08.02.2019
Eon auf dem Weg zum Big-Data-Monopol – Steigbügelhalter ist die Bundesregierung
Der Ökostromanbieter LichtBlick fordert in einer Stellungnahme vom 2. Februar 2019 von den Kartellbehörden, den „Megadeal zwischen RWE und Eon zur Neuordnung des Energiemarktes“ zu stoppen. "Die Pläne der beiden Energieriesen zielen auf ein Ende des wettbewerblichen Strommarktes in Deutschland. Leidtragende sind die Stromkunden, die mit höheren Energiepreisen rechnen müssen", so Gero Lücking, Geschäftsführer Energiewirtschaft bei LichtBlick. Der Ökostromanbieter fordert auch die EU-Kommission auf, den Deal zu untersagen. Nach der Übernahme der Kunden und der Netze von der RWE-Tochter Innogy wird die neue Eon auf zwei Drittel der Fläche Deutschlands zum größten Stromanbieter. In diesen Regionen liegt ihr Marktanteil dann bei über 70 Prozent. Zudem kontrolliert Eon in der Regel hier auch die Stromnetze. Dies gehe aus einer Analyse der Beratungsgesellschaft LBD im Auftrag von LichtBlick hervor. Die rechtliche Bewertung wurde von der auf Wettbewerbsrecht spezialisierten Kanzlei Raue LLP verfasst.
Bereits seit Mitte 2017 hatte die DGS in ihrer Zeitschrift SONNENENERGIE und in ihren News analysiert, dass der „Energiewende“-Kurs der Bundesregierung zu einer Remonopolisierung und Zentralisierung des Stromsystems führen und den Energieriesen Eon und RWE eine neue Machtposition ermöglichen werde. Zum einen lenken die Gesetze der Koalition, vom Digitalisierungsgesetz, über das Energiesammelgesetz bis hin zum Netzausbaubeschleunigungsgesetz und dem Marktstammdatenregister planmäßig in diese Richtung. Zum anderen sei die „kalte Übernahme“ von RWE durch die stärkere Eon strategisch mit der Gesetzgebung abgestimmt.
Während, so der Deal, RWE auf die Stromerzeugung konzentriert bzw. reduziert werden soll, baut Eon mit der Übernahme von Innogy die renditestarken Geschäftsfelder Grundversorgung und Netzbetrieb aus. Die DGS hatte ihre Einschätzung damals so formuliert, dass die neue Eon technisch den Fluktuaktionsausgleich in den Netzen zentralisieren und über die Kundenbeherrschung wirtschaftlich die Kontrolle über den Strommarkt erlangen wolle. Eon verfüge inzwischen inklusive aller strategischen Beteiligungen über mehr als 160 Strom-Marken und 840 Strom-Tarife, enthüllt jetzt LichtBlick. Mit den sicheren Gewinnen aus diesen Sparten könne der Konzern auch zukünftig in wettbewerblichen Märkten aggressiv auftreten.
Denn die Endkundenmärkte in Deutschland sind in lokale Märkte aufgeteilt. Die Verbraucher können nur Tarife wählen, die in ihrem Postleitzahlen- bzw. Netz- und Grundversorgungsgebiet angeboten werden. So unterscheiden sich mitunter die Preise des gleichen Stromtarifes schon in benachbarten Postleitzahlen-Gebieten erheblich. „Der Wettbewerb um die Strom- und Gaskunden findet auf lokaler Ebene statt. Und in einem Großteil der lokalen Strommärkte nimmt die neue Eon eine marktbeherrschende Stellung ein", so Lücking. Was in Bezug auf die Bürgerenergie, so schon 2017 die Kritik der DGS, dazu führen werde, dass sie höchstens noch die Rolle des Zulieferers spielen dürfte. Oder anders ausgedrückt, es werde ein Herr-Knecht-Verhältnis etabliert.
Der Markteinfluss der neuen Eon zeige sich am Beispiel der einschlägigen Online-Marktplätze wie Verivox und Check24, erläutert LichtBlick. Jedes Unternehmen darf auf Verivox und Check24 nur 1 bis 2 Tarife unter einer Marke anbieten. Im Vorteil ist, wer viele Marken in seinem Portfolio hat. Rund 60 Prozent der Stromwechsler träfen ihre Wahl über diese Marktplätze. Nach Eingabe ihrer Postleitzahl erhalten sie lokale Tarifangebote. Dabei entscheiden sich die Wechsler fast immer für einen der auf den vorderen Plätzen gelisteten Tarife. "Aufgrund der Marken- und Tarifvielfalt sowie gefüllter Kassen kann die neue Eon die Klaviatur der Online-Portale in den lokalen Märkten geschickt spielen. Viele Kunden wechseln zu einer anderen Marke, ohne zu merken, dass sie die Eon-Welt gar nicht verlassen haben, so Lücking weiter. Im Rahmen der rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen erobere sich Eon planmäßig ein Big-Data-Monopol.
Durch den Deal kontrolliert der Konzern über 20 Millionen Stromzähler. Diese müssen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben durch Smart Meter ausgetauscht werden, auch wenn momentan der Vollzug noch klemmt. Aber klar ist schon heute, dass Eon aufgrund der Masse der betriebenen Smart Meter die damit verbundenen Messdienstleistungen etwa 50 Prozent günstiger anbieten kann als die mittelständischen Wettbewerber. Und diese vom Smart-Meter-Markt verdrängen. Dies geht u.a. auch aus der LBD-Analyse hervor. Mit dem Zugriff auf etwa 16 Millionen Kunden, rund 20 Millionen künftig intelligenter Zähler und einen Großteil der Stromnetze werde Eon zum führenden Datenkonzern in der Energiewirtschaft, meint LichtBlick.
"Die Kundendaten sind das künftige Gold der Energiebranche“, urteilt Lücking. Daraus werden völlig neue Geschäftsfelder entstehen. Für diesen Zukunftsmarkt verschafft sich Eon mit Hilfe der Bundesregierung eine glänzende Ausgangsposition, währenddessen in der Energiewendebewegung darüber diskutiert wird, dass die Zukunft der Erneuerbaren in den Netzen liege. Und viele Solar-Protagonisten in Jubelschreie ausbrechen, wenn wieder einige Prozente mehr Ökostrom durch die Netze geflossen sind. Knallharte Strategien, wie die Beispiele von Amazon im Online-Handel oder von Google bei der Internetsuche bzw. der Internetwerbung, werden ignoriert oder aus Konfliktscheue verdrängt. Dabei sind sie der tagtägliche Beweis, wie sich datenbasierte Plattformgeschäfte zum Monopol entwickeln. Dieser Prozess läuft längst auch im Energiemarkt, selbst wenn viele Sonnenfreunde noch immer wegschauen.
Klaus Oberzig
Weitere Informationen von LichtBlick
Hintergrund LichtBlick zum Eon-RWE Deal
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