05.02.2021
Wieviel zählt der Klimaschutz im BW-Wahlkampf?
Eine Analyse von Jörg Sutter
Gemeinsam mit dem kleineren Rheinland-Pfalz beginnt Baden-Württemberg am 14. März die diesjährige Reihe der Landtagswahlen. Sachsen-Anhalt folgt im Juni, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen wählen parallel zur Bundestagswahl im September. Trotz der Corona-Sondersituation: Welchen Stellenwert hat der Klimaschutz und die Energiewende bei den Parteien im „Ländle“? Wir werfen einen Blick in die Wahlprogramme und auf die Straßenplakate in Baden-Württemberg.
Die Ausgangslage
Der Wahlkampf in diesem Jahr ist speziell: Unter Corona-Einfluss waren schon die parteiinternen Versammlungen zur Wahl der Kandidaten nur online möglich. Infostände in der Fußgängerzone oder Besuchsveranstaltungen mit bekannten Politik-Größen wird es nicht geben, auch die üppige Plakatierung in den Stadtmitten wird wohl größtenteils ins Leere laufen.
In Baden-Württemberg regiert derzeit eine grün-schwarze Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der nach zwei Amtszeiten nochmals als Spitzenkandidat seiner Partei angetreten ist. Das besondere bei der Wahl im Südwesten: Es gibt der 70 Wahlkreise, aber keine Landeslisten, jeder Wähler hat nur eine Stimme für den Kandidaten seines Vertrauens.
Nachdem 2016 die Grünen stärkste Partei wurden, wird derzeit nach Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen von CDU und Grünen erwartet, beide lagen im Januar bei der letzten Umfrage von infratest Dimap bei jeweils rund 30 Prozent, SPD und AFD jeweils bei 12, FDP bei 8 und die Linke bei 4 Prozent der Wählergunst.
Die Wahlprogramme
Bislang sind fünf Parteien im Landtag vertreten:
- Die CDU hat sich selbstbewusst ein „Regierungsprogramm“ zur Landtagswahl gegönnt, das auf 35 Seiten die Parteiziele für die nächsten fünf Jahre zusammenfasst. „Verantwortlicher Klimaschutz“ und „Umwelt und Energie“ finden sich dort als umfangreiche, eigene Kapitel. Wissenschaft, Schulen und Familien, Mobilität und Sicherheit sind weitere Themen.
- Die Grünen haben ein Mammut-Wahlprogramm erstellt, das zwar großzügiger im Layout ist, aber mit einem Umfang von 324 Seiten ein reines Durchlesen quasi unmöglich macht. Nicht verwunderlich: „Umwelt, Energie und Klima“ steht thematisch auf dem ersten Platz, Mobilität, „Ländlicher Raum“, Finanzen und „Wirtschaft und Arbeit“ folgen. Insgesamt 16 Themenkomplexe werden im Programm angesprochen.
- Von der SPD im Land wurde ein Programm mit 39 Seiten vorgelegt: Als die fünf wichtigsten Ziele stehen Arbeit, Bildung, Gesundheit, Wohnen und Klimaschutz. Es folgen Kapitel zu „Zukunftsland“, Sicherheit, Kultur, Finanzen und Europa.
- Die AFD hat ein 64seitiges Programm vorgelegt, das mit den Punkten „lebendige Demokratie“, „Innere Sicherheit“ und „Zuwanderung beschränken“ beginnt. Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Energieversorgung und weitere Themen folgen.
- 113 Seiten sind es bei der FDP geworden, die mit Mobilität, Digitalisierung und Bildung beginnen und auch „Forschung, Technik und Energie“ und ein Kapitel „Umwelt“ enthalten, in dem sich Aussagen zum Klimaschutz finden.
Wer sich einen bequemen Überblick über die Programme und Kandidaten verschaffen möchte, wird hier fündig.
Der Klimaschutz
Welche zentralen Aussagen fallen hinsichtlich des Klimaschutzes in den Wahlprogrammen auf?
Ich kann und möchte an dieser Stelle nicht alle Details der Programme aufzeigen, aber doch auf einige Besonderheiten hinweisen.
Der erste Punkt betrifft gleich die CDU: „Baden-Württemberg ist Sonnenland“ lautet das erste Statement, das konkretisiert wird: „Wir streben deshalb eine landesweite Kampagne an, in der ein engagierter jährlicher Photovoltaik-Zubau von 1.000 Megawatt pro Jahr auf 16 Gigawatt bis 2030 realisiert werden soll“. Und, lieber Leser, sind Sie überrascht? Ich war es! Ist das doch genau die Forderung der Plattform Erneuerbare Energien (PEE), die wir hier in den DGS-News besprochen und seitens der DGS mit unterstützt hatten. Weitere Verbesserungen werden von der CDU bei Mieterstrom, Eigenversorgung und Agri-PV versprochen. Der Wärmesektor soll smart und die Energieberatung ausgebaut werden. Leider wird dieser positive Schwung im Verkehrsbereich wieder ein wenig gedrosselt. Das Megathema darf natürlich nicht fehlen: „Wasserstoff ist einer der zentralen Energieträger der Zukunft“ ist bei der CDU zu lesen, BW soll Marktführer in dieser Technologie werden.
