06.09.2019
Abwärme vom Internet
IT und Internet haben einen Anteil von ca. drei Prozent am weltweiten Stromverbrauch. Dieser steigt ständig, vor allem durch die netzbasierten Videos und das Bitcoin-Mining. Doch ein erheblicher Teil dieses Stromverbrauches (ca. 20 bis 30%) [1] dient nicht etwa schneller Schaltungen, sondern der Kühlung vor allem in Rechenzentren, um die Überhitzung der Server zu vermeiden. Dabei werden große Mengen überschüssiger Wärme frei, die bisher in Form von Warmluft oder Warmwasser in der Umwelt entsorgt werden. Rund 13 Milliarden Kilowattstunden Strom werden allein in deutschen Rechenzentren jährlich verbraucht, was dem Strombedarf von Berlin entspricht [2]. Was liegt also näher, als diese Abfallwärme dort zu nutzen, wo man sie sinnvoll und für andere Energie sparend einsetzen kann: im heute noch weitaus überwiegend fossil versorgten Wärmesektor, also bei Heizung und Warmwasser. Zwar hat es schon in der Vergangenheit immer wieder interessante Ansätze dazu gegeben, wie vom Dresdner Startup Cloud & Heat Technologies GmbH, jetzt aber haben sich das Netzwerk energieeffiziente Rechenzentren (NeRZ) und eco-Verband der Internetwirtschaft des Themas systematisch angenommen und ein 21 seitiges Whitepaper „Abwärmenutzung im Rechenzentrum“ dazu erstellt [3].
Einleitend weist das Whitepaper darauf hin, dass 50 Prozent der Rechenzentrumsbetreiber erhebliche Einsparpotentiale durch die Weiternutzung des 18 bis 30° warmen Kühlabwassers sehen. Etwa ebenso viele betrachten die entstehenden Kosten und fehlende Abnehmer als entscheidendes Hindernis. Da Rechenzentren das ganze Jahr über Abwärme produzieren, verweisen die Autoren darauf, dass besonders Abnehmer interessant sind, die auch ganzjährig Wärme benötigen. Für die Abwärmenutzung gibt es dabei verschiedene Pfade.
In Netzen: Fern- und Nahwärmenetze sind potentielle Abnehmer, insbesondere auch für große Rechenzentren und Serverfarmen. Für diesen Bereich gibt es auch international einige Beispiele. So speisen Rechenzentren ins Stockholmer Fernwärmenetz ein. Die TU Darmstadt versorgt mit ihrem Zentrum verschiedene eigene Gebäude, und in Braunschweig wärmen die Rechner von VW Financial Services ein angrenzendes Wohn- und Gewerbegebiet. Auch bei der Uni Greifswald gibt es Nahwärmenetzpläne. Als Problem bleibt, dass häufig die Netze fehlen und dass Nah- und Fernwärmenetze schon längerfristig so ausgelegt sein müssen, dass der Anschluss eines Rechenzentrums möglich ist. Meist ist das jedoch nicht der Fall.
In der Nachbarschaft: Daher müssen sich die Betreiber der Rechenzentren nach Abnehmern in unmittelbarer Nähe wie Schwimmbäder, Wäschereien und Gewächshäusern umsehen. So versorgt in der Schweizer Gemeinde Uitikon ein Rechenzentrum das örtliche Schwimmbad mit Hilfe eines Wärmetauschers jährlich mit einer Abwärmemenge von ca. 2.800 Megawattstunden. Interessant sind nach Meinung der Autoren künftig auch Gewächshäuser, insbesondere solche stadtnahen mit Vertical Farming und Aquaponik.
Dieser Abschnitt bleibt, von der umfangreichen Besprechung des Vertical Farming einmal abgesehen, relativ blass und unvollständig. So wird die gesamte Lebensmittelindustrie ausgeklammert, obgleich dort ein erheblicher Bedarf an warmen Wasser besteht. Auch bei Autowaschanlagen besteht ein Warmwasserbedarf im entsprechenden Temperaturniveau. Ähnliches gilt auch für größere Einheiten der Gastronomie und des Hotelgewerbes.
