03.06.2022
Die Antarktis im Fokus: „Ein dem Frieden und der Wissenschaft gewidmetes Naturreservat“
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
In Berlin fand diese Woche nicht nur das G7-Treffen statt, sondern auch die Konsultativtagung zum Antarktis-Vertrag. Worum geht es dabei und welche Themen liegen auf den Tisch?
Über die Antarktis-Konferenz, das Antarctic Treaty Consultative Meeting (ATCM), wurde bisher wenig berichtet. Teilnehmer dieses Treffens, das vierundvierzigste seit Inkrafttretens des Antarktisvertrages am 23. Juni 1961, sind Vertreter:innen der inzwischen 54 Vertragsstaaten. 29 Staaten haben einen Konsultativstatus, auch Deutschland.
Das Vertragswerk erweiterte sich in den vergangenen Jahrzehnten und umfasst das Umweltschutzprotokoll (USP), das Übereinkommen zur Erhaltung der antarktischen Robben (Convention for the Conservation of Antarctic Seals) und das Übereinkommen über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources).
Die Antarktis-Konferenzen finden jedes Mal in einem anderen Gastgeberland statt. Anfangs trafen sich die Vertragsstaaten alle zwei Jahre, seit 1994 jährlich. Neben den stimmberechtigten Staaten nehmen an den Konferenzen auch Beobachter und eingeladene Fachleute teil.
Bei der Eröffnungsrede der Berliner Konferenz warnte Jennifer Morgan, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, dass aktuellen Projektionen zufolge das Schmelzen des antarktischen Eisschildes „substantiell zu einem Anstieg des Meeresspiegels beitragen wird“. Dadurch seien auch Küstengebiete in Europa betroffen, am meisten jedoch Küstenstädte in Asien, so die Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik.
Ein demilitarisierter und atomwaffenfreier Kontinent
Das Besondere am Antarktisvertrag ist, dass in diesem Übereinkommen festgelegt wurde, dass „alle Maßnahmen militärischer Art wie die Einrichtung militärischer Stützpunkte und Befestigungen, die Durchführung militärischer Manöver sowie die Erprobung von Waffen jeder Art verboten“ sind (siehe Artikel I). Auch „Kernexplosionen und die Beseitigung radioaktiven Abfalls sind in der Antarktis verboten“ (Artikel V). Die zwölf Unterzeichnerstaaten – Argentinien, Australien, Belgien, Chile, Frankreich, Japan, Neuseeland, Norwegen, Südafrika, die UdSSR, Großbritannien und die USA – beschlossen, das ökologische Gleichgewicht am Südpol zu bewahren und wissenschaftliche Forschung zu unterstützen. Der Vertrag wurde in Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch verfasst. Dank des Vertragswerkes ist der Kontinent auch nach 61 Jahren demilitarisiert und atomwaffenfrei geblieben.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sind derzeit über 40 Forschungsstationen in der Antarktis ganzjährig besetzt. Die Polarforschung helfe historische Klimaveränderungen zu verstehen und Prognosen über den künftigen Klimawandel zu verbessern. Außerdem dienen die Forschungsergebnisse „als Grundlage für die politische Entscheidungsvorfindung und damit auch für den Umweltschutz auf dem Kontinent“.
Ein Umweltschutzprotokoll für eine ökologisch fragile Region
Auch in der Antarktis wird es deutlich: Staatssekretärin Morgan wies in der anfangs erwähnten Rede auf einen Temperaturanstieg in der dritten Märzwoche in Forschungsstationen in der Ost-Antarktis auf bis zu 40 °C. Dennoch ist diese Region derzeit noch nicht so stark von Klimaveränderungen betroffen wie die Arktis. „Ohne die Antarktis würde weltweit ein völlig anderes Klima herrschen“, fasst die Tagesschau die stabilisierende Wirkung auf das Weltklima zusammen – die eisige Kälte bringt die Luftmassen und die Ozeane in Bewegung.
Im Umweltschutzprotokoll, Anfang der 1990er Jahre unterzeichnet, haben sich die Vertragsparteien „zum umfassenden Schutz der antarktischen Umwelt sowie der abhängigen und verbundenen Ökosysteme“ verpflichtet und bezeichnen die Antarktis als „ein dem Frieden und der Wissenschaft gewidmetes Naturreservat“. Als das Protokoll in Kraft getreten ist, wurde der Ausschuss für Umweltschutz (Committee on Environmental Protection) gegründet. Dieses Gremium berät die Vertragsstaaten in Umweltfragen in der Antarktis und hat für die ATCM die Beschlüsse mit Umweltbezug vorbereitet.
Aktuelle Debatte
Auf der Tagesordnung der diesjährigen Antarktis-Konferenz – Titel „From Science via Policy to Protection“ – standen Schutzgebiete zum Erhalt des Ökosystems, eine Verbesserung des Schutzes von Kaiserpinguinen und die erlaubte touristische Nutzung.
Die Organisation Unless startete eine mediale Kampagne („Speak up for Antarctica now“), um auf das fragile antarktische Ökosystem und die Notwendigkeit von effektivem Meeresschutz aufmerksam zu machen und Menschen für die Mitzeichnung von drei Petitionen zu gewinnen. Dabei geht es um den Vorschlag große Meeresschutzgebiete in der Ostantarktis, im Weddellmeer und auf der Antarktischen Halbinsel zu schaffen, ein verbindliches Verbot einer Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen – vor dem Hintergrund, dass das Umweltschutzprotokoll nach 2048 angefochten werden könnte – und eine gemeinsame Nutzung der Forschungsstationen. Im Weddellmeers entdeckte ein Forschungsteam Anfang dieses Jahres das bislang weltweit größte bekannte Fischbrutgebiet.
Bei Redaktionsschluss waren die auf der Antarktis-Konferenz getroffenen Beschlüsse noch nicht bekannt, darüber werden wir zu einem späteren Zeitpunkt berichten.