02.10.2020
Ü20 konkret - aktuelle Tipps für Anlagenbetreiber
Ein Praxistipp von Jörg Sutter
Der Oktober hat begonnen und das Jahresende rückt immer näher. Damit auch der Stichtag für rund 18.000 PV-Anlagenbetreiber in Deutschland, an dem letztmalig Strom erzeugt wird, der zum Preis der EEG-Vergütung bezahlt wird. Wie schon mehrfach in den vergangenen Monaten berichtet, stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten des Weiterbetriebs. An dieser Stelle sei nochmals auf diesen wichtigen Punkt hingewiesen: Für die betreffenden Anlagen endet nur die Vergütungszeit, die Anlagen bleiben trotzdem weiter den übrigen Regelungen des EEG unterworfen. Entscheidend ist daher, welche Möglichkeiten die derzeitige EEG-Novellierung bieten wird und ob sie rechtzeitig verabschiedet wird.
Angedachte Lösungsmöglichkeiten
Obwohl der Gesetzgeber seit 20 Jahren wusste, dass zu Ende 2020 für die ersten PV-Anlagen die Förderung ausläuft, hat er auch im aktuell gültigen EEG von 2017 noch keinerlei Vorkehrungen getroffen, um einen vernünftigen Weiterbetrieb zu regeln. Nach der aktuellen Gesetzeslage gibt es für die typische Altanlage, die 1 bis 2 kWp Leistung hat und seit 20 Jahren oder länger auf einem Einfamilienhaus liegt, mehrere Möglichkeiten:
- eine "einfach so"-Weitereinspeisung ist keine Option, da mit Auslaufen der Förderung auch die Zuständigkeit der Abnahme durch den Netzbetreiber endet. Wir haben daher in den letzten Monaten darauf hingewiesen, dass der Betreiber selbst aktiv werden muss.
- eine denkbare Möglichkeit war und ist der Umbau der Anlage von der vollen Netzeinspeisung auf eine Eigenversorgungsanlage, bei der der Strom zuerst im eigenen Haushalt verbraucht wird und nur Überschüsse noch ins Stromnetz geleitet werden.
- die Eigenversorgung kann hier noch optimiert werden, indem z.B. ein Batteriespeicher, ein Elektroauto oder andere Verbraucher tagsüber noch mehr vom eigenen Strom abnehmen.
- weiterhin steht im aktuellen EEG schon die Möglichkeit, Strom über einen Stromhändler zu vermarkten ("sonstige Direktvermarktung"). Doch diese Möglichkeit stellte sich bislang durch hohe technische Anforderungen und Kosten als sehr unwirtschaftlich dar.
Viele Betreiber von Ü20-Anlagen haben sich in den vergangenen Monaten bereits Gedanken gemacht, wie es mit ihrer Anlage weitergehen kann. Auch in Gesprächen mit uns oder unseren Experten des PVLOTSE-Beratungsprojektes (www.pvlotse.de) wurde deutlich: Viele Betreiber hatten die Umstellung der Anlage auf Eigenversorgung im Blick, um ab Anfang 2021 den Solarstrom vom eigenen Dach selbst nutzen zu können.
Möglichkeiten durch EEG-Novelle
Doch seit Mitte September wurden diese Gedanken teils über den Haufen geworfen, denn mit der geplanten EEG-Novelle werden wohl andere Möglichkeiten geschaffen:
Möglichkeit 1: Weiterbetrieb
Der Gesetzgeber will die Chance schaffen, Anlagen ohne technischen Umbau weiter in das öffentliche Stromnetz einspeisen zu lassen. Dabei wird dann der Abnehmer dem PV-Betreiber einen kleinen Obolus bezahlen: Die Höhe ist im Gesetzentwurf festgelegt, sie liegt in der Höhe des Marktpreis Solar (derzeit rund 3 Cent/kWh) abzüglich pauschalen Vermarktungskosten von 0,4 Cent pro Kilowattstunde. Diese Lösung klingt im ersten Moment verlockend (und ist sie teilweise auch). Denn es ist kein Umbau und keine technische Änderung der PV-Anlage notwendig. Gerade nachdem im August der Neuanlagenzubau wieder über 400 MW lag und die PV-Firmen und Elektriker in aller Regel gut ausgelastet sind, kann es sein, dass ein Umbau zum Jahresende organisatorisch gar nicht mehr umgesetzt werden kann.
