05.04.2019
Ist eine CO2-Steuer der richtige Weg?
Der neue Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium hatte sich im Februar festgelegt: Es soll keine CO2-Steuer in dieser Legislatur eingeführt werden, so seine Ankündigung beim Jahresempfang des BEE in Berlin. Doch der politische und öffentliche Druck wird derzeit größer, die CO2-Bepreisung wird von den Befürwortern als ein einfaches und wirksames Instrument auf dem Weg zur Erfüllung der Klimaziele gesehen. Verschiedene Länder wie Schweiz, Schweden und Dänemark haben damit bereits gute Erfahrung gemacht.
Um was geht es genau?
Eine CO2-Steuer belastet die Emissionen, die bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entstehen. Zur Bemessung werden dabei das eigentliche CO2 selbst, aber auch andere Treibhausgase erfasst, denen eine Bepreisung zu Grunde gelegt werden soll. Eine CO2-Steuer könnte in Deutschland z.B. die Stromsteuer teilweise ablösen, die ja in der derzeitigen Ausgestaltung nicht zwischen klimaschädlichen Kohlestrom und klimafreundlichen Solar- oder Windstrom unterscheidet, sondern für jeden Strom erhoben wird. Das betont auch der BEE in seiner aktuellen Pressemitteilung und fordert dort die vollständige Ersetzung der Stromsteuer durch eine CO2-Steuer. Hintergrund ist ein aktueller Gesetzentwurf zur Änderung der Stromsteuer.
Am vergangenen Mittwoch fand zum Thema CO2-Bepreisung ein öffentliches Fachgespräch des Umweltausschusses des Bundestages in Berlin statt. Geladen waren Holger Lösch vom BDI, Oldag Casper von Germanwatch e.V., der Naturwissenschaftler Dr. Sebastian Lüning, Prof. Dr. Joachim Weimann von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Weimar, Ulf Sieberg von CO2-Abgabe e.V. sowie Prof. Barbara Praetorius von der HTW Berlin. Frau Praetorius war als eine der Vorsitzenden der Kohlekommission auch dafür verantwortlich, dass sich im Endbericht der Kommission folgender Satz findet: „Die Kommission empfiehlt die Einführung einer CO2-Bepreisung mit Lenkungswirkung auch im Non-ETS (damit ist der Bereich außerhalb des europäischen Emissionshandels gemeint) zu prüfen.“ Auch forderte die Kommission, das Energiepreissystem auf den Prüfstand zu stellen. CO2-Anreizwirkung bei Kraftstoffen seinen zu gering, Belastungen auf Strom zu hoch, so die Kommission.Die Statements und Fragen an die Experten drehten sich in den beiden Stunden rund um verschiedene Aspekte einer CO2-Bepreisung, diese sollen hier nacheinander beleuchtet werden.
Ökologische Lenkungsfunktion
Joachim Weimann ist der Ansicht, dass der europäische Emissionshandel in den vergangenen zehn Jahren deutlich mehr zur CO2-Reduktion beigetragen hat als der EEG-unterstützte Ausbau der Erneuerbaren Energien, der im Vergleich um ein Vielfaches teurer war. Der von der AfD als Sachverständiger geladene Naturwissenschaftler Lüning stellte fest, dass die Wissenschaft sich über Ursachen für menschengemachten Anteil der CO2-Steigerung noch uneins ist. Klimapolitik sollte aus seiner Sicht daher vorsichtig und schrittweise erfolgen, mit europäischem Emissionshandel könnten die Klimaziele erreicht werden. Barbara Praetorius sah die CO2-Bepreisung als Unterstützung der Energiewende. In den letzten 10 Jahren sei Strom teurer geworden, Bei Erdöl und Benzin hat sich dagegen wenig getan. Daher müsse Strom günstiger werden, zumal dieser derzeit die größten Beiträge zum Klimaschutz (durch Erneuerbare Energien) liefere. Sie sah eine Entlastung des Strompreises um rund 20 % als machbar an.
