04.11.2022
So kommt die Sonne ins Netz – einfacher als früher
Eine Analyse von Jörg Sutter
Der Netzanschluss von PV-Anlagen war bisher eine recht bürokratische Sache, in der letzten Zeit wurden hier für Betreiber und Installateure einige Steine aus dem Weg geräumt. Eine Übersicht über einzelne Punkte und die aktuelle Klarstellung der Bundesnetzagentur zu Zählern möchten wir heute darstellen.
Inbetriebnahme ohne Netzbetreiber
Schon bisher galt, dass der Netzbetreiber bestimmte Informationen, die zum Netzanschluss notwendig sind, innerhalb gewisser Fristen an den Kunden übermitteln musste, ansonsten durfte (bis 10,8 kWp Anlagengröße) auch ohne längeres „Abwarten“ einfach angeschlossen werden. Recht unbeachtet blieb bislang eine Änderung des Paragraf 8 (6) im neuen EEG 2023: Demnach soll eine PV-Anlage selbst (d.h. vom Elektriker des Betreibers) angeschlossen und in Betrieb genommen werden, die Anwesenheit des Netzbetreibers dabei ist hier nur in begründeten Ausnahmefällen notwendig. Eine Verzögerung, weil derzeit Personal beim Netzbetreiber für Inbetriebnahmetermine fehlt, soll es damit nicht mehr geben. Das bezieht sich allerdings nicht auf die Setzung des Stromzählers – aber dazu siehe unten mehr.
Für größere Anlagen: vereinfachte vorläufige Zertifizierung
Zahlreiche PV-Anlagen, die ans Mittelspannungsnetz angeschlossen wurden und deren Anlagenbau fast fertig war, haben sich in der Vergangenheit „gestaut“ und durften erst einmal nicht in Betrieb gehen: Durch die Forderung einer speziellen Zertifizierung und der Überlastung der Zertifizierer gab es einen Stau an Anlagen, die nicht in Betrieb gehen durften. Das betraf Anlagen mit einer AC-Leistung von über 135 kVA oder auch kleinere Anlagen, wenn am entsprechenden Netzanschluss schon andere Stromerzeuger (z.B. Biogas o.ä.) vorhanden waren.
Gelöst wurde der Stau durch eine Änderung des EnWG (schon jetzt gültig), nachdem jetzt die Zertifizierung angestoßen werden muss, die Zertifizierer nun aber eine „oberflächliche“ Zertifizierung zur Freigabe der Inbetriebnahme erledigen dürfen. Die umfangreiche Zertifizierung muss dann innerhalb 18 Monaten nachgeholt werden. Aber in dieser Zeit dürfen die Anlagen schon einspeisen. Weitere Infos dazu hatten wir hier zusammengestellt.
Keine 70%-Regelung mehr
Auch die bisher notwendige Konfiguration des Wechselrichters, der bei Anlagen bis 25 kWp bislang nur maximal 70% der Nennleistung am Netzpunkt ins öffentliche Stromnetz abgeben durfte, ist für Neuanlagen mit dem EEG 2023 weggefallen. Hier wird Aufwand – meist bei der Konfiguration des Wechselrichters selbst durch den Installateur– eingespart. Details dazu hatten wir in der vergangenen Woche hier erläutert.
Öffentliches Interesse
Der Aufbau und Betrieb von EE-Anlagen stehen nach EEG 2023 (§ 2) neuerdings im öffentlichen Interesse und „dienen der öffentlichen Sicherheit“. Damit wird nun eine Abwägung (z.B. bei Behörden, die eine Baugenehmigung prüfen und abwägen müssen) auf neue Prioritäten gestellt. Noch ist nicht überschaubar, wie diese Neuregelung des EEG 2023 in der Praxis genau wirken wird, aber man kann davon ausgehen, dass bei denkmalgeschützten Gebäuden, bei denen bisher eine PV-Installation nahezu unmöglich war, nun zumindest unauffällige Lösungen (z.B. Solar-Dachziegel) eine gute Realisierungschance haben werden, zumal auch in einzelnen Bundesländern die Denkmalschutzregelungen auch schon an die Energiewende angepasst wurden.
