04.02.2022
Wärmewende: Das muss schneller gehen!
Ein Bericht von Götz Warnke
Was die verschiedenen Sektoren der Energiewende anbelangt, so hinkt die Wärmewende zweifellos den Notwendigkeiten des Pariser Klimaabkommens besonders hinterher. Daran wird auch der Koalitionsvertrag der regierenden „Ampel“ nur graduell, aber nicht grundsätzlich etwas ändern. Damit die Diskrepanz zwischen Notwendigem und Faktischem nicht zu groß wird, hat der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) jetzt ein Papier mit dem Titel „BEE-Maßnahmenvorschläge zur Beschleunigung der Wärmewende und des Klimaschutzes im Gebäudesektor“ vorgelegt, das innerhalb des Koalitionsvertragsrahmen die Möglichkeiten für verbesserten Klimaschutz in fünf Themenfeldern aufzeigt.
Das erste Themenfeld betrifft das Gebäudeenergiegesetztes (GEG), das nach dem Willen der Ampelpartner mindestens 65% EE-Anteil für neu installierte Wärmeerzeuger ab 01.01.2025 vorsieht. Ein Vorschlag ist die sofortige Absenkung (d.h. zum 01.07.2022) des Neubaustandards auf 55 % des Referenzgebäudes (virtuelles/gedachtes Gebäude gleicher Geometrie, Größe etc.), damit nicht noch bis Ende 2024 weiter nach dem Standard 75 % des Referenzgebäudes gebaut werden kann. Auch soll eine Nutzungspflicht für Erneuerbare Wärme bei der Installation von Öl- und Kohlekesseln bereits ab 2023 gelten und auf fossil betriebene Gaskessel ausgedehnt werden. Damit soll vermieden werden, dass noch vor 2025 schnell neue Fossilheizungen eingebaut werden, um – wie in den DGS-News beschrieben – für Jahrzehnte das Geschäft der Energiekonzerne zu zementieren. Allerdings soll die EE-Nutzungspflicht für den Zeitraum 2023 bis 2025 noch weniger als 65% betragen. Generell geht es um eine Stärkung der EE-Nutzungspflichten, in dem Ausnahmen und Ersatzmaßnahmen eingeschränkt werden. Auch bei solchen Ersatzmaßnahmen wie Kraft-Wärme-Koppelung (KWK) oder Fernwärme mit KWK soll eine EE-Nutzungspflicht zum tragen kommen – damit würde die „Flucht durch die Hintertür“ mittels reiner Energiesparmaßnahmen wie gasbetriebene BHKWs verhindert.
Ebenso soll das Betriebsverbot für über 30 Jahre alte Heizkessel auf Niedertemperaturkessel, Kohlekessel und netzundienliche Nachtspeicherheizungen ausgedehnt werden. Dazu kommen eine Umgestaltung der Berechnungsmethoden für den Primärenergiefaktor von Wärmenetzen (Stromgutschriftmethode), wodurch die Privilegierung von Fossil-Wärme bei KWK-Anlagen beendet werden soll, sowie eine gesetzliche Festschreibung der im Koalitionsvertrag geplanten nationalen 50% EE-Wärme in 2030.
Das Themenfeld „2. Umlagefähigkeit der CO2-Kosten nach energetischem Zustand des Gebäudes staffeln“ würdigt zum einen die im Koalitionsvertrag vorgesehene CO2-Kostenumlage auf die Mieter gemäß eines Stufenmodells nach Gebäudeenergieklassen in Hinsicht auf das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG). Zum anderen schlägt der BEE vor, dass die Staffelung Schritt für Schritt im 3-Jahres-Rythmus langfristig verschärft wird, um bis 2045 einen treibhausgasneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Das würde zum einen Grundeigentümern eine langfristige Planungssicherheit bieten, zum anderen würde es den Druck auf renovierungsunwillige Vermieter erhöhen, die künftig die CO2-Kosten immer weniger auf die Miete umlegen könnten. Flankierend dazu soll die CO2-Kosten-Staffelung auf Nichtwohngebäude und den Stromsektor ausgeweitet werden, da immer mehr Wärmeerzeugung über Strom läuft (Wärmepumpe).