Mit der Lösung der Weitereinspeisung kann also auch Zeit gewonnen werden. Im Gesetzentwurf ist zudem vorgesehen, dass der Betreiber - wenn er seine Anlage nicht aktiv anders vermarkten will - automatisch in diese Kategorie einsortiert wird und sich daher keine Gedanken machen muss.
Drei Haken hat diese Lösung: Zum einen ist damit (wenn vernünftig gerechnet wird) keine Wirtschaftlichkeit zu erzielen (siehe hier), zum andern ist es eben derzeit nur eine Lösung aus einem Gesetzentwurf, es ist noch nicht sicher, ob das Gesetz rechtzeitig verabschiedet wird, doch dazu weiter unten mehr. Und: Im Gesetzentwurf ist das als Übergangslösung betrachtet, die Regelung kann nur bis 2027, nicht länger in Anspruch genommen werden.
Möglichkeit 2: Eigenversorgung
Das Bundeswirtschaftsministerium ist kein Freund der Eigenversorgung, das wird auch im aktuellen EEG-Entwurf deutlich. Statt - wie eine entsprechende EU-Richtlinie vorgibt - die Eigenversorgung zu stärken und zu vereinfachen, sollen neue Steine in den Weg gelegt werden: Eigenversorgung soll nur möglich sein, wenn ein intelligentes Messsystem ("Smart Meter") eingebaut ist. Im Messstellenbetriebsgesetz (MSBG), das den kommenden Einbau der Digitalzähler regelt, ist das bislang nur hinab bis Anlagengrößen von 7 kWp vorgesehen. Das EEG will diese Grenze nun bis auf 1 kWp absenken.
Die Betreiber, die sich bisher für die Umrüstung auf Eigenversorgung interessiert haben, sind irritiert: Noch gibt es gar keine entsprechende Markterklärung, die Bedingung für den Roll-Out auch bei kleinen Einspeisern ist. Und auch die Kosten sind noch nicht geklärt, denn im MSBG endet die Grenze ja bei 7 kWp. Diese Verunsicherung soll wohl die Betreiber wider aller Vernunft von der Eigenversorgung abhalten. Entlarvt wird das vom BMWi selbst, prognostiziert das Ministerium doch selbst wegen den eigens geschriebenen komplizierten Regelungen für Eigenversorger einen erheblichen Zusatzaufwand bei der Clearingstelle EEG, von 6.000 Anfragen geht des BMWi aus und rechnet dafür mit Kosten von einer halben Million Euro.
Und auch wenn sich alle Fragen klären könnten: Dese Lösung ist im typischen Fall einer kleinen Anlage ebenso nicht wirtschaftlich (siehe hier). SmartMeter sind für kleine Anlagen einfach zu teuer.
Möglichkeit 3: vereinfachte Direktvermarktung
Auch die Direktvermarktung bekommt im neuen Gesetzentwurf eine Chance: Für Ü20-Anlagen wird eine vereinfachte Direktvermarktung definiert, die auf den Einbau teurer Zählertechnik und Regelungseinheiten verzichtet. Der Strom wird an einen Stromhändler verkauft und vergütet, der Unterschied zu Möglichkeit 1: Der Betreiber muss nicht an den lokalen Netzbetreiber liefern, sondern darf sich seinen Stromhändler aussuchen und hat die Chance, dabei eine höhere Vergütung und geringere Vermarktungskosten zu erzielen.