Die Grünen weisen dem Industrieland Baden-Württemberg eine Schlüsselrolle zu: „Wir können der Welt zeigen: Wirtschaftlicher Erfolg und Klimaschutz gehören in Zukunft zusammen“. Und die Partei will keine Zeit verlieren, sondern ein Sofortprogramm für Klimaschutz und Energiewende auf den Weg bringen. Konkret: PV-Baupflicht auch für Wohngebäude, Windkraftausbau und Erschließung von Freiflächen (auch Agro-Flächen und Baggerseen) für Photovoltaik. Interessant: Für öffentliche Haushalte (und eventuell auch landeseigene Unternehmen) soll ein CO2-Schattenpreis von 180 Euro je Tonne eingerichtet werden. Außerdem soll der Südwesten als erstes Bundesland einen CO2-Budget-Ansatz umsetzen. Ein neues Förderprogramm soll klimaneutrale Wohngebiete voranbringen und auch die Mobilitätswende soll rasch vorankommen. Und: Die Ausbau- und Flächenziele sollen regionalisiert werden: Jeder Bürger soll sehen können, welchen Beitrag seine Stadt oder sein Landkreis leisten muss. Auch für die Grünen soll BW Wasserstoff-Vorzeigeland werden. Im Gegensatz zur CDU muss es jedoch grüner Wasserstoff sein.
Die SPD im Ländle will „eine Gesellschaft, die Erneuerbare Energien nutzt und insgesamt ihren Material- und Energieverbrauch senkt“. Sie bekennt sich zum 1,5 Grad-Ziel von Paris und zur CO2-Budgetierung, was für Baden-Württemberg ein Budget von 350 bis 400 Mio. Tonnen CO2 bedeutet. Die Partei möchte ein Förderprogramm für PV-Fassaden und die verpflichtende Installation von PV-Anlagen auf allen Neubauten. Beim Megathema Wasserstoff wird dem grünen Wasserstoff „eine große Bedeutung“ zugeschrieben, Forschung im Bereich Power-to-Gas soll gestärkt werden.
Die AFD schreibt in ihrem Programm: „Wir setzen auf Rationalität und Vernunft anstatt auf Ideologie“. Es muss eine alternative Rationalität sein, denn die Partei will die „gescheiterte Energiewende beenden“, die AKW´s sollen weiterlaufen und damit die Bevölkerung vor einem Blackout geschützt werden. Auch der Windausbau soll möglichst rasch beendet werden, eine Wasserstoffwirtschaft wird abgelehnt.
Zu Beginn des Kapitels Energiepolitik bekennen die Freien Demokraten: „Die FDP unterstützt die energiepolitischen Ziele der Pariser Klimakonferenz ausdrücklich“. Nach den grundsätzlichen Betrachtungen folgt das Statement, dass „alle Technologien gleichermaßen volkswirtschaftlich betrachtet werden“ müssen und durch eine Weiterentwicklung des Emissionshandels eine „kleinteilige und kostspielige Förderung spezifischer Technologien (wie z.B. mit dem EEG) deutlich reduziert“ werden kann. Die Partei will Energieberatung fördern, aber das Erneuerbare-Wärme-Gesetz abschaffen. Fördermittel sollen nicht mehr für Erneuerbare Energien, sondern nur noch für Speicher zu Verfügung gestellt, die Verkehrswende „technologieoffen“ gestaltet werden. „Die batterieelektrische Mobilität hat sich bisher nicht durchgesetzt“ stellt die FDP nüchtern fest. Für die Freien Demokraten ist eine „tiefgreifende Wasserstoffstrategie“ sogar „Bedingung für den Eintritt in die Regierung“. Aha. Das schließt ja schon mal eine FDP-AFD Regierung aus.
Neben den fünf derzeit vertretenen Parteien haben selbstverständlich auch andere noch Klimaaspekte in ihren Programmen: Die Freien Wähler fordern beispielsweise den Ausbau der PV, die Ödp möchte eine Solarpflicht (PV oder Thermie) und die Linke hat den Klimaschutz auch im Programm (siehe auch Bild). Und auch Volt Deutschland, die als einzige klar die 1,5 Grad plakatieren, beschreiben ausführlich die notwendige Energiewende. Ich entschuldige mich: Ich habe nicht alle Programme der antretenden Parteien durchgestöbert, beispielweise die Wahlprogramme der Partei der Humanisten oder der Partei für Gesundheitsforschung habe ich übergangen.
Als am weitreichendsten kann das Grundsatzprogramm der neuen Klimaliste Baden-Württemberg gelten, die erstmals auf den Wahlzetteln zu finden sein wird: Die Klimaliste tritt an, um aus Baden-Württemberg „ein sozial-gerechtes und klimapositives Bundesland“ zu machen. Dazu gehört die 100%-Energieversorgung zumeist aus Solar- und Windkraft, die wie die Verkehrswende in Grundzügen beschrieben, aber nicht in Detailschritten ausgeführt oder mit Zeitfristen versehen ist. Warum? Das (sicher detailliertere) Wahlprogramm soll erst am kommenden Wochenende verabschiedet werden.