08.05.2020
AfD verdammt Erneuerbare, Bürgerenergie und E-Mobile
Eine Abrechnung von Heinz Wraneschitz.
„Rückwärts immer – vorwärts nimmer!“ So sieht aus meiner Sicht die Zielrichtung der Energie- und Umweltpolitik der selbst ernannten „Alternative für Deutschland“ aus. Erst am Donnerstag lieferte Gerd Mannes, Landtagsabgeordneter der bayerischen „AfD“ einen – wenn auch sprachlich kaum verständlichen – Beweis dafür. Im Live-Video (das leider nicht archiviert wird), konnte jede und jeder mit ansehen und -hören, wie der Maschinenbau-Ingenieur (TU) und Vize-Landesvorsitzende der „AfD“ mehr brabbelnd als redend längst widerlegte Kritikpunkte am Ressourcenverbrauch von Lithium-Ionen-Akkus wiederholte und natürlich ausschließlich auf Elektroautos reduzierte.
Um dann laut Antrag nicht weniger als „Rückabwicklung der Klimaschutzpolitik: jetzt“ zu fordern. Begründung: „Sicherung der Wertschöpfung in Bayern“. Denn genau so ist das Papier überschrieben, über das der Landtagsausschuss beraten musste. Zitat: „Die Staatsregierung wird aufgefordert, von der Einbringung eines Entwurfes des Klimaschutzgesetzes abzusehen, dieses für obsolet zu erklären, vom Kurs des wirtschafts-feindlichen Klimaschutzes abzukehren.“ Denn: „Eine klimaneutrale Transformation der gesamten Wirtschaft ist technisch nicht möglich und die Maßnahmen, die hierzu auf allen Ebenen eingeleitet wurden, bestrafen die heimische Wirtschaft massiv.“ Genau so lautet im Antrag der „AfD“ die Begründung für die „unabdingbare Forderung zur Rückabwicklung der Klimaschutzpolitik“.
Dabei wird diese Klimapolitik, die ja ohnehin kaum mehr wahrnehmbar ist, einerseits maßgeblich von Bund und EU verantwortet. Andererseits soll sie aber die Menschen in Bayern, Deutschland, der Welt genauso schützen wie die Natur. Das ist dem Chef der „AfD“ von Schwaben entweder nicht bekannt. So wie eine Grandin der selbsternannten „Alternative“ die Sonne verantwortlich macht für die begonnene Klimakatastrophe. Was im Übrigen der ARD-Faktenfinder – klar, im „AfD“-Jargon „Lügenpresse“ – nachhaltig widerlegt hat.
Oder, und das ist viel wahrscheinlicher: Die normalen Menschen, die AfDen in die Parlamente wählen, sind den Gewählten schlichtweg egal. Wie die Vergangenheit wirklich war, das vergessen die ohnehin einfach. Und so nennen sie die Zeit der Naziherrschaft, die millionenfachen qualvollen Tod von Menschen durch Krieg und in Konzentrationslagern verursacht hat, schon mal einen „Fliegenschiss der Geschichte“. Dass die AfDen E-Autos verdammen, ist im Übrigen nichts Neues. Bei den jüngeren Bundes- und Landtagswahlen hingen überall Plakate in nicht herabreißbarer Höhe mit dem sinnentleerten Spruch „I love Diesel“. Wie gesagt: Auf Bundesebene zu fordern, es soll weiter gestinkert und gerußt werden dürfen, ist ja wenigstens noch zuständigkeitshalber verständlich. Landtage dagegen haben darüber nichts zu entscheiden.
Aber noch weniger sind es die Landkreise und Städte, die Gesetze „pro Diesel“ oder „anti Emobil“ erlassen können. Trotzdem hing selbiges „I love Diesel“-Altpapier auch im März 2020 hoch an vielen Laternen von Bayerns Kommunen. (Un-)passend dazu hatten zum Beispiel im Landkreis Fürth gleich zwei der ersten vier Kreistagskandidaten der „AfD“ die dort gar nicht zur Debatte stehenden „Dieselfahrverbote“ ausgesucht, gegen die sie sich im Kreistag einsetzen wollen.
Die Nummer 2 auf dieser Liste, ein „Jurist i.R.“ forderte neben „Freie Fahrt für freie Bürger“ gleich noch: „Kulturlandschaften nicht mit Windrädern verspargeln.“ Zugegeben: Hier darf der Landkreis mitreden, weil er Baugenehmigungen erlässt oder verweigert. Aber wenn die AfDen wie in besagter Landtagsdebatte „heimische Wertschöpfung“ ständig in den Vordergrund schieben – warum ausgerechnet bei Windrädern nicht? Die werden weiterhin sehr oft von regionalen Bürgergenossenschaften finanziert, das Geld aus der Stromerzeugung fließt gerade in heimische Läden.
Und die Kulturlandschaft ist entstanden; sie verändert sich stetig, weil sie – Kultur kommt von kultivieren – sich immer weiter wandeln muss. Und diese Wandlung geschah ausgerechnet in jenen „über 1000 Jahren deutscher Geschichte“, in denen das heutige Deutschland nach Meinung ebenfalls hochrangiger „Alternativer“ bereits existieren soll. Ersteres scheint außerhalb des Vorstellungsvermögens solcher – immerhin großteils studierter - Leute. Und Zweiteres könnte ein Blick in ein Geschichtsbuch klären. Aber da hilft keines über das „Tausendjährige Reich“: das existierte bekanntlich gerade mal 12 Jahre. Gottseidank.
Dieseln wollen die AfDen natürlich nicht nur in Bayern, sondern auch in anderen Bundesländern. Beispiel: das „Ländle“. Dort nennt die Landtagsfraktion dies „tatsächlich bürgernahe und fortschrittliche Wirtschafts- und Umweltpolitik“. Und „Emissionsfreie Stromerzeugung bedeutet: weiter explodierende Stromkosten. Und natürlich eine sinkende Versorgungssicherheit.“ So steht es in einer aktuellen AfDen-Broschüre gegen den „Grünen Deal der EU“, überschrieben mit „grüner Wahnsinn“.
Aber wahrscheinlich sind die meinungsbildenden Leute in dieser „Alternative“ schlichtweg gespaltene Persönlichkeiten. So findet sich im Grundsatzprogramm auf Seite 170 mit „Unkontrollierten Ausbau der Windenergie stoppen“ eine Forderung, die ohnehin schon seit Jahrzehnten erfüllt ist. Dank Raumordnung und Bauleitplanung. Doch direkt daneben steht: „Den weiteren Ausbau der Windenergie in Deutschland lehnen wir ab.“ Ja was denn nun?
Dazu fällt mir eigentlich nur Erich Honecker ein: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ Aber auch wenn der seine „in der Gründerzeit der DDR geprägte Losung noch in der „Festansprache zum 40. Jahrestag der DDR“ am 7. Oktober 1989“ wiederholte: Kurz danach war es mit der DDR aus und vorbei.
Vielleicht findet man ja bald auch die durch mich für die „Alternative“ angepasste Losung „Rückwärts immer – vorwärts nimmer“ auf dem Müllhaufen jener „teutschen Geschichte“ wieder: Dort liegen ja schon einige extrem rechte Parteien. Doch leider ist die nächste Extremität schon auferstanden aus Corona-Ruinen: „Widerstand2020“ nennt sich die.
Die Bundesgeschäftsstelle des „Widerstand“ ist in Hannover im gleichen Bürogebäude eingemietet wie die Landesorganisation der so genannten „Alternative für Deutschland“. Wenn ich jetzt frage: „Ist das Zufall?“ – wird mir das als Verschwörungstheorie ausgelegt?