02.10.2020
Großdemonstration für Klimagerechtigkeit
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Für letzten Freitag hatte Fridays-for-Future (FFF) nach langer Pause erstmals wieder zu Demonstrationen aufgerufen. Die Klimaschutzaktivisten fordern die Politik auf, das 1,5°C-Klimaschutzziel des Pariser Abkommens der Weltklimakonferenz COP 21 einzuhalten, also gesetzliche Maßnahmen für eine Begrenzung der Erderhitzung zu treffen. Es war der sechste globale Klimastreik der von Schülern und Studierenden getragenen Bewegung. Im August 2018 hatte die Schwedin Greta Thunberg ihren ersten Schulstreik für das Klima durchgeführt, und damit Fridays-For-Future initiiert. Die höchste Mobilisierung für einen Klimastreik in Deutschland fand vor einem Jahr statt, am 20. September, mit einer Beteiligung von 1,4 Mio. Menschen – 270.000 in der Hauptstadt.
An diesem Freitag fanden auf allen Kontinenten nach Aussagen von FFF insgesamt 3.211 Aktionen statt. Auch Wissenschaftler in der Arktis und der Antarktis beteiligten sich an der Protestaktion. Nach Veranstalterangaben nahmen bundesweit insgesamt mehr als 200.000 Menschen an über 450 Orten an den Protesten teil. Diese standen unter dem Motto #KeinGradWeiter. Viele Demonstranten hielten Plakate hoch, in denen sie die Verzögerung des Kohleausstiegs um 18 weitere Jahre kritisierten. 21.000 Menschen versammelten sich in Berlin bei einer Mahnwache zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule – mit Livestream, einige hatten sich zuvor an zwei Fahrraddemos beteiligt, 16.000 waren in Hamburg, 10.000 in Köln, 9.000 in Stuttgart. Die Demonstranten appellierten an die Bundesregierung, den Kohleausstieg bis 2030 und die Klimaneutralität Deutschlands bis 2035 zu beschließen und durchzusetzen.
In Berlin hielt Stefan Rahmstorf eine kurze Rede beim Berliner Klimastreik und ermutigte die Klimajugend, ihre Erfolge zu sehen. Dem Klimaforscher zufolge sei es „ein sehr großer Fortschritt, im Vergleich zu dem was vor wenigen Jahren noch denkbar war“, dass heute eine konservative Kommissionspräsidentin eine Treibhausgasminderung von 55 % für die EU vorschlägt. „Diesen Fortschritt, den haben wir zum großen Teil Fridays-for-Future zuzuschreiben. Also lasst euch nicht entmutigen und macht voller Kraft und Phantasie weiter, wir brauchen Euch, Danke“, sagte er den Klimaaktivisten. Später sprach Luisa Neubauer und wies auf die Brände in Kalifornien, Australien und Brasilien hin. Ihrer Meinung nach sei es hart, in diesen Zeiten zuversichtlich zu bleiben. Es brauche keine weiteren Krisen, „denn wir können handeln“, ergänzte sie. In ihrem Appell an das Publikum bezog sie sich auf den kommenden Wahlkampf: „Wir werden alles dafür tun, damit diese Bundestagswahl die erste ist, bei der jede demokratische Partei einen 1,5 Grad-Plan hat.“
Es war die erste große Protestaktion mit Hygienekonzept aufgrund der Coronamaßnahmen. Im März und April hatten die FFF-Aktivisten vor allem im Internet auf ihre Klimaschutzforderungen aufmerksam gemacht. Die Aktivisten sahen den Klimastreiktag als Auftakt für mehrere Aktionen zum Thema Klimagerechtigkeit, da das Bündnis „Alle Dörfer Bleiben“ gemeinsam mit FFF für Samstag zur Demonstration gegen die Erweiterung des Tagebaus Garzweiler II aufrief. Die Proteste richten sich gegen die drohende Zwangsumsiedlung und Zerstörung der Dörfer Berverath, Keyenberg, Kuckum, Lützerath, Oberwestrich, Unterwestrich, Manheim und Morschenich. Zudem hatte das Bündnis „Ende Gelände“ für das Wochenende Aktionen zur Blockade von Kohleinfrastrukur im Rheinischen Braunkohlerevier angekündigt. Außerdem hat FFF am Freitag mitgeteilt, gemeinsam mit Beschäftigen des öffentlichen Personennahverkehrs für eine sozial-ökologische Mobilitätswende zu demonstrieren.
Am Ende des Berliner Klimastreiktags gab es viel Musik. Die Kölner Band AnnenMayKantereit spielten zwei Lieder, die sie nach eigenen Angaben bisher noch nie vor Publikum gespielt hatten. Neben einem Lied, das während des Lockdowns entstand, spielten sie einen Song, der von „Phrasen, Versprechen und Parolen“ handelt, passend zur Kritik an der Klimapolitik der großen Koalition.
Im Anschluss hielt Christoph Bautz, geschäftsführender Vorstand von Campact, eine kurze Rede. Er lobte die Fridays-for-Future-Bewegung dafür, dass sie die Gesellschaft für das Thema Klimakrise sensibilisiert hat., und äußerte Bewunderung für das Engagement der Menschen, die sich an den Klimademonstrationen und bei den Protesten im Dannenröder Wald und gegen die Kohlekraft engagieren. Der jungen Klimabewegung sei gelungen, „was 30 Jahren Umweltbewegung nicht gelungen ist, das Klimathema zur zentralen Auseinandersetzung zu machen“, so Bautz.