04.09.2020
EEG-Novelle: Der erste Entwurf
Eine Vorstellung von Jörg Sutter
Seitenstark ist er geworden, der erste, Anfang dieser Woche bekannt gewordene, Entwurf der EEG-Novelle. Mit hundertvierzig Seiten hat dieser erste Aufschlag schon einen erheblichen Umfang, auch wenn davon 60 Seiten der textlichen Begründung der Änderungen dient. Doch die achtzig Seiten Gesetzestext sind schwer zu durchschauen, denn darin ist nicht ein „neues“ EEG abgebildet, sondern es sind nur die Änderungen beschrieben, Paragraf für Paragraf, Spiegelstrich für Spiegelstrich. Es bedarf also viel Zeit und eine aktuelle Gesetzestext-Fassung, um die Einordnung der Änderungen und Streichung annähernd zu verstehen.
Erste Einschätzung: Durchwachsen
Nachdem einige Branchenvertreter, mit denen ich in den vergangenen Wochen gesprochen habe, erwartet haben, dass vielleicht nur eine Mini-Novelle mit den allerwichtigsten Änderungen kommt, wurden - schon am Umfang sichtbar - doch recht viele Details angepackt. Eine erste Durchsicht zeigt auch für die Photovoltaik einige Verbesserungen, aber auch Verschlechterungen in bestimmten Bereichen. Klar ist: Der erste Aufschlag ist nie die Gesetzesfassung, die später verabschiedet wird. Aber es zeigt den Trend, auch wenn einige Punkte sicherlich noch vom Umweltministerium und auch im parlamentarischen Verfahren verändert werden (müssen). Und an dieser Stelle sei schon festgestellt: Die DGS wird erst einen „offiziellen“ Gesetzesentwurf kommentieren, dazu erwarten wir eine Verbändeanhörung, die wohl nach der geplanten Verabschiedung im Kabinett Ende September erfolgen könnte.
Blick von oben
Zuerst ist die Frage zu stellen, ob sich der EEG-Text in die Klimabemühungen und die darüber und daneben liegenden Gesetze einfügt. Dazu wird in der Einleitung des neuen Textes schon das 65 % -Ziel der erneuerbaren Stromerzeugung, das bereits im Rahmen des Kohleausstiegs formuliert wurde, festgeschrieben. Das klingt zuerst einmal positiv. Doch es wird erwartet, dass die EU die europäischen Klimaziele in Richtung 70 bis 75 % gegen Ende 2021 nach oben zieht. Und dann wäre der in Deutschland festgeschriebene Wert wieder im Vergleich ambitionslos. Und: Für die 65% ist die Bezugsgröße wichtig, das Wirtschaftsministerium schaut hier in die Glaskugel und erwartet – entgegen allen Verbänden und Forschungseinrichtungen – einen konstant bleibenden Stromverbrauch in Zukunft, obwohl ja zu erwarten ist, dass die Verbrauchserhöhung durch Wärmepumpen, Elektromobilität und auch die gewünschte Wasserstoff-Herstellung nicht durch ebenso hohe Einsparungen kompensiert werden kann. Kritik kam auch früher schon an den 65 %, die ja für die Erreichung der Pariser Klimaziele nicht genug sind.
Der Entwurf gibt ebenfalls in der Einleitung an, dass damit die Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2018/2001 der EU in nationales Recht umgesetzt wird. Wer im Entwurf nun nach Vereinfachungen für Prosumer, das Energy-Sharing und andere innovative Bausteine sucht, wird jedoch nicht fündig. Der Begriff „Prosumer“ wird im Text gerade einmal genannt – an einer Stelle, an der es darum geht, diesem Kundenkreis intelligente Messysteme aufzuzwingen. Wie befürchtet ist der Entwurf hinsichtlich der Stärkung der Prosumer ein Fehltritt.
