03.04.2020
So viel Nachhaltigkeit war noch nie: Online-Kongress Climate2020
Climate2020: Bei diesem Kongress konnte man acht Tage lang rund um die Uhr Strategien und Ideen für „ein besseres Management des Klimawandels und seiner Auswirkungen“ lernen und diskutieren. Und dafür mussten die 2.932 registrierten Teilnehmenden aus 155 Ländern weder den Fuß vor die Tür setzen noch nach Nairobi, Bangkok oder Lissabon jetten. Denn Climate2020 lief rein online ab. Was bedeutet: So viel Nachhaltigkeit war wohl noch nie bei einer internationalen Klimakonferenz.
Nein, es war nicht die erste, sondern bereits die siebte Online-Klimakonferenz, die das Forschungs- und Transferzentrum Nachhaltigkeit und Klimamanagement (FTZ-NK) der HAW Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg ausgerichtet hat.
Franziska Wolf, die Stellvertretende Leiterin des FTZ-NK erinnert sich, wie es zur ersten kam: „Mein Chef, Professor Walter Leal, der sprüht nur so vor Ideen. Er erreichte mich beim Joggen am Handy und sagte: Ist es nicht verrückt, dass 10.000 Leute zu einer Klimakonferenz nach Bali fliegen?“ Doch auch Online sei die Organisation ziemlich aufwändig. Deshalb finden die Konferenzen auch nicht jährlich statt. „Aber die Vorbereitung ist immer eine phantastische Zeit“, strahlt Franziska Wolf förmlich durchs Telefon. Sie erwartet eine Fortsetzung der Reihe „in zwei oder drei Jahren“.
FTZ-NK-Leiter Prof. Leal hatte Climate2020 angekündigt als „die Möglichkeit, Wissen ohne Einschränkungen für all jene zu verbreiten, die mehr über den Klimawandel und seine Auswirkungen erfahren wollen.“ Und wie erwähnt: Fast 3.000 Menschen nutzten diesmal „das innovative Open-Access-Format“ (Leal), nahmen teil, konsumierten und diskutierten.
Sechs Fachforen, „Categories“ (Cat.) genannt, gab es diesmal.
- In „Cat. 1 Resilience an Capacity Building“ ging es darum, wie Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit gestärkt werden können, um klimabedingten Gefahren und Naturkatastrophen von heute und morgen entgegenzuwirken.
Mit einer Art Brettspiel will Pedro Macedo von der Uni Lissabon (Portugal) „Städte im Wandel“ nachhaltig und widerstandsfähig zugleich machen. „Navigation durch Minderung und Anpassung“, war der Titel, unter dem er seine Simulation präsentierte. Damit könne man Nachhaltigkeitsübergänge zeigen, die durch das Zusammenspiel zwischen lokalen Regierungen und der Zivilgesellschaft entstehen. Macedo ist überzeugt: Werden bestehende (Verwaltungs-)Praktiken in Frage gestellt, „dann kann dies als Hebel für eine umfassendere soziale Transformation dienen“. Doch noch müsse „dieses systemische Instrument weiter getestet und verfeinert sowie nach Möglichkeiten gesucht werden, es in globale Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu integrieren“, gab der Autor zu. Aber er war zuversichtlich, dass dies gelingt. - „Cat. 2 Intelligent Climate Policy & Governance“ beschäftigte sich mit der Frage: Wie lassen sich Maßnahmen zur Eindämmung und Anpassung der Auswirkungen des Klimawandels in nationale Politik, Strategien und Planungsprozesse integrieren? Die nächste Stufe also, die Länderebene.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf den Energiesektor aus, und welche Rolle kann künstliche Intelligenz (KI) dabei spielen? Diesen komplexen Zusammenhang haben drei Wissenschaftler aus Ghana am Beispiel ihres afrikanischen Heimatlandes erforscht. Etwas einfacher haben es sicher zwei ihrer Kollegen aus Nigeria gehabt. Sie haben nämlich festgestellt: Die Regierung müsse endlich die Subventionen für Ölprodukte streichen, dann werde in dem westafrikanischen Land weniger CO2 in die Luft geblasen.
- In „Cat. 3 - Education, Awareness and Adaptation“ wurde besprochen: Wie können durch bessere Bildungsprogramme das Bewusstsein geschärft und die Anpassungsfähigkeit von Menschen und Institutionen gefördert werden, um so den Klimawandel stärker zu bekämpfen und die CO2-Emissionen weiter zu reduzieren.
