03.08.2018
Jetzt ein Elektro-Auto kaufen?
Die Rahmenbedingungen für Elektrofahrzeuge verbessern sich stetig. Aber ist jetzt der richtige Zeitpunkt, ein E-Auto zu kaufen? Ein Überblick.
Auswahl der Fahrzeuge
Inzwischen ist eine gewisse Vielfalt an Fahrzeugen verfügbar, die sich auch dynamisch verändert. Insbesondere kleinere Hersteller kündigen in diesen Monaten neue Modelle an. Eine kleine Übersicht hat kürzlich die DGS Franken erstellt, diese steht hier zum Download bereit.
Ein Aspekt bei der Auswahl des Fahrzeugs ist nicht nur die Technik und der Preis, sondern vielfach auch die aktuelle Lieferzeit. Nach aktueller Recherche der Zeitschrift Edison beträgt die Lieferzeit des Elektro-Smart und des Hyundai Ioniq derzeit 12 Monate, beim Nissan Leaf sind es 10 Monate. Das Problem ist nicht nur die Wartezeit, sondern es lauert auch eine Gefahr für die Förderung: Wird die Umweltprämie für den Kauf beantragt, muss das Auto innerhalb 9 Monaten nach Antragstellung zugelassen werden, drei Monate werden noch kulant verlängert, wenn der Hersteller verspätet liefert. Es kann also knapp werden, zumal die Hersteller in den Kaufverträgen keinen festen Liefertermin zusagen. Der e-Golf hat nach Angaben von Edison im Moment eine Lieferzeit von sieben Monaten. Das klingt gut, gilt aber ab Bestellung. Und eine Bestellung ist erst Anfang 2019 wieder möglich! VW hat vor 14 Tagen gemeldet, dass die Produktion des e-Golf hochgefahren wird: von 120 auf 160 Fahrzeuge pro Tag. Zum Vergleich: rund 2.500 Benziner-Golfs laufen bei VW pro Tag vom Band.
Seit einigen Wochen ist der Jaguar i-Pace bereits bestellbar, ein vollelektrisches Oberklassefahrzeug, das extrem schnell entwickelt und auf den Markt gebracht wurde. In München sind bereits zehn dieser Wagen als Taxis unterwegs. Noch immer fehlen die Fahrzeuge der großen deutschen Hersteller. Außer BMW, die mit dem i8 als Sportwagen und dem i3 bereits seit Jahren erfolgreich elektrisch unterwegs sind. Mercedes stellt seinen Serien-EQC im September in Stockholm vor, Audi den ersten e-tron kurz danach in San Francisco. Der Audi soll sofort bestellbar sein und wird Anfang 2019 ausgeliefert. Im kommenden Jahr werden auch die ersten an Kunden ausgelieferten Tesla-Model-3-Fahrzeuge auf deutschen Straßen erwartet. Dieses Modell hat sich in den USA im Juli an die Spitze der verkaufen Klein- und Mittelklassewagen gesetzt. Porsches Mission e, der jetzt Taycan heißt, wird auf Messen schon präsentiert, wird aber auch erst ab 2019 produziert. Der Taycan ist mit einem 800-Volt-System ausgestattet, was ihm erlaubt an Schnelladestationen in kurzer Zeit große Strommengen aufzutanken.
Lademöglichkeiten
Die meisten Fahrzeuge, die auf der Kurzstrecke bewegt werden, kennen kein Ladeproblem, wenn zuhause in der Garage eine Wallbox wartet, mit der das Fahrzeug über Nacht geladen werden kann. Schwieriger ist es derzeit noch in Mietsgebäuden, wo die Installation an miet- und baurechtlichen Schwierigkeiten scheitern kann. Für die Langstrecke wird europaweit die Ladeinfrastruktur – zum Teil mit staatlicher Förderung – deutlich ausgebaut. Aktuelle Beispiele sind die EnBW (100 Ladestellen an OMV-Tankstellen bis Ende 2019), Ionity oder die niederländische Fastned, die erste 350 kW-Lader an der A3 bei Limburg installiert hat. Von Tesla gibt es inzwischen weltweit über 10.000 Super-Charger an über 1.300 Standorten. Auch Flotten werden versorgt: So hat Innogy bereits 1.500 Ladepunkte an 22 Werksstandorten von Daimler aufgebaut. Der Trend geht insbesondere an den Autobahnen zu Schnelladepunkten, bei denen die Fahrzeuge in möglichst kurzer Zeit getankt werden können. Außerdem stehen diese Säulen dann auch für Elektro-LKW mit viel größeren Akkus zur Verfügung.
Im Ladesäulenregister des BDEW unter www.ladesaeulenregister.de sind inzwischen 13.500 öffentliche und teilöffentliche Ladepunkte verzeichnet, 25 % mehr als noch vor einem Jahr. Zum Vergleich: Im Koalitionsvertrag ist ein Ausbau auf bundesweit 100.000 Ladepunkte bis 2020 vereinbart. Hier gibt es also noch zu tun, aber der Ausbau erfolgt in großen Schritten.
