02.12.2022
Wie weit ist es mit den Smart-Metern?
Eine Studiendurchsicht von Jörg Sutter
Am 12. März 2021 haben wir hier in den DGS-News über den Stopp des Smart-Meter-Rollouts berichtet, der vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen per Eilentscheidung getroffen wurde. Danach wurden zwar weitere Smart-Meter aufgebaut, aber insgesamt ist es recht ruhig geworden um die Frage, wie schnell wir denn die Digitalisierung der Energiewende umsetzen. Zeit, um das Thema mal wieder anzusehen.
„Die Energiewende kann nur mithilfe digitaler Technologien bewältigt werden“, so die BDEW-Vorsitzende Kerstin Andreae im August dieses Jahres, als die Bundesregierung eine neue Digitalisierungsstrategie formulierte. Ihre Forderung: „Nun ist es jedoch wichtig, dass konkrete Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele erarbeitet und umgesetzt werden“. Und, hat sich jetzt beim Smart-Meter-Rollout schon was getan? Eine aktuell veröffentlichte Studie ging dieser Frage nach. Die Studie wurde als Ariadne-Papier im Rahmen der Kopernikus-Projekte erstellt, mit denen das BMBF Energieforschungsprojekte in Deutschland umsetzt. Autor der Studie ist Jonathan Bergsträßer vom Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik aus Kassel.
0,057 Prozent bei uns
Zu Beginn der Studie zeigt der Autor den aktuellen Stand: Rund 80 % der Verbrauchsmessungen hätten nach Zielplanung einer EU-Richtlinie von 2009 bis Ende 2020 mit intelligenten Messsystemen erreicht werden sollen. Doch die Realität in Deutschland waren zum 31.12.2020 nur 0,057 Prozent.
Die Gründe sind bekanntermaßen vielfältig, aber ein Hauptunterschied zwischen Deutschland und anderen europäischen Ländern, die bereits deutlich weiter sind, wird klar benannt: Während andere Länder den Smart-Meter nur zur Auslesung der Leistungs- und Energiewerte (und damit z.B. zur automatisierten Erstellung von Abrechnungen) nutzen, musste bei uns auch die Kommunikation in die Gegenrichtung gleich mit integriert werden – und damit begann erst das richtige Problem des Datenschutzes, der Sicherheit und der Hackergefahr.
Und: Nach wie vor untersucht Bitcom e.V. im Jahrestakt, ob die Bereitschaft in der Bevölkerung vorhanden ist, solche Systeme zu nutzen. Und hier sagt nun ein Drittel der Befragten, dass sie das nicht einmal kennen und mit der Abkürzung „Imsys“ (für intelligentes Messsystem) nichts anfangen können. Das ist gelinde gesagt eine Katastrophe, zumindest wenn das frühere Ziel, bis 2031 95% der Zähler in Deutschland getauscht zu haben, noch erreicht werden soll.
Portugal: 66 Prozent schon erledigt
Andere Länder sind deswegen schon weiter, haben das Ziel schon in Sichtweite. So zum Beispiel Portugal, das Ende 2021 schon eine 66%-Quote an Smart-Metern vorweisen konnte und bis Ende 2024 alle Zähler umgebaut haben möchte. Das ist in ziemlich genau zwei Jahren, da ist das Umrüstungsprojekt in Portugal einfach schon beendet und nicht erst zaghaft begonnen. Detailinfos dazu (auf Portugiesisch) gibt es hier, aktuell sind vier Millionen Smart-Meter dort verbaut, davon auch über frei Millionen bereits funktionsfähig für Fernauslesung etc. an Gateways angeschlossen.
Dass das Energiesystem empfindlich bezüglich der Kommunikation ist, konnte im März dieses Jahres beobachtet werden: Parallel zum russischen Einmarsch in die Ukraine fiel das Satellitensystem Viasat KASAT aus. Die Konsequenz: Bei 11 Gigawatt Windkraftleistung in Deutschland fiel die Fernüberwachung aus. Solche Gefahren oder gar Angriffe durch Hacker müssen natürlich unbedingt verhindert werden. Aber vor allem diese Sicherheitsanforderungen sind es, die die Zulassung von Smart-Metern so schwierig und den Prozess der Markteinführung so kompliziert machen.
Und dann kommt das auch noch nicht gelöste Problem, dass die Geräte heute noch zu wenig Nutzen für die Kunden haben und gänzlich das Verständnis fehlt, wenn zwar die höheren Preise der intelligenten Messysteme nach Einbau aufgerufen werden, jedoch die Intelligenz dann nicht vorhanden ist. Anbindung von PV-Anlagen? Derzeit formal noch nicht freigegeben. Ansteuerung einer Wallbox? Derzeit noch nicht machbar, dazu braucht es eine Steuerbox, für diese Box fehlt aber eine technische Richtlinie des BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik). Teil 5 der Richtlinie (siehe Tabelle) wäre dafür notwendig, dazu auch die passende Testspezifikation, doch beides gibt es noch nicht. Das frustet Entwickler und Anwender gleichermaßen.
Und seit klar ist, dass die Gateways zukünftig zur digitalen Wunderwaffe entwickelt werden sollen und dann für ganz viele Anwendungsmöglichkeiten bereitstehen sollen, richtet sich auch immer mehr der Blick auf die Kommunikation, sprich die Datenanbindung der Geräte. Wenn damit Ladestationen gesteuert und PV-Strom direktvermarktet werden soll, müssen hohe Datenmengen sicher ausgetauscht werden können.
Klappt der Datenzugriff?
Auch das ist noch eine Baustelle, weil die Geräte derzeit hauptsächlich das Mobilfunknetz nutzen und dabei zwei Probleme auftreten: Zum einen ist dieses Netz in vielen Gegenden noch immer nicht verfügbar (oder nur mit schlechten Geschwindigkeiten), und in vielen Kellern meldet ein Modem dann „keinen Empfang“. Weiterhin sind hier auch die Datenübertragungen weder stabil noch besonders geschützt. Auch hier wird aktuell an einer Lösung gearbeitet: Der neue Ausbau der 450 MHz-Funktechnik soll das zukünftig richten. Diese Technik wird derzeit auch mit der Maßgabe aufgebaut, dass dieses System im Falle von lokalen Stromausfällen 72 Stunden weiterarbeitet.
Und weiter?
Wie geht es nun weiter mit den vielen Baustellen? Das BMWK hat für Ende 2022 eine Änderung des Messstellenbetriebsgesetzes angekündigt. Der Schwerpunkt soll dabei auf einer Vereinfachung des ganzen Prozesses liegen, dank dem inzwischen ja bereits einige Zählerhersteller das Thema entnervt aufgegeben hatten. Wer hier als Hersteller 2016 euphorisch gestartet ist, kann heute – viele 100.000 Euro Entwicklungskosten später – nur gequält grinsen. Verdient werden kann beim aktuellen Rollout nichts.
Doch auch wenn der Prozess verschlankt und beschleunigt wird und der Rollout dann Fahrt aufnehmen soll – wer soll das alles umsetzen? Der Fachkräftemangel im Elektrobereich wird auch hier die rasche Erfolgsmeldung einer Beschleunigung verhindern. Wir vermuten, wir werden in eineinhalb Jahren nicht viel weiter in der Umsetzung sein als heute.
Die Studie kann hier als pdf kostenlos bezogen werden.
