02.10.2020
VKU und BDI - nicht im Einklang
Eine Kongressanalyse von Heinz Wraneschitz
Wie schafft man den Spagat zwischen "wirtschaftlichem Neustart nach der Corona-Krise" und "den ehrgeizigen Klimaschutzzielen der EU-Kommission und der Bundesregierung"? Die Antwort darauf blieb der Klimakongress des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) dieser Tage weitgehend schuldig.
Dagegen lieferte der "Kessel Buntes" wesentlich konkretere Inhalte: So fasste ein Kommentator den Stadtwerkekongress des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) zusammen. Der hatte einen Tag zuvor stattgefunden, genauso wie der des BDI Großteils mit Online-Besuchern.
Vielleicht lag es daran, dass der VKU die RBB-Journalistin Astrid Frohloff als Moderatorin verpflichtet hatte. Denn sie entlockte zum Beispiel Harald Jahnke, dem Geschäftsführer der Stadtwerke Prenzlau so ehrliche Sätze wie: "Energiewende kostet nicht nur eine Kugel Eis, wie es ein Politiker einmal gesagt hat. Denn wir müssen die Netze ausbauen und die Preise an die Kunden weitergeben. Eine undankbare Aufgabe, die die Politik nicht so wiedergibt."
Oder von Dirk Sasson, dem Geschäftsführer der Stadtwerke Schwedt, der voraussah, was bei weiter steigenden Strompreisen passiert: "Wir werden die Buhmänner sein, weil wir das verkünden müssen. Aber das ist politisch gewollt. Es war also viel Kritik an den verantwortlichen Bundes- und Landes-Politikern zu hören beim VKU-Kongress. Zumal diese eher Plattitüden denn konkrete Ideen beisteuerten. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zum Beispiel lobte per Videobotschaft die Stadtwerke zwar dafür, dass sie "Energieversorgung aus einer Hand" böten und "zur Energiewende entscheidend beitragen". Aber wie er konkret "das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mehr an bestehende Strukturen anpassen" will, das sagte er nicht. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sprach von "Daseinsvorsorge" durch die Kommunalunternehmen. "Wir verlassen uns auf die Kommunalwirtschaft. Jeden Tag. Danke und machen Sie weiter so." Ende der Einspielung. Bundesinfrastrukturminister Andreas Scheuer war zwar persönlich dabei, beließ es aber ebenfalls bei Allgemeinplätzen. Scheuer: "Wir müssen jetzt das Vertrauen zurückgewinnen in den öffentlichen Verkehr. Bei E-Fahrzeugen müssen wir Flotten und Ladeinfrastruktur pushen." Und auch bei der digitalen Infrastruktur dürfe man nicht sparen.
Doch Ingbert Liebing, den Hauptgeschäftsführer des VKU konnte er damit nicht überzeugen: "Wir stehen zur Umsetzung bereit bei Energiewende und E-Mobilität. Schon jetzt gehört die Hälfte der Ladeinfrastruktur den Kommunalunternehmen. Doch selbst ein Dach über der E-Tankstelle muss baurechtlich genehmigt werden", prangerte er die bürokratischen Hemmnisse an.
Aber dafür ist Scheuer bekanntlich nicht zuständig, sondern für das "Autonome Fahren. Das macht uns zur Nr. 1 in der Welt." Die Frage nach dem Wann beantwortete er nicht. Und auch nicht, wie der "Gefahrenfaktor Mensch" (VKU-Feststellung) besser für die Gefahr durch Cyber-Kriminalität sensibilisiert werden kann: Die Bedrohung der Infrastruktur durch Kriminelle war ein ganz großes Thema beim VKU-Kongress. Auch das fällt in Scheuers Ressort-Zuständigkeit.
Die Stadtwerke setzen nicht zuvorderst auf das "Trendthema Wasserstoff", sondern investieren aktuell massiv in Erneuerbare Energien. Dirk Sassons eindeutige Meinung: "Der Hype "H2-Only" ist falsch. Es wird nicht nur diese Lösung für die Energiewende geben." Beim BDI-Klimakongress dagegen konnte man den Eindruck gewinnen: Dort gibt es fast kein wichtigeres Thema mehr als Wasserstoff.
BDI-Präsident Dieter Kempf war bemüht, nicht die Corona-Pandemie als Ausrede für mangelnde Klimaschutz-Anstrengungen gelten zu lassen. Doch die Schuld an der lahmenden Geschwindigkeit der Energiewende gab er vor allem den Bürger*innen: "Auch die Bevölkerung, die Gesellschaft muss ihren Teil einlösen." Doch wenn Privatleute belastet würden, "reagieren sie völlig anders, als was sie sonst behaupten", so Kempf.
Hildegard Müller, die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) ergab sich in Ausreden: Zwar würden sich die Hersteller zu den von der EU weiter verschärften Klimazielen bekennen. "Aber wenn EU-Kommissar Frans Timmermanns sagt, der Verbrennungsmotor hat keine Zukunft, dann ist das ein Widerspruch. Denn was ist in Osteuropa? Und auch kein anderer Kontinent geht diese Ziele mit."
Ohnehin sprachen Wirtschaftsmanager von Shell über Lufthansa, ThyssenKrupp, Daimler Truck bis Schaeffler lieber vom "Gamechanger Wasserstoff" als von Energiemanagement und Erneuerbaren Energien.
Auch von "Grünem Stahl" war viel die Rede: "Der wird gebraucht und muss aus Europa kommen. Außer, er wird anderswo grüner hergestellt als hier", lobte Tim Hartmann, Vorstandsvorsitzender von Dillinger und Saarstahl sich, sein Unternehmen und die hiesige Produktion über den Grünen Klee. Und, dass Grüner Stahl mit Grünem Wasserstoff künftig CO2-neutral hergestellt werden solle, war die Rede. Doch für die Elektrolyse dieses H2 reiche der Grüne Strom hierzulande wiederum nicht aus, war zu hören: Afrika beispielsweise müsse dafür herhalten.
Kritische Töne wie von Prof. Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung blieben dagegen die Seltenheit: "Ja, Europa allein schafft es nicht. Aber wir müssen nicht mit allen 194 Staaten der Welt kooperieren, sondern mit einigen in Südasien." Als Beispiel nannte er Bangladesch. Dort würden Kohlekraftwerke gebaut, finanziert mit Krediten, die acht Prozent Zinsen kosten. "So viel Ertrag ist mit Erneuerbaren Energien (EE) nicht zu erwirtschaften. Wenn wir aber einen Kredit für drei Prozent Zinsen anbieten mit der Vorgabe, in EE zu investieren, dann tun die das." Doch es gebe ein "Tabu: wir vergeben keine Kredite, die an Bedingungen geknüpft sind. Das muss weg!" Edenhofer forderte ein klares Umsteuern in der Entwicklungspolitik.
Weshalb Lisa Badum, Klimapolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Bundestag fast schon resigniert anmerkte: "Ich mache mir viele Sorgen." Womit sie nicht nur das Weltklima, sondern auch die deutsche Industrie meinte.