07.02.2020
Erneuerbare selbstbewusst
Es ist das größte Event der Erneuerbaren-Energien-Branche zu Jahresbeginn: Der Neujahrsempfang des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) in Berlin. Peter Altmaier und Annalena Baerbock sprachen dort Tacheles. Deutlich wurde: Die Erneuerbaren Energien haben ein neues Selbstbewusstsein.
Die Veranstaltung wurde in den vergangenen Jahren immer größer: Für den Termin in der vergangenen Woche waren rund 1.400 Teilnehmer angemeldet. Auch die DGS war wieder mit dabei. Allein schon die Logistik und der Ort waren erstaunlich: Im Berliner Maritim-Hotel nahe der Friedrichstrasse fand die Veranstaltung wie in den vergangenen Jahren statt, dort wurden wieder bei laufendem Hotelbetrieb in Lobby und verschiedenen Räumen Präsentationsmöglichkeiten, Buffets und Registrierung der Gäste aufgebaut. Den Hauptvorträgen können über 1.000 Zuhörer in einem großen Saal lauschen. Anschließend konnte bei Essen, Bier oder Wein und Musik noch bis tief in die Nacht gefeiert, diskutiert und genetzwerkt werden.
Nach der Begrüßung der BEE-Geschäftsführungs-Doppelspitze wies die Präsidentin des BEE, Dr. Simone Peter darauf hin, dass in diesem Jahr der 20. Geburtstag des EEG gefeiert wird, dem „Erfolgsinstrument des Stromsektors für die Erneuerbaren Energien“, wie sie betonte. Sie freute sich auch, das mit Hans-Josef Fell einer der Gründerväter des EEG der Veranstaltung beiwohnte. Mit Blick auf das damalige EEG-Ziel, 20 Prozent erneuerbaren Strom bis 2020 zu erreichen, meinte sie: „damals hielten das noch einige für unrealistisch – aktuell haben wir das verdoppelt“. Und sie sprach die Anwesenden an: „das ist vor allem Ihnen hier im Raum zu verdanken, vielen Dank dass Sie so viel geleistet haben in den letzten Jahren“.
„Die Zukunft ist erneuerbar, und zwar zu 100 Prozent“ postulierte Dr. Peter und betonte, dass neben den fossilen Energien und der Atomkraft auch der Ausstieg aus Erdgas perspektivisch ein Thema sein wird. Forschung und Technologie haben dazu geführt, das heute ein breiter Technologiemix zur Verfügung steht. Mit Blick auf die Politik und die angekündigten Kürzungen bei der Energieforschung mahnte sie an, dass die Anstrengungen gerade im Forschungsbereich nicht verringert werden dürfen, um Zukunftstechnologien wie Speicher und Power-to-X voranzubringen. Es sei unvernünftig und kurzsichtig die Forschungsmittel für Energieforschung im Land zu reduzieren und zu streichen.
Und sie kritisierte auch die Art des Kohleausstiegs: “Die Entschädigungen, die für die Kraftwerkebetreiber gezahlt werden, sind maßlos“. Als Saarländerin sprach sich Peter für Strukturhilfen aus, „aber nicht Klimaziele, Innovation und Glaubwürdigkeit dabei über Bord werfen“, so ihr Appell. Sie wünsche sich ein klares Bekenntnis der Politik zum ambitionierten Kohleausstieg, um auch mit einer starken Industrie Themen wie die Sektorenkopplung anzupacken. Sie forderte wieder einen Fahrplan der Politik, wie der Ausbau der Erneuerbaren bis 2030 und darüber hinaus umgesetzt werden soll. Verbindlich soll dieser sein, ohne Deckel und Bremsen und mit realistischen Annahmen zum zukünftig steigenden Stromverbrauch. Und, so Frau Peter, auch der große Bedarf der Industrie muss berücksichtigt werden, um nicht in eine Ökostromlücke zu geraten und um Investitions- und Planungssicherheit für die Branche der Erneuerbaren zu erreichen. 5.000 MW Wind und 10.000 MW als Jahreszubau sind dabei die Vorstellungen des BEE.
Bundeswirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier erinnerte zu Beginn seiner Rede an die Zeit, als er bei der jungen Union im Saarland aktiv war und der Vater von Simone Peter Rallyes für Solarautos veranstaltete „in denen Menschen saßen und die ins Ziel kamen“. Oftmals unterschiedlicher Meinung betonte er die gemeinsame Überzeugung, dass es zum Gelingen der Energiewende keine Alternative gibt. Altmaier skizzierte den weltweiten Wunsch nach sozialer marktwirtschaftlicher Entwicklung und einem Wohlstandsniveau nach europäischem und amerikanischem Vorbild auch in den derzeitigen Entwicklungsländern und betonte, „das wird nur gelingen, wenn wir unsere Lebensweise grundlegend nachhaltig organisieren“. Er verwies auch auf seine Überzeugung, dass in Deutschland die Atomenergie weder politisch noch gesellschaftlich auf Akzeptanz stößt und daher der Atomausstieg nicht wieder aufgeschnürt werden soll. Zu den vergangenen Diskussionen mit der Erneuerbaren-Branche bemerkte Altmaier: „Es war ehrlich gesagt nie ganz einfach. Politik ist nicht einfach, weil es um unterschiedliche Interessen geht“. Die Energiewende müsse sich über einen langen Zeitraum stetig entwickeln – doch zu seinem Zitat „vorwärts immer, rückwärts nimmer“ bekam Altmaier nur ein Raunen der Zuhörer im Saal. Es müsse auch im Auge behalten werden, dass Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit erhalten bleiben. „Ich kämpfe in dieser Koalition darum, die Einnahmen aus dem neuen Emissionshandel dafür zu verwenden, um die EEG-Umlage um bis zu 2 Mrd. Euro zu senken“. Nach einem Rundumschlag über die erreichten Gesetzesvorhaben der aktuellen Regierung kam er hinsichtlich dem EEG auf den Punkt: „Wir werden hoffentlich in den nächsten Wochen – und ich wünsche mir eher Tage als Wochen – dafür sorgen, dass die Teile des Koalitionskompromisses zur Aufhebung des 52-GW-Deckels und den Abstandsfragen der Windkraft beschlossen und in einem Gesetzgebungsverfahren mit besonderer Eile verabschiedet werden“ versprach er. Er verwies auf die Erfolge der Kostendegression bei der PV, die dafür sorge, dass die Energiewende volkswirtschaftlich und politisch auf Dauer vertretbar bleibt.
Annalena Baerbock, Parteivorsitzende der Grünen, hielt in ihren Ausführungen teils heftig dagegen: Wichtig sei in der Politik, dass man auch den Mut habe, einmal etwas gegen Widerstände durchzusetzen. Sie betonte, dass 20 Jahre EEG auch heißt, dass 100 Staaten und Regionen auf der Welt dieses Gesetz übernommen haben. Sie forderte mehr Mut für weiteres Vorangehen und mehr Mut, auch eine mögliche Fehlentscheidung zu korrigieren, statt schon zu Beginn vor Angst nichts zu unternehmen. „Diesen Weg des Mutes und des Ausbaus müssen wir weitergehen“, so Baerbock. Zum Kohleausstieg begrüßte sie, dass der Einstieg in den Ausstieg nun in ein Gesetz gegossen ist. Sie verwies auf den Mehrwert, den die Kompromissfindung in der Kohlekommission gebracht hat und kritisierte, dass die Regierung sich nun von der 1:1-Umsetzung weit verabschiedet und den Kompromiss damit einseitig aufgekündigt hat. Wichtig für die Grünen ist auch, dass der weitere Ausbau der Erneuerbaren nun auch zeitgleich mit dem Kohleausstieg auf den Weg gebracht wird. Und Baerbock warnte vor weiterem politischen Vertrauensverlust, der im Bereich Windkraft nun viele weitere Arbeitsplätze vernichten könnte.
Durchaus als Highlight des Abends kann aber der letzte Redner gelten: Der bekannte Arzt, Kabarettist und Unterstützer von Scientist-for-Future, Dr. Eckart von Hirschhausen, hat in einem sehr humorvollen Beitrag die Notwendigkeit zum Umsteuern beschrieben, auch gerade aus seiner Sicht als Mediziner, der die Verminderung von CO2 und anderen Schadstoffen nicht nur als Klimaschutz, sondern auch als direkten Gesundheitsschutz versteht. Auch dieser Beitrag bewies: Die erneuerbaren Energien haben ein neues Selbstbewusstsein, das inzwischen auf einen breiten gesellschaftlichen Trend zu mehr Nachhaltigkeit trifft.
Jörg Sutter