Ambitionslos auch der weitere Ausbau der Erneuerbaren: Es werden Mengengerüste für die einzelnen Techniken genannt, aber die Gesamterhöhung der PV-Leistung auf 100 GWp (heute: 52 GWp) bis 2030 bedeuten nur einen Zubau von rund 5 GW pro Jahr – eindeutig zu wenig. Dabei war das Ministerium noch großzügig: Statt auf 98 GW wie im Klimakonzept wurde der Zielwert auf 100 GW aufgerundet „um mehr Sicherheit bei der Erreichung des 65-Prozent-Ausbauziels zu erhalten“, so das Ministerium im Erläuterungstext. Wow.
Eigenversorgung ausgeklammert
Einer der interessantesten Bereiche, nämlich die zukünftige Behandlung der Eigenversorgung, wurde schon mal ganz ausgeklammert und ist im aktuellen Text nur mit der Bemerkung zu finden, dass darüber noch diskutiert wird. Die versprochene Umsetzung der EU-Richtlinie würde hier ja Erleichterungen bis hin zu einer kompletten Abschaffung der EEG-Umlage auf Eigenversorgung bedeuten können. Regelungen zur Eigenversorgung haben in zahlreichen Bereichen Auswirkungen: Bei den kleinen Hausanlagen, beim Mieterstrom und auch bei möglichen Quartiers- und Areallösungen. Hier kann man gespannt sein, was noch kommt.
Mieterstrom
Schon lange ist klar, dass beim Mieterstrom Änderungen des EEG notwendig sind, damit mehr als nur einzelne Demonstrationsprojekte realisiert werden. Der Mieterstrom ist eine große Chance, die Energiewende auch in die Städte zu bringen, doch dazu muss mehr geschehen. Im Juli wurden in Deutschland gerade einmal 2,4 MW Mieterstrom ans Netz gebracht, bezogen auf die gesamte Neuinstallation von 447 MW im Monat sind das fast vernachlässigbare 0,5 Prozent.
In der EEG-Novelle soll nun zum einen das Lieferkettenmodell erlaubt werden, das bislang rechtlich umstritten war. Dabei tritt ein Dienstleister zwischen PV-Anlagenbesitzer und den verbrauchenden Mieter, jetzt wird klargestellt, dass auch die Weitergabe des Stroms über einen Dritten dann noch als Mieterstrom anzuerkennen ist. Weiterhin soll die Regelung zur Höhe des Mieterstromzuschlags geändert werden: Nachdem der bislang als Abschlag vom anzulegenden Wert berechnet wurde, soll das nun durch einen festgelegten Zuschlag ersetzt werden: 2,66 Cent/kWp bis 10 kWp Anlagengröße, 2,4 Cent bis 40 kWp und für große Anlage (bis 750 kWp) dann nur noch 1,2 Cent/kWh. Auch eine weitere Forderung der Mieterstromanbieter wurde erhört, aber mit einem großen „Haken“ versehen.
Weiterbetrieb von Ü20-Anlagen
Anlagen, die ab Ende dieses Jahres aus der Einspeisevergütung fallen, sollen aufgefangen werden, das war eine breit formulierte Forderung, nicht nur der DGS. Hier stellt sich der Entwurf zweigeteilt: Für die Windenergie gibt es darin keine Perspektive, so dass nach aktuellen Einschätzungen von Wind-Fachleuten zu befürchten ist, dass rund 70% der betroffenen Anlagen abgeschaltet werden. Das ist aus Sicht der Klimapolitik eine Katastrophe und Pleiteerklärung zugleich. Der Weiterbetrieb bei Windkraftanlagen wird oft nur auf 3 bis 5 Jahre ausgelegt, ein Repowering (Ersatz durch eine Neuanlage) ist oftmals nicht möglich – doch darauf bietet das Wirtschaftsministerium keine Antwort.
