08.05.2020
Netzausbau und Regulierung – der Jahresbericht der BNetzA
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) ist den meisten PV-Betreibern nur aufgrund der bürokratischen Anforderungen für die Registrierung ihrer Anlagen bekannt. Und vielleicht noch aus verschiedenen Diskussionen bezüglich des Stromnetzausbaus in Deutschland. Doch die BNetzA macht mehr, ihre Aktivitäten haben Bedeutung, vor allem für die Umsetzung der Energiewende. Daher lohnt ein Blick in den Ende April erschienenen Jahresbericht der Behörde.
Schon der Titel „Jahresbericht 2019 – Netze für die digitale Welt“ zeigt, welchen Schwerpunkt die BNetzA auch im vergangenen Jahr hatte: Sie beschäftigt sich nicht nur mit den Energienetzen, sondern wurde ursprünglich 1998 als Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post eingerichtet. Später kamen dann Regulierungsaufgaben im Bereich Energie und Eisenbahn hinzu, weswegen die Behörde heute den sperrigen Namen „Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen“ trägt. Sie kümmert sich heute um Versteigerungen von Mobilfunk-Lizenzen, einen fairen Marktzugang z.B. für Flixtrain im Bahnsegment und um den Ausbau der Strom- und Gasnetze in Deutschland.
Das Jahr 2019 stand unter dem Stern der Digitalisierung – und das in allen Bereichen. Doch Hauptaufgabe der Behörde ist die Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs, sie soll einen diskriminierungsfreien Netzzugang in den genannten Bereichen gewährleisten. An dieser Stelle überblättern wir die Berichte zu den Sparten Telekommunikation, Post und Eisenbahn. Wer sich für Werbeanrufe, Abofallen oder die Lizenzversteigerungen im Mobilfunk interessiert, möge selbst den umfangreichen Bericht lesen.
Im Zentrum: Der Netzausbau
Wenden wir uns der Energie zu. Hier steht – wie auch im Bereich Telekommunikation – der Ausbau der Netze im Zentrum. Das Statement der BNetzA: „Damit Deutschland auch zukünftig über eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur verfügt, stellt die Bundesnetzagentur sicher, dass die Unternehmen in ihre Netze investieren können.“ Unumstritten ist schon diese Aussage nicht, gibt es doch viele Player gerade im Strombereich, die zellulare und dezentrale Versorgungsansätze verfolgen und einen derart großen Netzausbau daher für nicht erforderlich halten.
„Dabei machen wir große Fortschritte“, so die optimistische Aussage der BNetzA zum Stromnetzausbau. Das bedeutet in der Praxis aber: alle Vorhaben des Bundesbedarfsplangesetzes die dort als wichtig zur Umsetzung bewertet wurden haben derzeit, Stand 4. Quartal 2019, eine Leitungslänge von 5.830 km, dargestellt als Übersichtskarte, siehe Bild oben. Davon sind nur 372 km bereits umgesetzt. Der Vergleich zum Vorquartal zeigt: Im 4. Quartal 2019 wurden 11 (!) Kilometer neue Leitungen aufgebaut. Wir betrachten einmal 11 Kilometern in 3 Monaten als Geschwindigkeit und vergleichen: Die in unseren Gärten vorkommende Gefleckte Weinbergschnecke (Helix aspersa) schafft angeblich 0,003 km/h – und ist damit nur knapp langsamer als unser Leitungsausbau im Land. „Dabei machen wir große Fortschritte“. Für die Planung gilt das vielleicht, für das Aufstellen von Masten und die konkrete Verkabelung wohl nicht.
Überwachung des Marktes
2019 hat sich die BNetzA auch genau besondere Situationen angesehen, die im Strommarkt aufgetreten sind: Zum einen die Momente, in denen trotz niedrigster oder gar negativer Strompreise am Markt konventionelle Kraftwerke weiterbetrieben wurden. Eine Begründung dafür ist die technische Mindestleistung, eine weitere die parallele Wärmeerzeugung in manchen Kraftwerken, die dann bei gleichzeitig vorhandenem Wärmebedarf nicht heruntergefahren werden können.
Im vergangenen Jahr haben die Netzbetreiber in Zeiten negativer Strompreise auch EE-Anlagen abgeregelt, solchen Vorgängen geht die BNetzA ebenfalls nach. Hintergrund waren hier Engpässe bei Umspannwerken zwischen Verteil- und Übertragungsnetz, die jetzt von den Netzbetreibern beseitigt werden müssen.
Die BNetzA geht auch gegen Verantwortliche der Strombilanzkreise vor, die den dort definierten Auflagen nicht nachkommen. Im Juni 2019 wurde ein erhebliches Bilanzungleichgewicht festgestellt, daraufhin wurden sechs entsprechende Aufsichtsverfahren gegen Stromhändler gestartet. Zwei Verstöße wurden im April 2020 bejaht, ein Vorwurf wurde fallengelassen, weil sich der Anfangsverdacht nicht bestätigte. Drei Verfahren laufen noch weiter. Das Gleichgewicht der Bilanzkreise ist laut BNetzA ein wesentlicher Faktor für die Stabilität der Stromversorgung.
Wechsel des Versorgers wird realisiert
Die BNetzA beobachtet auch den Energiemarkt für Verbraucher und wertet die Angebote aus: So konnte der durchschnittliche deutsche Stromkunde im vorvergangenen Jahr zwischen 143 Stromanbietern auswählen, 4,7 Mio. Verbraucher haben den Versorger gewechselt. Fast 70 Prozent der Kunden lassen sich jedoch noch immer vom lokalen Grundversorger beliefern. Bei der Gasversorgung sieht es ähnlich aus: Eine Auswahl zwischen 104 Versorgern gibt es im Schnitt, 1,5 Mio. Kunden haben im Jahr 2018 gewechselt. Doch auch in diesem Bereich bleiben bisher fast 70 % der Kunden bei ihrem lokalen Grundversorger.
Stolz ist die BNetzA auch darauf, dass sie den Ausbau der Netze mit zahlreichen Informations- und Dialogveranstaltungen begleitet, um (Zitat aus dem Jahresbericht) „Bürgerinnen und Bürger so früh und umfassend wie möglich über den erforderlichen Ausbau des Stromnetzes, den Prozess des Netzausbaus und die damit einhergehenden Beteiligungsmöglichkeiten zu informieren“ (siehe auch DGS-News vom 01.05.).
Keine Erwähnung im Jahresbericht der BNetzA fand übrigens der Vorschlag des Prosumermodells, der in der PV- und Speicherbranche, aber nicht nur dort, mit Entsetzen aufgenommen wurde (siehe auch DGS-News vom 17.04, 24.04., 01.05. und heute). Gerade im Vergleich zur in Aussicht gestellten Stärkung der Prosumer auf europäischen Ebene durch die Erneuerbare-Energien-Richtlinie gehen die Vorschläge der BNetzA in die genau entgegengesetzte Richtung und würde der echten Eigenversorgung mit Solarstrom einen Riegel vorschieben und den Einsatz von lokalen Stromspeichern abwürgen. Mit dieser Thematik werden wir uns bei der DGS in den kommenden Wochen weiter intensiv beschäftigen müssen. Es bleibt unverständlich, warum die BNetzA als Regulierungsbehörde hier versucht, durch derartige Vorschläge die zukünftige Energiewende mit Bürgerenergie zu verhindern. Allein der Begriff Prosumer kommt im Jahresbericht nicht ein einziges Mal vor. Schade.
Jörg Sutter