Bundesnetzagentur: Jetzt pragmatische Lösungen bei Zählermangel
Weil es in letzter Zeit vermehrt zu Verzögerungen bei der Inbetriebnahme durch fehlende Zähler kam, hat die Bundesnetzagentur nun klargestellt, dass die Netzbetreiber hier auch keine Entschuldigung haben, um die Inbetriebnahme zu verzögern: In der vergangenen Woche hat die BNetzA ein Positionspapier veröffentlicht, das dazu konkrete Hinweise gibt. Der Messtellenbetreiber, der für die Ausstattung mit einem Zähler zuständig ist muss nun auch andere als die üblichen Zählergeräte einbauen, um Verzögerungen zu vermeiden. Spannend für die Praxis: Stellt der Messstellenbetreiber nicht innerhalb von vier Wochen einen Zähler zur Verfügung, darf der Kunde selbst tätig werden und ein eigenes Gerät montieren, um eine Inbetriebnahme zu ermöglichen. Eine Inbetriebnahme ohne Zählung der Strommenge(n) ist nach wie vor nicht zugelassen.
„Wir müssen sicherstellen, dass bereits fertiggestellte Erneuerbare-Energien-Anlagen auch tatsächlich und schnell die erzeugte Energie ins Netz einspeisen können und dürfen. Fehlende Zähler dürfen nicht der Grund für Verspätungen bei der Einspeisung von Strom sein. Hier sind pragmatische Lösungsansätze gefragt. Die zügige Einspeisung liegt im Interesse der Anlagenbetreiber und der Energiewende insgesamt“, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.
Konkret beschreibt das Positionspapier das so: „Messstellenbetreiber haben [..] im Rahmen ordnungsgemäßer Aufgabenerfüllung nach dem MsbG alle erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, um die für eine Inbetriebnahme errichteter Erzeugungsanlagen erforderliche Messtechnik kurzfristig bereitzustellen und in Betrieb zu nehmen.“
Und das soll in der Praxis so aussehen:
- Der Einbau eines Zählers kann durch Installateur vorgenommen werden, wenn Personal beim Messtellenbetreiber fehlt; gelagerte Zähler müssen für den Einbau übersendet/übergeben werden.
- andere Zählertypen bis hin zu Hutschienenzählern müssen bereitgestellt werden, um eine rasche Inbetriebnahme der EE-Anlagen (nicht nur PV..) zu gewährleisten
- wenn nach vier Wochen kein funktionsfähiger Zähler sitzt, kann der Betreiber eine Ersatzvornahme leisten und selbst (= sein Installateur) einen eigenen Zähler einbauen. Sind später wieder Zähler beim Messstellenbetreiber verfügbar, darf dieser auf eigene Kosten umbauen.
Gleich zu Beginn des Positionspapieres betont die BNetzA auch, dass sie Kraft ihrer Aufsichtspflicht über die Einhaltung des Messstellenbetriebsgesetzes diese Punkte auch durchsetzen kann (und wird).
Man sieht im Gegensatz zur Vergangenheit, wo die Bundesnetzagentur eher durch komplizierteste Regelungsvorgaben (z.B. „Messen und Schätzen“) den Betrieb von kleinen PV-Anlagen oft noch komplizierter machte, frischen Wind in der Behörde und den Willen, die Energiewende auch pragmatisch umzusetzen. Könnte sein, dass das an der aktuellen Energiesituation liegt, kann auch sein, dass es am neuen Chef liegt, denn Klaus Müller war bis Februar 2022 oberster Verbraucherschützer beim Verbraucherzentrale Bundesverband.
Ausblick
Das EEG 2023 sieht in § 8 (Anschluss) weiter vor, dass die Netzbetreiber bis zum Jahr 2025 eine Digitalisierung der Netzanfragen vornehmen: „Netzbetreiber müssen ein Webportal zur Verfügung stellen, über das das Netzanschlussbegehren [..] gestellt und die Informationen [..] übermittelt werden können.“ Es soll also in recht absehbarer Zeit digitaler und damit auch kundenfreundlicher erfolgen können.
Service:
Link zum Positionspapier der BNetzA:
https://www.bundesnetzagentur.de/1088914
Link zum EEG 2023 (lesbare Synopse der Stiftung Umweltenergierecht):
https://stiftung-umweltenergierecht.de/synopse_eeg-novelle-2023/
Fragen zum Text? Gerne direkt an sutter(at)dgs.de