Weimann betonte die beiden strukturellen Unterschiede von CO2-Steuer und Emissionshandel: Während bei letzterem der Gesetzgeber eine genaue Menge festlegt, und diese dann – unabhängig von einer Marktpreisentwicklung für Zertifikate zuverlässig erreicht wird, lenkt eine CO2-Steuer die Verschmutzungsmenge nur indirekt über den vorgegebenen Preis. Und das ist riskant: Die Festlegung der Höhe des Preises ist dort relevant; ist dieser zu gering, ist es möglich, dass kaum oder gar keine Lenkungswirkung und damit nur eine geringe CO2-Reduktion erreicht wird.
Der europäische Emissionshandel deckt im Übrigen rund 45 % der gesamten Treibhausgase in 31 Ländern ab.
Umsetzbarkeit CO2-Steuer vs. Erweiterung ETS
Neben der Einführung einer CO2-Steuer wäre auch denkbar, den europäischen Emissionshandel (ETS), der derzeit im Strombereich im Einsatz ist, auf die Sektoren Wärme und Verkehr auszudehnen. Der BDI wendet sich gegen eine Erweiterung im ETS, hält aber auch eine Umsetzung einer CO2-Besteuerung im Kontext der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Industrie für schwierig. Im Gegensatz dazu betonte Oldag Casper, dass die CO2-Bepreisung bereits in vielen Ländern angewendet wird und dort nicht zu einer Abwanderung der Industrie geführt hat. Er sieht auch eine breite Unterstützung aus Wirtschaftskreisen, haben doch Konzerne wie BASF, Metro und Siemens ein solches CO2-Preissystem bereits intern zur Bewertung von Investitionsentscheidungen im Einsatz.
In seinem Statement empfahl Ulf Sieberg, alle möglichen Varianten nochmals von der Bundesregierung in Detail zu prüfen, bevor eine Umsetzung angegangen wird. Es stelle sich schon zu Beginn die Frage, ob das weltweit, innerhalb der G20, innerhalb der EU abgestimmt oder rein national umgesetzt werden soll und welche Auswirkungen der jeweilige Umsetzungsumfang dann haben könnte. Nach der Ansicht von Barbara Praetorius ist Komplettumbau der Abgaben und Steuern auf Energie illusorisch und nicht in kurzer Zeit leistbar. Sie sieht daher nur die Anknüpfung an ein bestehendes System in der kurzen Zeit machbar, die für die Erreichung der Klimaziele vorgegeben ist. Sie befürwortet daher eine CO2-Steuer, da die Erfahrung des Emissionshandels zeige, dass dieser erst nach mehrfachen Reformen über inzwischen 14 Jahre vernünftig laufe. Das ist zu langsam für das zeitkritische Thema der Erreichung der Klimaziele.
Der Wirtschaftswissenschaftler Weimann widersprach den Aussagen von Holger Lösch und plädierte für eine Erweiterung des ETS auf Verkehr und Wärme: Hier könne man auch verlässlich direkt die Mengen steuern und sei günstiger: Berechne man für den Verkehr die CO2-Vermeidungskosten durch den Einsatz von Elektroautos, so ergäben sich, auch aufgrund der derzeit nötigen Förderungen, Kosten von mehr als 500 €/t CO2. Günstiger wäre für die Automobilindustrie daher ein Einkauf von ETS-Zertifikaten aus der Energieerzeugung für derzeit rund 20 €/t. Auf dieses Argument folgte jedoch prompt Widerspruch von Ulf Sieberg, gelte es doch, nicht irgendwo günstige Zertifikate aufzukaufen, sondern gezielt in Deutschland die realen Emissionen zu reduzieren, um die nationalen Klimaziele zu erreichen.
Beispielregionen wie Ontario (Kanada) und Kalifornien zeigen, dass ein ETS auch im Bereich Wärme und Verkehr funktionieren würde, so Weimann. Seitens der Grünen Abgeordneten Lisa Badum wurde jedoch kritisiert, dass es dafür (noch) keine Beispiele innerhalb der EU gäbe und man besser auf erprobte Systeme wie eine direkte CO2-Steuer setzen sollte.