Siehe Link oben ist auch diese Möglichkeit noch unwirtschaftlich, aber eventuell wird es Stadtwerke und andere Direktvermarkter geben, die hier den Altanlagenbetreibern attraktive Angebot erstellen können, denn Vergütung und Preis sind hier nicht gesetzlich festgelegt. Bei vielen Stadtwerken sind Angebote in Vorbereitung, diese werden aber wohl erst veröffentlicht, wenn sichergestellt ist, dass die gesetzliche Grundlage dazu auch sicher kommt.
Stand des Verfahrens der EEG-Novelle
In der vergangenen Woche veröffentlichte das Wirtschaftsministerium nun einen (leicht veränderten) EEG-Entwurf, der jetzt in das parlamentarische Verfahren geht. Die DGS hat hier ausführlich zum Referentenentwurf Stellung bezogen. Von vielen Seiten werden hier noch Änderungen der aktuell vorgeschlagenen Regelungen erwartet. Unbedingt entfallen muss aus unserer Sicht die Pflicht zum SmartMeter für die kleinen Anlagen, auch die Pflicht zur Zahlung der EEG-Umlage für Anlagen kleiner 10 kWp muss wegfallen, beide Punkte helfen, den Weiterbetrieb auch attraktiv zu machen.
Zeitlich ist für Ende Oktober ist wohl die 1. Lesung im Bundestag vorgesehen, 2. und 3. Lesung könnten dann Ende November/Anfang Dezember erfolgen. Hält diese Zeitschiene und erfolgt auch rasch die nötige Freigabe der EU-Kommission, könnten die Regelungen zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Doch was tun, wenn das zeitlich nicht reicht?
Was können/sollen betroffene Betreiber aktuell tun?
Wir empfehlen den betroffenen Betreibern derzeit, nichts "über das Knie" zu brechen. Eine Reihe von Vorbereitungen kann und sollte aber schon erledigt werden:
a) Anlagencheck
Die DGS empfiehlt einen Anlagencheck. Viele alte PV-Anlagen sind in den vergangenen Jahren zwar meist störungsfrei gelaufen, haben aber selten eine Wartung oder eine Überprüfung durch einen Fachmann erfahren. Doch gerade bei sehr alten Anlagen ist wichtig zu erfahren, ob die Kabel nicht schon brüchig oder das Dach unter der Anlage marode ist und sich die Anlage daher eventuell gar nicht für einen langjährigen Weiterbetrieb eignet. Daher: Ein Angebot vom Errichter (oder einem anderen Fachmann) einholen und die Anlage überprüfen lassen. Für wenige Hundert Euro schafft das Sicherheit für die Zukunft. Und es kann als Geburtstagsgeschenk zum 20jährigen Ehrentag der Anlage betrachtet werden.
b) Optionen durchdenken
Machen Sie sich Gedanken zu den verschiedenen Möglichkeiten: Ist die Eigenversorgung mit meiner Anlage vernünftig? Für die Erhöhung des Eigenverbrauchs mittels eines Batteriespeichers sollte auch Geld zur Verfügung sein, auch das kann jetzt schon mit im Familienrat abgeklärt werden.
c) Angebote einholen
Fragen Sie beim Errichter oder dem lokalen Elektriker nach einem Angebot für den Umbau auf Eigenversorgung oder die Anschaffung eines Speichers. Diverse Speicheranbieter bieten Batterien zusammen im Paket mit Reststromlieferung und Abnahme des Solarstroms an. Fragen Sie auch bei Ihren Stadtwerken nach, ob dort ein Angebot für Ü20-Betreiber in Vorbereitung ist. Und auch Stromhändler/Direktvermarkter werden in den kommenden Wochen ihre Vorschläge und Angebote veröffentlichen. Bleiben Sie informiert!
