08.05.2020
Die Landwirtschaft in der Klimakrise, Teil 1: Ursachen und Probleme
Auch dieses Jahr scheint es mal wieder ein richtig schöner, warmer Sommer zu werden – nicht unwichtig angesichts der Tatsache, dass wir ihn wegen Corona wohl überwiegend zuhause verbringen müssen. Doch was den Normalbürger freut, treibt den Landwirten die Falten wie Wellen auf die Stirn. Denn es wäre dann der dritte zu trockene Sommer in Folge, wobei sich in vielen Regionen die Grundwasserspiegel noch nicht einmal vom ersten, dem 2018er, erholt haben. Hohe Ernteausfälle in Form vertrocknender Feldfrüchte, Futtermangel in der Viehwirtschaft und Beeinträchtigungen durch Feld- und Wald-Brände wären die Folgen eines weiteren Dürresommers – wie schon in den Sommern zuvor. Doch dies sind nicht die einzigen Auswirkungen der immer deutlicher werdenden Klimakrise auf die Landwirtschaft: zugewanderte, hier neue Schädlinge werden zu weiteren Ertragsverlusten führen und einheimische Schädlingspopulationen werden die wärmeren Winter zunehmend unbeschadet überstehen – immerhin war das Jahr 2019 für Europa das bisher wärmste.
Das stete Vorrücken des Zeitpunkts der Obstbaumblüte im Jahreslauf macht die Obst-Bäume und -Sträucher empfindlicher gegen Spätfröste; die Zunahme der Wetterextreme kann zu Starkregen führen, der Feldkulturen unter Wasser setzt bzw. wertvolle Humusböden fortschwemmt, oder die Hagelereignisse nehmen weiter zu – schon jetzt müssen Obstbauern empfindliche Früchte wie etwa Kirschen mit wiederum CO2-lastigen Hagelschutznetzen sichern. Die Landwirtschaft steht in der Klimakrise vor einer wachsenden und sich zum Teil selbst verstärkenden Lawine von Problemen.
Doch die Landwirte sind nicht nur Opfer der Klimakrise, sie sind zugleich deren Beschleuniger. Denn zwischen 7% und 11% – da scheint die Bundesregierung ein wenig den Überblick verloren zu haben – der deutschen Treibhausgasemissionen (THG) gehen auf das Konto der Landwirtschaft, und dabei sind die Biogase inkl. Schlupf, die Kraftstoffe und die Brennstoffe nicht einmal hier eingepreist, sondern dem Energiesektor zugeordnet. Es sind vor allem drei Treibhausgase, die dieser Bereich in die Atmosphäre entlässt: Kohlendioxid, Methan und Lachgas.
- Kohlenstoffdioxid (CO2) aus Trockenlegung von Feucht und Moor-Gebieten, Umpflügen von Grünland, Harnstoff-Düngung und Boden-Kalkung
- Methan (CH4), ein >30 mal so effektives THG wie CO2, hauptsächlich aus Kuhmägen, Tierexkrementen, aber auch aus Biogasanlagen
- Lachgas (N2O), ein 300 mal so effektives THG wie CO2, entsteht hauptsächlich aus den Stickstoff-Verbindungen von Kunstdünger
Dazu kommen die ganzen indirekten Klimawirkungen wie etwa die Sojaimporte als Futtermittel, für die brasilianischer Regenwald gerodet wurde. Oder die durch die Dünger zunehmende Nitratlast des Grundwassers, was zu einem erheblichen technisch-energetischen Aufwand führt, um daraus sauberes Trinkwasser zu gewinnen.
Landwirte sind hinsichtlich der Klimakrise also Täter und Opfer zugleich. Dass sich daran in den letzten Jahrzehnten so wenig geändert hat, liegt nicht etwa nur an den „dummen Bauern“, sondern auch an der Politik, die nichts ändern will und den Status Quo bestätigt, um keine Stimmen bei der eher konservativen Landbevölkerung zu verlieren. Eher nimmt man sehenden Auges in Kauf, dass die Zahl der Landwirte immer kleiner wird, während zugleich die Betriebsgrößen weiter zunehmen. Ja mehr noch: die Politik fördert diesen Trend, z.B. durch die Flächenprämien der EU, die selbstverständlich große Höfe bevorteilen und ihnen damit eine bessere Wettbewerbsposition gegenüber den kleinen Höfen verschaffen. Bauernlegen nannte man das früher; heute gehört es zur „normalen“ Agrarpolitik, zumal die kleinen Bauern (= Wähler), die ihre Höfe aufgeben müssen, die Schuld dafür eher bei sich als bei der Politik und deren Vertretern suchen. Letztere könnten selbstverständlich die Situation ändern, indem man die Flächenprämien auf Hofprämien umstellte, die in gleicher Höhe jedem Hofbesitzer unabhängig von der bewirtschafteten Fläche ausgezahlt würden. Doch das ist politisch offensichtlich nicht gewollt.
Ein weiteres Problem für notwendige Änderungen in der Landwirtschaft sind die großen Handelskonzerne mit ihrer Marktmacht und ihren Dumpingpreisen z.B. für Milch, die ein kostendeckendes Wirtschaften der Bauern verhindern. Und hinter den Handelskonzernen steht wiederum der brave Deutsche Michel mit seiner Billig-Billig-Mentalität bei Nahrungsmitteln. Natürlich könnte auch hier die Regierung die Landwirte schützen, etwa indem man Gesetze gegen Dumping-Einkäufe bzw -Verkäufe erlässt. Schließlich verhindert ein Mindestlohn die (Selbst-)Ausbeutung der Arbeitskraft, und ein Wucherparagraph verhindert, dass Banker nach einer Nacht im Bordell morgens überrascht feststellen müssen, dass 6.000 Euro für eine Flasche Champagner doch etwas viel sind. Die Politik müsste die Dumpingpreise stoppen – wollen!
Auch wenn sich mittlerweile immer mehr Widerstand in Form der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (AbL) oder der Campagne „Wir haben es satt!“ gegen die zunehmend industrialisierte Landwirtschaft gibt, so schreitet diese Entwicklung aus den o.a. Gründen ungehindert voran. Das bedeutet aber, insbesondere unter klimarelevanten Aspekten:
- Weiteres Größenwachstum der Höfe mit immer längeren Anfahrten zu den Bearbeitungsflächen.
- Größere, mehr Energie verbrauchende Landmaschinen, die auch schwerer sind und durch die Bodenverdichtung die Regenversickerung behindern.
- Große Landmaschinen brauchen größere Felder, möglichst ohne störende Bauminseln und zu nahe stehende Hecken, was wiederum die Austrocknung der Böden befördert. Usw., usw.
Nun ist die Landwirtschaft als Basis unserer Ernährung einerseits systemrelevant und nicht einfach in andere Erdteile zu verlagern; gerade die Corona-Krise hat noch mal die Bedeutung kurzer Lieferketten und regionaler Produzenten gezeigt. Andererseits ist die Landwirtschaft auch klimarelevant, so dass man über ihre Auswirkungen nicht einfach hinweg und zur Tagesordnung übergehen kann.
Was muss also geändert werden, um unsere Landwirtschaft klimafreundlich und nachhaltig zu machen, damit die hiesige Nahrungsmittelproduktion zukunftsfähig wird? Die entsprechenden Ansätze und Pfade klären wir in der nächsten Ausgabe der DGS-News.
Götz Warnke
Teil II: Die Landwirtschaft in der Klimakrise: Aufgabe und Lösungen