Einen nur auf den Blick irritierenden Ansatz haben vier – wiederum aus Nigeria stammende – Hochschullehrer und ein Musiker des Landes präsentiert: „Die innovative Nutzung von Dichtkunst in der Klimaschutz-Bildung, damit in Afrika Nachhaltigkeit vorankommt.“ Klimakatastrophe: Das Wort präge die Nachrichten; stehe auf der Tagesordnung von Führungskräften, Forschern und Wissenschaftlern auf der ganzen Welt. Aber was bedeute das Wort wirklich? Und wie genau verändern Menschen das Erdklima? Das Gedicht „Unser Klima, unsere Gesundheit“ von Benjamin Anabaraonye habe bereits „die politischen Entscheidungsträger und die Gesellschaft für das Verständnis der Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit sensibilisiert“, so die Autoren. Ihre Studie habe „Poesie als wertvolles Instrument identifiziert, mit dem Gemeinden und Institutionen in Afrika über die Auswirkungen des Klimawandels und Möglichkeiten auf dem Weg zur globalen Nachhaltigkeit aufgeklärt werden können. Poesie hat eine einzigartige Art, Emotionen, Ideen und Erfahrungen auszudrücken, die für den menschlichen Geist so ansprechend und attraktiv ist.“ Denn Gedichte böten „wichtige psychologische, therapeutische und entwicklungspolitische Vorteile“ gegenüber vielen anderen Bildungsangeboten.
- In „Cat. 5 - Climate Planning, Small Islands and Developing Countries“ drehte sich alles um den Umgang kleiner Inseln und Entwicklungsländer mit intelligenter Klimaplanung. Wie kann eine effektivere klimabezogene Planung und ein wirksameres Management des Klimawandels in solchen Regionen erreicht werden? Und wie können hierbei Frauen, junge Menschen und Rand-Bevölkerungsgruppen stärker unterstützt werden?
So haben die Australier Tony Weir und Mahendra Kumar nachgewiesen: Mehr Erneuerbare Energien auf Inseln im Pazifik, auf den Fijis zum Beispiel, können deren Widerstandsfähigkeit gegen Naturkatastrophen und wirtschaftliche Einbrüche verbessern. Denn der Bedarf an teuren Kraftstoffimporten sinke, die dezentrale Stromerzeugung verringere die Anfälligkeit der Versorgung bei Unwettern. Doch die Autoren machen auch klar: Die Handlungsbereitschaft hin zu Erneuerbaren hängt auf solchen Inseln stark von externen Finanzmitteln ab.
- Bei „Cat. 6 - Special Session on Biodiversity“ stand der Klimawandel als Bedrohung für die biologische Vielfalt im Mittelpunkt. Wie sieht man, dass der Klimawandel sich bereits negativ auf die biologische Vielfalt oder gar auf das Wohlbefinden des Menschen auswirkt?
Martin Nganje und Larwanou Mahamane aus Niger haben sich mit der Frage beschäftigt: Wie kann man den Wald in Afrika an die menschgemachten Klimaveränderungen anpassen? Es sei zwar immer noch möglich, entsprechende forstbezogene Anpassungsinitiativen zu entwickeln. Doch fürchten sie: Armut, mangelndes Fachwissen und unzureichende Erfahrung der afrikanischen Institutionen könnten das verhindern.
- Doch genau zur „Cat. 4 - Climate Finance and Access to Funding“ gab es die wenigsten Vorträge, gerade mal vier. Ob ein CO2-Handelssystem in Malaysia etwas für das Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung brächte, fragten beispielsweise vier WissenschaftlerInnen aus Kuala Lumpur.
Also nur wenige Ideen um die Gretchenfrage: Wie können Initiativen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Vermeidung von CO2-Emissionen glaubwürdig und nachhaltig finanziert werden? Und: Welche Rollen können globale Finanzierungsmechanismen wie der Green Climate Fund dabei spielen?
Nein! Denn darüber wurde umso stärker live diskutiert: „Die Webinare in Cat. 4 waren die gefragtesten“, haben die Analysen der Veranstalter ergeben. „Die Vorträge und Webinare haben sich also gut ergänzt“, findet Franziska Wolf.
PS: Wer die Informationen der kostenlosen Konferenz nutzen will, aber nicht angemeldet war, hat Glück gehabt: Nachträgliche Registrierung ist hier möglich.