d) Experten fragen
Im Zusammenhang mit den Gedanken und Angeboten tauchen meist auch Fragen auf, die geklärt werden müssen. Die Hotline unseres Projektes PVLOTSE berät Sie kostenlos zu speziellen Fragen des Weiterbetriebs in allen Facetten. Rufen Sie an oder mailen Sie uns, die Kontaktdaten dazu finden Sie unter www.pvlotse.de
e) Beobachten Sie die aktuelle Entwicklung rund um die EEG-Novelle: Neben den DGS-News werden auch weitere Medien über die aktuelle Diskussion berichten und einschätzen, welche Regelungen und Änderungen noch kommen könnten und ob die Novelle Chancen hat, rechtzeitig verabschiedet zu werden.
f) Weiter sollten Sie für sich selbst einen Termin festlegen, an dem Sie die Weiche für den Weiterbetrieb Ihrer Anlage stellen: Idealerweise Ende November sollte absehbar sein, ob die EEG-Novelle verabschiedet wird und mit welchen konkreten Regelungen zu rechnen ist.
Entweder kommt die Novelle rechtzeitig, dann können Sie sich zurücklehnen: Sie rutschen dann ab 1. Januar automatisch in die Weitereinspeisung und können sich dann in Ruhe überlegen, welche der oben genannten Möglichkeiten für Sie die beste ist. Eine Umrüstung und Wechsel kann dann im Frühjahr/Frühsommer erfolgen, damit sind dann auch nur die wenigen Solarerträge aus den ersten Monaten nicht-ideal genutzt.
Ist Ende November absehbar, dass es die Novelle nicht rechtzeitig zum 1. Januar schafft, bleiben zwei Optionen:
A) noch schnell im Dezember z.B. eine Umrüstung auf Eigenversorgung oder die Direktvermarktung zu sichern. Das könnte aber allein aufgrund des engen Zeitrahmen schwierig werden.
B) die profane Option ist: Die Abschaltung der Anlage, um einer illegalen Einspeisung nach gültigem EEG zu entgehen. In den ersten Wochen des neuen Jahres sind die winterlichen Erträge gering, der finanzielle Schaden hält sich damit in Grenzen. Werden die neuen EEG-Regelungen dann z.B. erst im März Gesetz, so kann die Anlage entsprechend umgemeldet, eventuell umgerüstet und wieder eingeschaltet werden.
Eine weitere Unsicherheit sei aber auch noch erwähnt: So muss ein Wechsel in die Direktvermarktung nach aktueller Rechtslage einen Monat vorher beim Netzbetreiber angemeldet werden, das wäre dann zum 30. November; der neue EEG-Entwurf enthält hierzu keine Regelungen.
Sollte das Gesetz also erst im Dezember kommen, kann diese Frist unmöglich eingehalten werden.
Weitere Informationen
Wir bleiben beim Thema Weiterbetrieb am Ball und gehen in zwei Webinaren auf die aktuellen Entwicklungen und Ihre Fragen ein:
Das Webinar "Konkrete Lösungen für Ü20-PV-Anlagen" findet am 15.10. von 16:00 - 17:30 Uhr statt und zeigt anschaulich verschiedene praxisnahe Lösungsmöglichkeiten zum Weiterbetrieb von Ü20-PV-Anlagen. Infos und Anmeldung: https://www.solarakademie-franken.de/index.php?id=42&sem_id=758&ter_id=758
Das Webinar "Die EEG-Novelle - der aktuelle Entwurf" geht am 20.12. von 13:00 bis 15:00 Uhr detailliert auf die Änderungen des EEG 2021 und die aktuelle Diskussion dazu ein. Infos und Anmeldung: https://www.solarakademie-franken.de/index.php?id=42&sem_id=780&ter_id=780
Für explizite Fragen zum Weiterbetrieb von Ü20-Anlagen steht Ihnen auch das PVLOTSE-Expertenteam der DGS gerne zur Verfügung: Infos unter www.pvlotse.de