Im eigenen Gebäude: Dies ist der zweifellos unkomplizierteste Fall einer Nahwärmeversorgung, wobei natürlich die Situation hineinspielt, ob das Gebäude dem Betreiber des Rechenzentrums gehört, und ob sich darin noch andere Mieter befinden. Insbesondere die Wärmeversorgung von Bürokomplexen bietet sich hier an. So liefern im Gebäude der ehemaligen Europäischen Zentralbank „Eurotheum“ in Frankfurt/Main zwei Etagen mit Servern jeweils eine Wärmeleistung von 300 kW bei einem Temperaturniveau von 60°C, 90% dieser Energie werden im Gebäude verbraucht. Das Heißwasserkühlsystem der Server spart nicht nur dem Gebäude Heizkosten von 65.000 Euro, sondern auch dem Rechenzentrum Kühlungskosten von 95.000 Euro.
In der Kühlung: Abwärme kann mittels Sorptionskältemaschinen auch zur Kühlung verwendet werden, wobei sich vom Temperaturdargebot der Server und von den Leistungsgrößen der Maschinen eher Adsorptionsmaschinen als Absorptionsanlagen eignen. Unter dem Titel „HotFlAd“ läuft gerade ein vom Bundeswirtschaftsministerium finanziertes Forschungs- und Umsetzungsprojekt. Dabei geht es darum, mittels der Abwärme der Server andere Teile des Rechenzentrums zu kühlen.
Auch dieser Abschnitt bleibt wieder sehr blass und unvollständig; er beschäftigt sich wie der vorhergehende nur mit Nutzungsoptionen im eigenen Gebäude. Kältenetze [4], aber auch die direkte Kälte-Lieferung in die Nachbarschaft – z.B. an Krankenhäuser, Kühlhäuser, Lebensmittel- und Gastronomiebetriebe, sowie u.a. Schlittschuhbahnen – kommen gar nicht in den Blick.
Wärmewandler: Im Anschluss an die Nutzungsbereiche führt das Whitepaper einige technische Verfahren zur Abwärmenutzung auf. Neben Wärmepumpen zur Temperaturanhebung der Server-Abwärme beschreiben die Autoren Kreislauf-Verbundsysteme mit Luft-Sole-Wärmetauschern sowohl im Wärme- als auch im Kälte-Kreislauf sowie wassergekühlte IT-Systeme als zukunftsweisende Techniken.
Den Schluss des mit vielen Grafiken ausgestatteten Whitepapers bilden eine kurze Zusammenfassung sowie für ein solches Paper umfängliche Link-, Quellen- und Autorenverzeichnisse.
Fazit: Eine interessante Studie, der man allerdings an einigen Stellen mehr Ausführlichkeit und Sorgfalt gewünscht hätte. Bei einem Online-Dokument (PDF) hätten, anders als bei Print-Publikationen, ein paar Seiten mehr keine Rolle gespielt.
Götz Warnke
[1] www.energynet.de/2018/03/28/abwaermenutzung-aus-rechenzentren
[2] Die Darstellung des Whitepapers ist nicht ganz klar: während Dr. Waldhauser im Vorwort auf S. 2 die 13 Mrd. kWh auf den Gesamtstromverbrauch der dt. Rechenzentren bezieht, sagen die Autoren des Whitepapers auf S. 4: „In den Rechenzentren in Deutschland werden aktuell mehr als 13 Mrd. kWh Strom in Wärme umgewandelt, die ungenutzt an die Umgebung abgegeben wird.“ Die erstere Position dürfte richtig sein, da z.B. Mitte 2017 der Gesamtstromverbrauch der deutschen Rechenzentren mit 12 Mrd. kWh angegeben wird: www.ikz.de/heizungstechnik/news/detail/abwaermenutzung-aus-rechenzentren
[3] www.eco.de/themen/datacenter/whitepaper-abwaermenutzung-im-rechenzentrum/#download
[4] www.bine.info/publikationen/publikation/energie-sparen-bei-der-kaelteerzeugung/kaeltespeicherung-und-kaeltenetze