05.06.2020
Selbstversorger dank Kleinwindkraft
Von Kleingärten über abgelegene Wohnhäuser oder Forschungsstationen bis zu echten Inseln: Mit Kleinwindkraft – auch in Kombination mit Photovoltaik und natürlich Batterien – lassen sich vielerorts autarke Stromversorgungen aufbauen. Fast 1,2 Millionen solcher Anlagen – Leistung unter 100 Kilowatt – drehen sich weltweit bereits. Unser Autor war bei einem internationalen Webinar dabei. Sogar Weltwindenergieverbands-Präsident Peter Rae hatte sich extra aus Australien zugeschaltet: Die WWEA (World Wind Energy Agency) hatte zum Webinar „Achieving energy self-sufficiency with a small wind turbine“ (Eigenversorgung mit Kleinwindkraftwerken) geladen, und einige Dutzend Interessierte aus allen Kontinenten dieser Erde waren dabei.
All die Teilnehmenden gehören sicher nicht zu jenen „Menschen, die behaupten, Kleinwindkraft (KW) ist Spielzeug. Nein: Wo es nicht genug Netze, aber genügend Wind gibt: Genau da ist diese Technik sinnvoll“, stellte Morten Petersen aus Dänemark fest, im WWEA für KW zuständiges Vorstandsmitglied.
Doch wie wählt man die richtige Maschine für den eigenen Einsatzfall aus? „Dafür haben wir, auch Chinesen und Dänen waren dabei, einen Katalog für KW gemacht. Der ist fast fertig, mit fast allen Kleinwindrädern am Markt“, erklärte Petersen mit ein wenig Stolz in der Stimme. Auch wenn er einschränkend ergänzte: „Aber es ist nur das drin, was uns die Hersteller mitteilen.“ Deshalb setzt er nun darauf, dass auch noch die restlichen Unternehmen ihre Produkte melden. Und dass die Auswahlliste demnächst online gehen wird.
Was es aber schon jetzt gibt: die Sharing-Plattform smallwind.wwindea.org. Dort sind jede Menge Daten und Fakten zusammengetragen über „Small Wind Turbine“, kurz SWT, wie die Maschinen international genannt werden. Laut Jean Pitteloud von der WWEA haben dort „Leute aus allen Kontinenten alles über Qualität, Förderung weltweit, Zertifikate, Zulassungen“ zusammengeführt. Es gibt auch Planungshinweise. Und auf die Frage der Risikominimierung beim Kauf von KW wird ebenso eingegangen wie auf die Einspeisetarife in vielen Ländern.
Auch wenn die für von Morten Petersen propagierte Inselversorgungen nicht relevant sind.
Wichtig aber für jede Windkraftanlage – ob groß oder klein – ist das Wissen um die Windausbeute in Geschwindigkeit und Richtung am beabsichtigten Standort: Darauf wies Jean Pitteloud eindringlich hin. Er empfahl für den ersten Ansatz die Webseite „MyWindTurbine“. Die ist zwar in vielen Bereichen kostenpflichtig. Aber die dort eingebaute Kalkulationsmaschine ist kostenfrei für alle Nutzer und sehr genau, wie der WWEA-Fachmann erklärte.
Sven Ruin – der Name ist ausdrücklich nicht Programm! – vom schwedischen Ingenieurbüro Teroc empfahl für die Windkalkulation außerdem den globalen Windatlas. Dort lässt sich sogar die wichtige Rauigkeit des Standorts wählen. Denn beispielsweise könnten ja Bäume in der Nähe den Wind abschatten. Auf der Teroc-Webseite wiederum findet sich eine Datenbank über die verschiedensten Verbraucher-Labels zu KW, also zu jenen Kriterien, nach welchen die Maschinen getestet wurden: Daran könnten sich die potenziellen Kunden gut orientieren. Egal, in welchem Land sie die Anlage errichten wollen.
CE-Zeichen kleben die Hersteller selbst auf
In diesem Zusammenhang wies Ruin ausdrücklich auf ein Missverständnis hin, dem viele Interessenten erliegen: „Das CE-Zeichen kann jeder selbst aufkleben". Es sagt nichts darüber aus, ob ein Dritter das Produkt getestet hat. Deshalb ist für den Ingenieur ein wichtiger Anhaltspunkt für Qualität, ob die Anlage nach IEC 61400-2, Ed. 3 getestet wurde. (Die Grundzüge der Norm stehen hier – der Kauf der gesamten Schrift ist für Anwender nicht unbedingt notwendig, findet die Redaktion). Ruin vergaß aber nicht den Hinweis: „Betrachten Sie das gesamte System, Maschine, Mast, Verkabelung. Und klären Sie vorher: Wer wird die Maschine warten?“ Dieser Punkt werde oft vergessen und führe zu Missmut über Kleinwind.
Welche Fehler bei KW passieren können, stellte der Deutsche Patrick Jüttemann – über ihn und sein neutrales Kleinwindkraft-Portal haben wir in DGS-News bereits mehrfach berichtet – eindrucksvoll dar. So sei ihm schon oft untergekommen, „dass die Leute meinen, wenn sie PV nutzen können, können sie an dieser Stelle auch Wind nutzen. Mit Google Earth von oben drauf schauen, dann sieht man die Probleme am Standort“, empfahl er. Und: „Das Windrad nach Leistung auswählen ist keine gute Idee. Denn Leistung sagt nichts über Ernte aus.“ Am Beispiel einer sonst identischen Maschine mit 7-Meter- und 9,5-Meter-Rotoren wies er nach: „Der größere Rotor verdoppelt die Ernte.“ Ebenfalls wichtig: Möglichst hoch hinaus mit dem Rotor. Doch vielerorts gülten Einschränkungen durch Baugesetze, ergänzte er.
Und vor dem Kauf solle man möglichst „mit Leuten sprechen, die eine solche Anlage betreiben, die ich im Blick habe“. Als gutes Auswahlkriterium nennt Jüttemann echte Vergleichszahlen aus Anlagen, die in Betrieb sind.
Das gesamte, gut zweistündige Webinar steht in kleinen Filmhäppchen übrigens hier kostenlos zum Anschauen. Dort sind auch die Präsentationen mehrerer Kleinwindkraftwerks-Hersteller aus verschiedenen Ländern zu sehen, auf die unser Autor hier nicht eingegangen ist.