08.02.2019
Emobility - mehr als ein alternativer Antrieb
Das 20. und frühe 21. Jahrhundert hat einiges an Motorkonzepten und Treibstoffen gesehen: Motoren für Benzin, Diesel, Pflanzenöl, Schweröl, Alkohol und Wasserstoff, Holzvergaser- und Kohlenstaubmotoren, Einspritzer- und Vergaser-Techniken, Reihen-, Boxer- und V-Motoren, Gastrubinen und Düsen etc.
Nun also der E-Motor! Nur ein weiterer Motor, eine weitere Antriebstechnik von vielen, eine Alternative für die, die alternativ sein wollen? Nein, der E-Motor, die E-Mobilität kann eine disruptive Technik sein, welche die anderen Motorkonzepte früher oder später zum Verschwinden bringt. Dies gilt besonders dann, wenn man E-Mobilität mit Solarstrom kombiniert. Dann nämlich ist Emobility auf allen Gebieten besonders erfolgreich …
… zu Lande
Der „eDumper“, ein schwerer Muldenkipper der Schweizer eMining AG, ist das erste E-Plus-Fahrzeug der Welt. Möglich ist das, weil er im französischen Kalk- und Mergel-Abbaugebiet La Tscharner die Steine aus den höher gelegenen Steinbrüchen zur tiefer gelegenen Verarbeitungsanlage transportiert. Da der beladene Kipper bergab erheblich schwerer ist als bei der leeren Rückfahrt bergauf, kann er auf dem Weg ins Tal per Rekuperation erhebliche Energiemengen gewinnen und in seinen Akkus speichern – bei 20 Fahrten täglich rund 200 kWh. Diese können in den Arbeitspausen ins öffentliche Netz eingespeist werden. Sicher, ohne die entsprechende Geographie wäre das E-Plus-Fahrzeug nicht möglich – aber ohne E-Motor und Akku auch nicht!
Weiteres Beispiel: bei der World Solar Challenge, einem Straßenrennen für Solarfahrzeuge quer durch Australien, dürfen die Fahrzeuge ihre Energie nur aus ihren PV-Panelen und der Rekuperation beziehen. Kein Wechsel-Akku, keine Steckdose, kein Windgenerator – nichts. Und dennoch schaffen selbst die mehrsitzigen Fahrzeuge der Cruiser-Klasse die über 3.000 km lange Strecke ohne Probleme. Emobility plus PV macht‘s möglich!
… zu Wasser
„E-Motion Rudder Drive“ heißt das Steuerungs-System, bei dem E-Motor und Schiffspropeller mittels eines tropfenförmigen Gehäuses direkt in das Ruderblatt integriert sind. Das erlaubt, den Schub direkt in der gewünschten Richtung einzusetzen und gibt dem Schiff eine überraschende Wendigkeit: Slalomfahrten zwischen Duckdalben oder ein Drehen auf der Stelle sind damit möglich – ganz ohne die bei Seglern unbeliebten Bugstrahlruder. Versorgt wird der kleine Antrieb von bis zu vier Lithium-Ionen-Akkus im Rumpf, die bei 4,5 Knoten Marschgeschwindigkeit eine Reichweite bis zu 30 Seemeilen ermöglichen. Aufbrüllende Dieselmotoren und Abgas-Gestank bei Manövern in engen Hafenbecken gehören der Vergangenheit an. Das E-Propeller-Ruder zeigt einmal mehr, welche überraschend neuen Möglichkeiten die E-Mobilität bietet.
Auch die PV hat auf dem Wasser ihren Auftritt, und das nicht nur bei den immer beliebter werdenden internationalen Solarbootrennen, wo die Piloten ihre Einsitzer mit bis zu 16 Knoten über den Parcours jagen – in den Niederlanden fast ein Volkssport. Doch die Solarboote wagen sich mittlerweile aus den geschützten Revieren der holländischen Kanäle und österreichischen Seen hervor und werden als Schiffe „erwachsen“: als Solar-Autofähre zwischen dem deutschen Moselort Oberbillig mit dem gegenüber liegenden Luxemburger Ort Wasserbillig, oder als seegängige 17-Meter-Solar-Yacht. Für Yachtsportler bedeutet das: mehr Ruhe und Natur ohne wummernden Motor, weniger hässliche Ölflecken in schönen Badebuchten, und ein frisches Bier aus dem Kühlschrank auch ohne Stromanschluss am Steg.
… und in der Luft
Die neuen Senkrechtstarter kommen: Hubschrauber und Flugzeuge mit einer Vielzahl von kleinen E-Motoren machen punktgenaue Landungen möglich und sicher. Denn die Vielzahl der Antriebseinheiten kann den Ausfall einiger Komponenten verkraften und ausgleichen. Zugleich lassen sich die E-Motoren einzeln, abgestimmt und sekundengenau steuern – bei einer Vielzahl von Verbrennungsmotoren kaum möglich. Da hat es sich in der Vergangenheit schon als schwierig erwiesen, zwei fossil betriebene Standard-Flugmotoren zusammen oder abwechselnd auf eine gemeinsame Propeller-Welle zu schalten, ohne dass es zu schweren Unfällen kam (He 177/ „Reichsfeuerzeug“). Die kleineren, einfacheren, leichteren und billigeren E-Motoren haben solche Probleme nicht.
Flugzeuge, die praktisch unbegrenzt lange in der Luft bleiben können – das ist einer der alten Träume der Fliegerei. Jetzt ist er durch Solardrohnen wie die britische Phasa 35 oder die deutsche Zephyr Wirklichkeit geworden. Bis zu einem Jahr sollen diese Drohnen ununterbrochen in der Luft bleiben können. Ihre Aufgaben: Eisberge, Waldbrände und Umweltsünder auf See zu überwachen, die Telekommunikation in Katastrophengebieten sicher zu stellen etc. Und das möglichst sehr viel kostengünstiger als die Satelliten, die sonst die Aufgaben übernehmen müssten.
Fazit
Der E-Motor ist keine reine technische Fortschreibung des Verbrennungsmotors in „anderem Gewande“. Er eröffnet neue Anwendungs- und Nutzungsmöglichkeiten – zum Teil auch solche, die wir heute noch gar nicht kennen. Die Möglichkeiten steigen mit der technischen Weiterentwicklung seiner „Energiequellen“: der Rekuperation, der PV und nicht zuletzt auch des Akkus.
Götz Warnke