Anders für die PV: Für die Solartechnik sind im aktuellen Entwurf sogar mehrere Möglichkeiten des Weiterbetriebs vorgesehen, im Detail muss man sich das aber noch ansehen, besonders die Wirtschaftlichkeit der Lösungen ist noch zu betrachten. Der Gesetzgeber will zum einen ermöglichen, dass über eine Folge-Einspeisevergütung der Strom weiter an den Netzbetreiber geliefert und vergütet werden kann. Bei der Direktvermarktung wird eine geforderte Vereinfachung eingeführt: Aber nur als fünfjährige Übergangsregelung soll auf die ¼h-Messung und Fernsteuerbarkeit vorläufig verzichtet werden. Auch die Umrüstung einer Ü20-Anlage auf Eigenversorgung ist möglich, jedoch soll in diesem Fall die Installation eines intelligenten Messystems vorgeschrieben werden. Details zu den geplanten Regelungen werden wir im unten genannten Webinar vermitteln. Interessant dabei: Im Novellenentwurf ist von einer „ferngesteuerten stufenlosen Regelung der Einspeiseleistung über ein intelligentes Messsystem“ die Rede. Der Praktiker weiß: Der Funktionsumfang der derzeitigen Messysteme enthält eine Regelungsmöglichkeit nicht, eine stufenlose schon gar nicht.
Ausschreibungen
Auch zu Ausschreibungen werden Regelungen neu gefasst: Für ganz große Anlagen wird die Obergrenze von 10 MW auf 20 MW angehoben. Weiterhin ist im Textentwurf verzeichnet:
„§ 48 wird wie folgt geändert: [..] bb) In Satz 1 Nummer 3 Buchstabe c Doppelbuchstabe aa wird die Angabe 110 durch die Angabe 220 ersetzt“. Na, verstanden? Dabei ist das sehr wichtig: Die „110“ ist die Meterbreite des Streifens entlang Verkehrswegen, die zukünftig in der doppelten Breite genutzt werden sollen. Das schafft ein enormes zusätzliches Potential für die Freifläche.
Große PV-Dachflächenanlagen mit mehr als 750 kWp wurden in der letzten Zeit kaum realisiert, weil diese Anlagen an den Ausschreibungen teilnehmen müssen und meist kostenmäßig den Freiflächen unterlegen waren. Auch hier will der Gesetzgeber die Potentiale heben, jedoch mit einem großen Haken: Es soll separate Ausschreibungen für Gebäudedächer geben, die denen der Freifläche angeglichen sind, für die Jahre 2021 und 2022 ist ein Volumen von 200 MW vorgesehen, später soll mehr ausgeschrieben werden. Doch der große Haken dabei: Die bisher fixe Anlagengrenzgröße von 750 kWp soll schrittweise abgesenkt werden: Ab 2021 oder 2023 (hier widersprechen sich zwei Textpassagen des Entwurfes) sollen diese Ausschreibungen schon Anlagen ab 500 kWp abdecken, ab 2025 sogar Anlagen ab 100 kWp. Das ist klar nicht praktikabel, denn gerade im kleinen gewerblichen Bereich wird sich eine Firma im Rahmen eines Neubauprojektes weder mit den Formalien einer Ausschreibung noch mit dem Hinterlegen einer Sicherheit von 70 Euro pro kWp (also beispielhaft 17.500 Euro bei 250 kWp Anlagengröße) nur zur Teilnahme an der Ausschreibung bereit erklären. Und: Wie soll das umgesetzt werden, wenn z.B. in Baden-Württemberg bis dahin eine Neubau-PV-Pflicht besteht und der Gebäudeerrichter dann aber in der Ausschreibung eine Absage erhält? Hier gibt es noch Klärungs- und Korrekturbedarf.
Fazit
Umfangreicher als gedacht, mehr aufgegriffen als vermutet, aber nicht der große Wurf, der den Klimawandel bremst und den Ausbau beschleunigt.
Detaillierte Informationen werden schon in der kommenden Woche in einem Webinar (siehe Ankündigung in diesen News) vermittelt.