Preisfindung
Nach einigen Reformen und der Verknappung der Zertifikate agiert der europäische Emissionshandel derzeit bei Preisen von rund 20 €/t CO2. Sieberg sprach sich für einen einheitlichen CO2-Preis über alle Sektoren hinweg aus, der Verein CO2-Abgabe e.V. schlägt dafür einen Wert von 40 €/t CO2 vor, der jährlich um 5 €/t gesteigert wird. Eine Studie des BDI sieht hingegen eine Lenkungswirkung im Verkehrsbereich erst ab einer Größenordnung von 250 €/t, da dieser Bereich recht preisunsensibel ist, beispielsweise ändern Benzinpreisschwankungen das Fahrverhalten nur wenig. Barbara Praetorius hält einen gleichen Preis über die Sektoren für sinnvoll, sieht aber durchaus einen unterschiedlichen Preishebel in den verschiedenen Bereichen.
Soziale Auswirkungen
CO2-Abgabe e.V. ist sich sicher, dass eine richtig gemachte CO2-Steuer umgesetzt werden kann und die Einnahmen dabei aber zur Gegenfinanzierung von EEG-Umlage, Stromsteuer sowie Heizölsteuer genutzt werden soll. Casper nannte einige praktische Beispiele: So erfolgt in Kanada eine CO2-Bepreisung seit 1.1.2019, diese wird zu 100 % über die Steuer an die Bevölkerung zurückgegeben. Das könne auch so gestaltet werden, dass untere Einkommen im Verhältnis mehr von einer Erstattung profitieren. In der Schweiz erfolgt die Rückerstattung über die Krankenkasse, denkbar sei aber auch eine Reduktion z.B. von Abgaben auf Strom. Sieberg von CO2-Abgabe e.V. hat mit der LU München zusammen eine Studie erstellt, die eine Entlastung auf Energiesteuern darstellt und ebenfalls zu einem sozialverträglichen Ergebnis kommt.
Akzeptanz in der Bevölkerung
Lösch betonte, dass die Zustimmung zum Klimaschutz in der Bevölkerung unbestritten hoch ist, aber die Bereitschaft deutlich sinkt, wenn es um den eigenen Geldbeutel geht. Casper stellte die Ergebnisse einer aktuellen Befragung (IASS 2018) dar: Demnach ergab sich eine Zustimmung bei 74 % der Befragten, wenn eine Rückverteilung des CO2-Beitrags sichergestellt ist. Er sieht die wichtige Aufgabe bei der Politik, zu kommunizieren, dass alle Bürger sich das leisten werden können, so Casper. Nach seiner Ansicht sind auch flankierende Maßnahmen nötig (z.B. Bonus/Malus für Autokauf), auch eine Kommunikationskampagne hält er für nötig, in der auch die Details der Rückverteilung an die Bevölkerung klar dargestellt wird. Auch muss deutlich gemacht werden, dass ländliche Regionen, Mieter usw. nicht abgehängt oder schlechter gestellt werden. Die Gelbwesten-Proteste in Frankreich gegen die Einführung von Energiesteuern, bei denen diese Aspekte nicht berücksichtigt wurden, solle mahnendes Beispiel sein.
Fazit
Das Fachgespräch zeigte: Eine CO2-Steuer oder die Erweiterung des ETS wird wohl nicht schnell kommen, dazu sind die Fachleute sowohl bei Vor- und Nachteilen der Modelle als auch in den Ansätzen der notwendigen Preisfestlegungen einfach zu unterschiedlicher Meinung. Jedoch muss es auch Aufgabe der Politik sein, eine Problemlösung herbeizuführen, auch wenn sich die Fachleute noch streiten. Die politisch einfachste Möglichkeit scheint hier die Einführung einer nationalen CO2-Steuer, mit deren Einnahmen dann die Stromsteuer sowie EEG-Umlagen für Bürger und Gewerbe gesenkt werden können. Die Klima-Demonstrationen am heutigen Freitag werden wieder erinnern, dass es dafür dringenden Handlungsbedarf gibt.
Jörg Sutter
CO2-Bepreisung: Lenkungswirkung und Gerechtigkeit verbinden (BEE, 03.04.19)