01.12.2023
Bei Güllevergärung geht viel mehr!
Bericht über ein Zukunfts-Seminar von Heinz Wraneschitz
Dass in Biovergasungsanlagen vergorene Reststoffe erhebliche Mengen Bioerdgas produzieren können, ist in der jüngsten „Sonnenenergie“ nachzulesen (wenn auch nur für DGS-Mitglieder und Abonnent:innen). Doch in der Seminarreihe „Zukunftsperspektiven der Güllevergärung“ der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) drehte sich letzte Woche alles um die Frage: „Wie lassen sich Güllemengen kleiner Viehbetriebe für die Biogaserzeugung erschließen?“
Denn die gesamte Landwirtschaft hat ein Problem: Wirtschaftsdünger – ob künstliche oder natürliche – sind hauptsächlich für die Treibhausgas-(THG-)Emissionen bäuerlicher Betriebe verantwortlich. Deshalb müssen laut Prof. Walter Stinner vom Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) „57 bis 81 Prozent ihrer geplanten THG-Reduktionen aus dem Wirtschaftsdünger erfolgen“. Die Lösung sieht er in der verstärkten Vergärung von Gülle – nicht nur, aber gerade auch aus Kleinbetrieben. „Hier sind die höchsten THG-Reduktionen über alle Erneuerbare-Energien-Bereiche möglich. Außerdem ergibt es viel Wertschöpfung am Land ohne Flächenkonkurrenz.“ Nicht zu vergessen: Vergorene Gülle habe eine „höhere Stickstoff-(N-)Effizienz“, so der Professor.
Leider aber, so Stinner, werde die Güllevergärung nur bei Kleinanlagen (ab 2023 bis 150 kW el.; d.Red.) und großen Biomethanerzeugungen honoriert, nicht aber bei den – wegen Ende der EEG-Vergütung wegfallenden – mittleren bäuerlichen Biogasanlagen. Kleinanlagen aber würden nur wenige gebaut, obwohl „75 Prozent der Rinder auf Höfen stehen, bei denen zehn bis 45 kW Biogas-Verstromung möglich wäre“. Doch blieben diese „kostengünstigen Güllemengen ungenutzt“; denn gäben die Bauern die wegen der unsicheren Lage die Tierhaltung auf, würden solche Kleinanlagen zur „Investitionsruine“!
Andererseits: Wenn die Gülle vom Bauernhof zu großen Biomethananlagen gekarrt werde, „fällt 30 Prozent des Energiepotenzials durch den Transport weg“, rechnete Prof. Stinner vor. Seine „wichtigsten Forderungen an den Gesetzgeber: Wird 80 Wirtschaftsdünger in der Biogasanlage eingesetzt, sollte auf die Ausschreibung verzichtet werden. Und für auslaufende mittlere Biogas-Anlagen sollte automatisch beim Einsatz von (vergorener Gülle als; d.Red.) Wirtschaftsdünger eine Weiterförderung stattfinden.“ Außerdem müssten die Regelungen für die Lagerung der Gär(rest)produkte angepasst werden: „Heute wird die Lagerungkapazität für unvergorene Gülle am Hof von sechs Monaten, für Gärrest aber von neun Monaten gefordert“ – zum Nachteil also für Biogas-Bauern. „Wenn die Rahmenbedingungen angepasst werden, schaffen wir mehr Klimaschutz ohne Steuergeld“, so Walter Stinners Fazit.
Kleine Anlagen - schwierige Wirtschaftlichkeit
Unterstützt in dieser Meinung wurde er von Roland Schulze Lefert, bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen angestellter Agraringenieur und selbst Bioenergielandwirt. Er rechnete unter anderem vor, dass bei kleinen Biogasanlagen die Güllekosten nicht höher als 15,07 ct/kWh liegen dürften, also bei einer 75 kWel-Anlage die Investition in die dafür notwendige Technik nicht mehr als 350.000 Euro liegen dürften. „Da ist kein Lagerraum mehr drin. Es funktioniert also nur bei vorhandenem Lagerraum. Niedersachsen erlaubt das für die Gärrestlagerung, aber andere Genehmigungsbehörden stellen sich quer“, so seine Feststellungen. Er kritisierte zudem die unterschiedlichen gesetzlichen Wirtschafts-Regelungen: Während beispielsweise in Baden-Württemberg, Bayern oder nur das BHKW als Gewerbetrieb geführt, die Biogaserzeugung aber in der landwirtschaftlichen Buchführung auftauchen könne, sei das in anderen Bundesländern nicht möglich.
Positive Aussichten gab aber Sascha Hermus vom 3N e.V. Er stellte einige Beispiele vor, wie zum Beispiel über eine Gülle-Sammelleitung die Reststoffe von 21 Höfen auf eine Biogasanlage geliefert werden; wie der Prozess in einer Festmistanlage durch die Erwärmung aus eigener Abwärme auf 52 Grad wesentlich schneller abläuft; wie an drei Standorten Biogas produziert, aber in einer Anlage daraus Biomethan gewonnen und eingespeist wird: Alles Ideen, wie Bauern zusammenarbeiten und mehr bäuerliche Reststoffe zu Naturenergie umwandeln können. Denn „nur 19 Prozent des Wirtschaftsdüngers in Niedersachsen werden momentan vergoren“, stellte Sascha Hermus heraus.
Bei Gülle- und Mist-Vergärung geht also tatsächlich noch viel mehr!