Markt
Im 1. Halbjahr 2018 wurden 17.000 Elektroautos in Deutschland neu zugelassen, der Marktanteil wächst, beträgt aber noch immer magere 0,9 %. Zum Vergleich: In China waren es im gleichen Zeitraum 412.000 elektrisch betriebene Fahrzeuge, China und Norwegen bleiben die weltweiten Markttreiber.
Steuerliche Förderung
Am Mittwoch dieser Woche hat das Bundeskabinett in Berlin eine Änderung der steuerlichen Förderung von Dienstwagen beschlossen, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurde und der Elektromobilität Auftrieb geben soll: Bisher müssen Arbeitnehmer, die Ihren Firmenwagen privat nutzen, jeden Monat ein Prozent des Listenpreises als geldwerten Vorteil versteuern. Dieser Satz wird nun ab 01.01.19 für Elektro- und Hybridfahrzeuge von 1 % auf 0,5% halbiert. Die Steuermindereinnahmen werden auf rund knapp 2 Mrd. Euro geschätzt, der Bundesrat muss noch zustimmen.
Die Kommentierungen dieser Maßnahme lies nicht lange auf sich warten: Die Grünen bemängelten die einseitige Subvention der Autoindustrie und forderte eine Ausweitung auf Dienst-E-Bikes, um eine Gleichbehandlung darzustellen. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) kritisierte die Förderung, die auch für spritfressende SUV gilt, sofern ein kleiner Elektromotor eingebaut ist, jedoch nicht für Diensträder. Der VCD betont auch, dass erwiesenermaßen Plug-In-Hybride als Dienstwagen im Alltag überwiegend mit Verbrenner- und ohne Elektroantrieb genutzt werden. Angestellte haben wenig Anreiz elektrisch zu fahren, weil viele Firmen Tankkarten ausgeben, mit der sie auf Kosten des Unternehmens Sprit tanken dürfen. Laden an der Wallbox des Nutzers zu Hause würde dagegen zu seinen Lasten gehen.
Die Präsidentin des BEE, Dr. Simone Peter, forderte umgehend auf Twitter eine umfassende E-Mobilitätsstrategie ein, die auch die Förderung von Dienst-Pedelecs, Kaufanreize für private E-Fahrzeuge und ein Zulassungsverbot von fossil betriebenen Fahrzeugen ab 2030 umfasst.
Auch die dena forderte als Reaktion eine umfassende Energiewende im Verkehr ein und betont, diese müsse eine technologieoffene Besteuerung von Dienstwagen enthalten, die sich am CO2-Ausstoß orientiert.
Spaß
Wer es schon einmal getestet hat, weiß: Elektrisch fahren ist beim ersten Mal ungewohnt, macht aber sehr viel Spaß. Für 90 % aller Fahrten sind auch keine Gedanken über die Reichweite nötig. Wer zuerst einmal schnuppern will, dem seien die Angebote von Car-Sharern wie Stadtmobil oder Flinkster (Tochter der Deutschen Bahn) empfohlen. Diese bieten an einigen Standorten auch Elektrofahrzeuge an, die genauso einfach wie Benziner gebucht werden können. Mehr noch: Vor Abfahrt zuhause kann auf der Website sogar der aktuelle Ladestand abgerufen werden, so dass sichergestellt ist, dass die gebuchte Fahrt nicht unterbrochen werden muss.
Eigenverbrauch
Ideal ist die Elektromobilität, wenn sie mit Solarstrom vom eigenen Dach betrieben wird. Wird das Fahrzeug nicht tagsüber zum Pendeln zur Arbeit genutzt, kann an sonnigen Tagen der Strom von Dach direkt in die Fahrzeugbatterie geleitet werden. Einige PV-Anbieter bieten Pakete mit PV-Anlage, Batteriespeicher und Wallbox an, die mit einer gemeinsamen Steuerung den Strom dann optimal ausnutzen.
Fazit
Ein wenig ist die Abwägung wie beim Computerkauf: Kaufe ich jetzt, gibt es vielleicht in einem halben Jahr ein besseres und günstiges Gerät. Kaufe ich nicht, habe ich jetzt keinen guten Computer zur Verfügung. Sowohl Fahrzeugauswahl als auch Lademöglichkeiten und weitere Randbedingungen haben sich in der letzten Zeit deutlich verbessert. Darum ist jetzt schon ein guter Zeitpunkt, um über ein Elektroauto nachzudenken. Auch wenn die Lieferzeiten derzeit mehr als unbefriedigend sind.
Und: Jedes Elektroauto mehr auf der Straße ist ein weiterer Schritt zur notwendigen Verkehrswende.
Jörg Sutter