05.06.2020
Konjunktur oder Klimaschutz?
Die schwarz-rote Koalition hat sich auf ein 130 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket verständigt. Eine zuvor von der Autoindustrie und Unionspolitikern geforderte Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor wird es nicht geben, dagegen beschlossen die Verhandlungspartner vielmehr deutlich höhere Prämien, gerade für Elektroautos. Hier soll der Bundeszuschuss von zuletzt 3.000 auf 6.000 € steigen. Wenn weiterhin - wovon wir ausgehen - die Hersteller 3.000 € beisteuern - ergibt das einen Gesamtzuschuss von 9.000 €. Zusätzlich könnte der Kaufpreis noch wegen der ebenso beschlossenen, zeitlich begrenzten Umsatzsteuerreduzierung fallen. Diese wird für 6 Monate vom 01.07. bis zum 31.12.2020 von 19% auf 16% gekürzt.
Diese beiden Maßnahmen haben erhebliche positive Auswirkungen auf die PV-gestützte Sektorenkopplung mit Speicher, E-Auto und gegebenenfalls „Power to Heat“. Denn für Besitzer von Einfamilienhäusern, welche sich für eine Solarstromanlage interessieren, wird deren Betrieb nun noch attraktiver, wenn sie die Kleinunternehmerregel in Anspruch nehmen. Sie bekommen in diesem Fall zwar die Umsatzsteuer für PV-Anlage und Speicher nicht zurückerstattet, müssen aber auch keinerlei Eigenverbrauch teuer mit ca. 4 bis 5 Ct/kWh umsatzversteuern. Bei Anschaffungskosten für eine 10 kWp Anlage mit 8 kWh Speicher von beispielsweise 20.000 € plus Umsatzsteuer ergibt das eine Ersparnis von 600 €. Es müssten in dem Beispiel demzufolge nicht mehr 23.800 €, sondern nur noch 23.200 € bezahlt werden. Zudem hat man in der Regel nach einmaliger Meldung beim Finanzamt auch keine Finanzamtsbürokratie mehr.
Mehrere Hundert Euro Ersparnis winken in dem zweiten Halbjahr 2020 auch bei der Anschaffung einer PV-Anlage mit gesteuerter elektrischer Wärmepumpe. Kostet eine Wärmepumpe bisher etwa 20.000 € brutto, sind es dann nur noch gut 19.000 €. Der Zuschuss durch die Bafa von 35 bis 45 % ist dabei noch nicht berücksichtigt.
Am meisten spart der Kunde jedoch bei der Anschaffung eines Elektro-Autos, welches idealerweise auch durch die PV-Anlage, gegebenenfalls nachts aus dem Heimspeicher, beladen wird. Hatte der Hausbesitzer zuvor vielleicht noch mit dem Neukauf eines herkömmlichen Benziners geliebäugelt, erhält er nun - hoffentlich auch bald bei mehr deutschen Herstellern - ein qualitativ durchaus gleichwertiges Elektroauto. So kostet ein Renault Clio gehobener Ausstattung momentan etwa 20.000 € brutto. Eine eher besser ausgestattete Renault Zoe hat einen Listenpreis von rund 24.000 € brutto. Hinzu kommt noch die Batteriemiete von maximal 100 € pro Monat für die 52 kWh Batterie (je nach jährlicher Fahrleistung). Mit den neuen Zuschüssen kostet eine Zoe jedoch nur noch 15.000 €, ist also in der Anschaffung deutlich billiger als der vergleichbare Benziner. Wer die Batterie kaufen möchte, zahlt nach Förderung für das gleiche Fahrzeug 23.000 €. Die UmSt. betrachten wir hier nicht, da wir nicht wissen, ob die Hersteller diese Senkung weitergeben oder nicht.
Sowohl die Batteriemiete von ca. 1.200 € pro Jahr als auch die 3.000 € Mehrkosten bei Batteriekauf gegenüber dem Verbrenner werden durch Einsparungen beim Treibstoffverbrauch, also den geringeren Stromkosten und anderer deutlich geringerer Betriebskosten mehr als kompensiert. Für 15.000 km Fahrleistung gibt der Verbrenner-Fahrer jährlich gut 1.500 € für Benzin aus, für Wartung und Service nochmals gut 300 bis 850 €, je nach Alter des Fahrzeugs. Der Stromer kostet mit zugekauftem Ökostrom ca. 800 € bei 30 Ct/kWh und die Wartungen kosten ihn pro Jahr zwischen 50 und 150 €. Und wenn dann der Strom dann noch zu ca. 50% aus der PV-Anlage kommt, liegt die Energiekostenersparnis nicht bei 700 €, sondern eher 1.000 € pro Jahr. Bei immerhin 390 km Reichweite im Sommer und gut 280 km auch im Winter. Wer jetzt noch ein "Fossilmobil" kauft, dem ist nicht mehr zu helfen.
Neben den Kaufprämien für klima- und umweltfreundliche Elektroautos sollen klimafreundlichere Lastwagen, Flugzeuge und Schiffe gefördert werden. Gleichzeitig sollen die Steuern für Autos mit hohen Abgaswerten erhöht werden. Die Koalition plant außerdem, zusätzlich 2,5 Milliarden Euro in den Ausbau des Ladenetzes für E-Autos sowie in die Förderung von Forschung und Entwicklung - etwa der Batteriezellfertigung - zu stecken. Für Zukunftsinvestitionen der Hersteller und der Zulieferindustrie soll für die Jahre 2020 und 2021 ein "Bonus-Programm" in Höhe von zwei Milliarden Euro aufgelegt werden.
