etwas ja überhaupt nicht. Und damals hat auch das Thema die Jugend schon bewegt, da war es nicht schwierig, gute Leute zu gewinnen, vor allem für Diplom- und Doktorarbeiten.
Frage: Möchten Sie am Ende unseren DGS-NEWS-Lesern noch etwas mit auf den Weg geben?
Goetzberger:Sie sollten weiterhin versuchen, die DGS zu stärken. Insgesamt bin ich etwas pessimistisch, weil die Sonnenenergie heute schon viel weiter sein könnte, wenn man rechtzeitig darauf eingegangen wäre. Aber es kann sein, ich war mit meinen Vorschlägen und der Institutsgründung zu früh dran und meiner Zeit voraus. Ich tröste mich damit, dass es besser ist, der Zeit voraus zu sein als hinterher.
Herr Goetzberger, Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen an Prof. Goetzberger stellte Jörg Sutter.