05.03.2021
Ü20 für Solar-Dummies
Eine Selbsterkenntnis von Heinz Wraneschitz
Ach was sind wir Journalist*innen schlau, wenn wir über Energiethemen berichten, die uns nicht direkt betreffen. Doch wehe, wir haben selber ein Problem: Dann stellen wir uns an wie jede*r andere Dummie auch. Und wir sind deshalb im Einzelfall auf die Hilfe von echten Fachleuten angewiesen.
Ich zum Beispiel betreibe seit Juni 2000 eine kleine Photovoltaik-(PV-)Anlage. Deren Strom wird vollständig ins Netz meiner Gemeindewerke eingespeist. Und bis 31.12.2020 bekam ich für diesen Solarstrom auch die im Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG 2000 festgelegte Vergütung von 99 Pfennigen pro Kilowattstunde (kWh), ab 1.1.2002 den umgerechneten Wert von 50,62 €C/kWh. Genau 20 Jahre plus Inbetriebnahmejahr lang. So wie es im damaligen 10-Seiten-Gesetz geschrieben steht.
Seit 1.1.2021 habe ich nun also eine Ü20-PV-Anlage auf meinem Dach liegen. Und weil kurz vorher der Bundestag - gottseidank! - auf den allerletzten Drücker das EEG 2021 beschlossen hat, es ist übrigens 154 Seiten lang, habe ich die Stromerzeugung auch nicht abstellen müssen. Das hatte ich bis dahin befürchtet. Stattdessen darf ich sie mindestens noch sieben kurze Jahre lang weiterbetreiben.
Aber: Seit Jahresbeginn bekomme ich für den erzeugten und ins Netz gelieferten Solarstrom nur noch gut 2 ct/kWh von den Netzbetreibern bezahlt. Ganz genau steht der Betrag erst am Jahresende fest. Deshalb macht es Sinn, diesen Strom künftig möglichst komplett selber zu nutzen. Denn aus dem Netz bezogener kostet bekanntlich um die 30 ct/kWh - den gilt es zu ersetzen.
Außerdem habe ich bereits einen Solaranlagen-Installateur beauftragt, mit zusätzlichen Modulen die nur teils solarbelegte Dachseite ziemlich komplett zu überdecken. In den Keller soll zudem ein Solarspeicher kommen: Damit will ich möglichst viel Strom im eigenen Haus sowie für mein Elektroauto nutzen. Eigenstromverbrauch mit Speicher und Überschusseinspeisung wird das allgemein genannt. Ja, das weiß sogar ich.
Und ja, ich weiß auch: Für den nicht selbst verbrauchten oder gespeicherten, also überschüssigen Strom aus den neuen Modulen bekomme ich 7,81 ct/kWh. Denn die Anlage soll im April angeschlossen werden, das hat der Installateur zugesagt. Und für meinen "Eigenstrom" brauche ich auch nicht die EEG-Umlage abzuführen, weil die Anlage unter 30 kWp leistet. Das ist mir ebenfalls bekannt.
Doch wie genau zähle ich den Strom, den ich ins Netz einspeise? Der ist ja quasi gemixt: Für die Erzeugung aus meiner alten Anlage bekomme ich - wie gesagt - wesentlich weniger Geld als für jene kWh, die aus der Erweiterung ins Netz fließen. Dazu habe ich die "Clearingstelle EEG KWKG" in Berlin befragt: Die klärt Rechtsprobleme rund um das seit dem Start auf 1.540 Prozent gewachsene EEG-Werk.
Auf meine Frage, wie die Abrechnung einer solchen kombinierten Alt-Neu-PV-Anlage grundsätzlich vollzogen werden kann, egal ob Volleinspeisung oder Überschusseinspeisung, bekam ich die Antwort: "Werden die Strommengen über eine gemeinsame Messeinrichtung abgerechnet, so werden die Strommengen im Verhältnis der installierten Leistungen den Anlagen zugeordnet (§ 24 Abs. 3 EEG 2021). Auf der Grundlage dieser Zuordnung erfolgt sodann die Berechnung der EEG-Vergütung durch den Netzbetreiber." Das gelte für Voll- wie Überschusseinspeisungsanlagen.
"Dazu verweisen wir auf unseren Hinweis 2013/19, Anhang 3.3. Abbildung 2 rechts sowie unsere Empfehlung 2014/31 Anhang 6.3 Abbildung 2", ergänzt die Clearingstelle.
Kaskadenlösung
Christian Dürschner, langjähriger Sachverständiger für PV-Anlagen, DGS-Mitglied und auch als Referent für unseren Verein tätig, geht noch weiter als die Clearingstelle: "Man kann auch die Kaskadenlösung wählen, also vorrangig den Strom aus der alten und nachrangig den aus der neuen Anlage im Haus verbrauchen", sagt er. Das sei für Betreiber trotz des zweiten Zählers meistens wirtschaftlicher, denn der PV-Strom aus der neuen Anlage werde ja höher vergütet als der Strom aus der Ü20-Anlage".
Die Umstellung von Voll- auf Überschusseinspeisung funktioniere, wenn der bisherige mechanische Einspeise- durch einen elektronischen Zweirichtungs-Zähler ersetzt werde. Doch für die Kaskadenlösung seien zwei Zweirichtungs-Zähler vonnöten (siehe Messkonzept "Modifizierte Kaskadenschaltung"), ergänzt Dürschner.
Aber ist das alles auch bereits rechtlich abgesichert; "liegen bereits Entscheidungen / abgeschlossene Verfahren, Voten, Schiedssprüche vor?", frage ich bei der Clearingstelle nach. Die antwortet - und das beileibe nicht lapidar: "Zu der von Ihnen aufgeworfenen Frage liegen keine abgeschlossenen Arbeitsergebnisse vor. Zu den messtechnischen Anforderungen von Kombinationen aus Solaranlagen und Speichern hat die Clearingstelle die Empfehlung 2017/29 veröffentlicht." Besonders werde "auf "Abschnitt 4.8, Rn. 147 verwiesen". Und: "Bitte nehmen Sie auch das dazugehörige Schaltbild in Anhang 6.9, Abbildung 10, links, zur Kenntnis."
Doch an dieser genannten Stelle sind nur Ökostrom-Anlagen erwähnt, die über 10 Kilowatt leisten können. Sie hat mir also nicht wirklich geholfen, die Hilfe der Clearingstelle EEG-KWKG. Aber immerhin habe ich eine Antwort bekommen.
Trotzdem komme ich mir immer noch wie ein PV-Dummie vor. Falls es also auch anderen so geht: nicht verzweifeln, DGS fragen. Im Programm PVLOTSE gibt es Antworten zu allen Fragen rund um Alt-PV-Anlagen. Unter anderem beantwortet sie Christian Dürschner.