Gibt es dennoch einen Haken?
Ja! Da war doch noch die Geschichte mit der Nachhaltigkeit und dem sanften Start aus der Corona-Krise. Die Hoffnung, nicht so schnell wie nur irgendwie möglich zurück zum vorherigen Status quo zurückzukehren zu wollen, nein, die wurde leider nicht erfüllt. Denn letztendlich steht das Konjunkturpaket für nichts anderes als billigen Konsum, der die Klimakrise weiter befeuern wird: Konsum bleibt erste Bürgerpflicht! Und auch wenn keine Fossilmobile mehr gefördert werden, ist einiges im Argen. Leider wird sich die Senkung der Umsatzsteuer, wenn überhaupt, vorwiegend auf den bisherigen fossil geprägten Konsum auswirken. Zugleich bleiben alle klima- und umweltschädlichen Subventionen unangetastet, ein Einstieg in eine Solarwirtschaft ist nicht vorgesehen. Es gilt offensichtlich die Devise: Vor allem all das so rasch wie nur möglich wieder hochzufahren, was letztendlich für die Katastrophe verantwortlich ist, in dem wir gerade stecken. Damit ist jetzt nicht die Covid19-Krise, sondern die weit größere Welle gemeint, welche auf uns zurollt. Es hätten vielmehr vornehmlich jene gefördert werden müssen, die vieles anders machen würden. Das ist jedoch nicht angesagt, ein ökologischer Neustart stand offensichtlich nie auf dem Tableau.
Apropos Senkung der Umsatzsteuer: Werden hier tatsächlich Kaufimpulse für große und kleine Investitionen gesetzt und stärken diese wirklich wie erhofft die Binnennachfrage, wird die Handbremse für die Konjunktur damit gelöst? Das scheint zumindest fraglich, schließlich gibt es in den Geschäften schon länger bis zu 70% Rabatt und trotzdem kauft kaum jemand ein. Denn diejenigen, welche derzeit in Kurzarbeit stecken oder ihren Job verlieren werden, können nicht, nur wegen einer kleinen Preissenkung, gleich eine neue Küche oder Fahrräder für die viele neue Freizeit kaufen. Abgesehen davon wäre es wohl auch das erste Mal, dass die Wirtschaft einen Vorteil direkt an den Verbraucher weitergibt. Wer glaubt, dass hierdurch alle Preise sinken werden, ist jenseits jeglicher Realität. Dennoch ist sich Vizekanzler Olaf Scholz sicher: er erwarte, dass die Wirtschaft nicht alles zu ihrem Vorteil nutze, sondern an die Bürger weitergebe. Na gut, mal sehen ob es so kommen wird.
Man könnte aber auch mal folgende These überprüfen: Wenn die Senkung der Umsatzsteuer das größte Konjunkturpaket aller Zeiten ist, war dann die letzte Erhöhung eine der größten Konjunkturbremse aller Zeiten? Auch muss man ein wenig genauer hinsehen, wer wirklich davon profitieren könnte und wer nicht. Denn die Einnahmen der gebeutelten Freiberufler werden schon mal nicht steigen, da viele ihre Leistungen netto abrechnen: die Höhe der Umsatzsteuer spielt bei ihnen demnach keine Rolle - außer beim Aufwand. Über die Änderung der Umsatzsteuer mitten im Jahr werden sich zwar sicherlich die Steuerberater freuen. Aber vielen wird sie letztendlich nur Geld und Zeit kosten.
Ein gutes Zeichen gibt es aber dennoch: Die Abwrackprämie wurde auch Dank der Klimabewegung verhindert, es gibt einen ökologischen Druck auf die Politik. Leider wurde die andere, mindestens genauso wichtige Forderung, Unternehmenshilfen an soziale & ökologische Vorgaben zu knüpfen, nicht erfüllt.
Fazit
Mit dem Konjunkturprogramm setzt die Koalition sehr einseitig vor allem auf Konsum, sprich: auf das Ankurbeln des Binnenkonsums. Ob wir das Land aus der Krise kaufen können erscheint fraglich. Denn viele haben während der Zeit der Quarantäne auch ihr bisheriges Kaufverhalten überprüft und hinterfragt. Dieses Konjunkturprogramm ist leider sehr undifferenziert und simpel. Es wurde ein Desaster verhindert, aber es ist kein mutiger Schritt zum notwendigen Umbau unserer Gesellschaft.
Was wäre möglich gewesen
Erst am 25. Mai hatte das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Rahmen eines Forschungsvorhabens im Auftrag des Bundesumweltministeriums ein Konzept für eine sozial-ökologisch ausgerichtete Konjunkturpolitik erstellt. Dort wurde auch betont: Konjunkturelle Wirkungen entstehen durch öffentliche Investitionen, Anreize zur Hebelung privater Mittel, steuerliche Anreize sowie durch regulative Änderungen. In dem Konzept wurden neun Maßnahmenpakete beschrieben:
1. Solaroffensive für mehr grünen Strom
2. Windenergie als Rückgrat der Energiewende wiederbeleben
3. Stromnetze fit machen für die beschleunigte Energiewende
4. Gebäude energetisch (um)bauen
5. Industrie nachhaltig transformieren
6. Schiene und öffentlichen Verkehr sichern, modernisieren und ausbauen
7. Radverkehr stärken, neue Wege und Raum schaffen
8. E-Mobilität ermöglichen
9. Wälder und Moore als C02-Speicher nutzen
Das wäre ein guter, ernsthafter, nachhaltiger Ansatz gewesen …