Themenfeld „3. Finanzielle Förderung klimakompatibel ausgestalten und weiterentwickeln“ stellt mit allein sechs Seiten den umfangreichsten Teil der BEE-Maßnahmenvorschläge dar. Die Vorschläge betreffen die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG), die Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW), die Weiterentwicklung des KWK-Gesetzes, sowie die Weiterentwicklung der Bundesförderung Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW). Es geht dabei u.a. um die Beendigung der Förderung von fossilen Wärmeträgern und Wärmetechniken, die Abschaffung des Hausbankprinzips, bessere Abstimmung verschiedener Fördermaßnahmen und Vermeidung von Förderlücken, bessere Unterstützung geothermischer Wärmeprojekte und vieles mehr. Kritisch zu sehen ist allein die Forderung nach "Aufnahme von Wärme aus Biomasse (Holz, Biogas) in den EE-Wärme-Bonus"; hier sollte besser „Wärme aus nachhaltiger Biomasse“ stehen.
Sehr kurz gehalten ist hingegen „4. Beseitigung von Hemmnissen zur Bereitstellung von Flächen“. Dieser Themenkreis besteht praktisch nur aus einem Punkt, nämlich dass Freiflächen-Solarthermie und Geothermie ebenso wie heute schon die Windkraft gemäß Baugesetzbuch (BauGB) § 35 „Bauen im Außenbereich“ privilegiert werden. Diese Forderung hätte der BEE auch auf den Bau von Wärmespeichern ausdehnen können, denn ohne Speicher, wie sie ja auch bei den fossilen Wärmeträgern üblich sind, wird eine Wärmewende nicht gelingen.
Themenbereich „5. Förderung der Ausbildung des Handwerks für die Wärmewende“ fordert, ebenfalls sehr kurz gehalten, eine verstärkte finanzielle Förderung der Handwerker-Aus- und Weiterbildung in der Sanitär-Heizung-Klima-Branche und dass die Ausbildungsordnungen im SHK-Handwerk im Hinblick auf die modernen Wärmeerzeugungs-Anlagen wie Solarthermie, Biomassekessel und Wärmepumpen ausgerichtet werden.
Fazit
Insgesamt dürfte dieses Paket an vorgeschlagenen Maßnahmen sowohl für die Ampelkoalition akzeptabel als auch für die Wärmewende wirkungsvoll sein. Allerdings werden sich sicherlich nicht alle sinnvollen Forderungen im politischen Prozess umsetzen lassen. Dennoch, oder: gerade deshalb ist es richtig, einen so umfangreichen Strauß an Maßnahmen zu präsentieren. Denn er zeigt nicht nur, was getan werden kann, sondern auch auf wie vielen Themengebieten jetzt dringend etwas getan werden muss. 16 Jahre Merkelismus (das Vortäuschen von Klimaschutz und Energiewende) in diesem Land haben die Erneuerbaren Energien schwer beschädigt, ausgebremst, und viele Chancen vorbeigehen lassen. Es ist kaum zu glauben, aber während wir heute dringend die Geothermie für die Wärmewende ausbauen müssen, hat man noch 2015 in Mecklenburg-Vorpommern viele Wärmebohrungen aus DDR-Zeiten aufwändig mit klimaschädlichem Beton zugeschüttet. Die Regierung in Mecklenburg-Vorpommern stellte damals übrigens eine Koalition aus SPD und CDU unter Ministerpräsident Erwin Sellering – der selbe Herr, der als Stiftungsvorstand der ominösen „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ seiner Ministerpräsidenten-Nachfolgerin, „der Großherzogin“ half, die russische Gaspipeline „Nord Stream 2“ fertigzustellen. Merkelismus gibt es halt nicht nur in der CDU.