01.07.2022
CETA, c’était? Hochumstritten, einst?
Eine seismologische Beobachtung von Tatiana Abarzúa
„The breakthrough has been made“, berichtet Thomson Reuters drei Tage vor Beginn des G7-Gipfels, der Durchbruch ist geschafft. Mit den Worten zitiert die Nachrichtenagentur die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag Verena Hubertz. In einer Zeit, in der die mediale Aufmerksamkeit zwischen Ukrainekrise und anstehendem G7- und NATO-Treffen oszilliert, verkündet Hubertz Ergebnisse zu einem ganz anderen transatlantischen Pakt. Sie teilt der Presse mit, dass die Ampelkoalition in der folgenden Woche das Ratifizierungsgesetz für CETA dem Kabinett vorlegen werde. Eine Entscheidung, die in der grünen Basis und bei zivilgesellschaftlichen Organisationen fundamentale Grundsätze erschüttert.
Was ist CETA?
Die Abkürzung CETA steht für: Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (Comprehensive Economic and Trade Agreement). Ein Freihandelsabkommen, dass die EU und Kanada vereinbart haben. Das Abkommen soll 500 Seiten lang sein und weitere 1.000 Seiten Anhänge umfassen, Stand 2014.
Seit 2017 vorläufig in Kraft getreten
Im September 2017 ist CETA vorläufig in Kraft getreten. Lange Zeit wurde darüber debattiert, ob es ein Gemeinschaftsabkommen ist, bei dem die EU-Vertragspartner ist, oder ein „gemischtes Abkommen“, bei dem auch die EU-Mitgliedstaaten beteiligt sind. Es gilt als „gemischtes Abkommen“ und muss von allen EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.
Nach Angaben der Europäischen Kommission sind folgende Bereiche noch nicht in Kraft getreten: Investitionsschutz, Investitionsmarktzugang für Portfolioinvestitionen und das geplante Investitionsgerichtssystem.
2019 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), „dass eine internationale Übereinkunft, die die Einrichtung eines mit der Auslegung ihrer Bestimmungen betrauten Gerichts vorsieht, dessen Entscheidungen für die Union bindend sind, grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar ist.“ (die DGS-News berichteten im kleinen Medienspiegel). Das EuGH hatte somit keine Bedenken, dass Streitigkeiten außerhalb der regulären Gerichtsbarkeit verbindlich ausgetragen werden können.
Die Grünen 2016: „CETA: Ein gefährliches Abkommen“
2016 wollten die Grünen CETA stoppen und forderten die damalige Bundesregierung auf, CETA im Rat der Europäischen Union abzulehnen (Drucksache 18/9621). Ein Argument von damals: CETA schwäche das Vorsorgeprinzip und räume Investoren Klagemöglichkeiten ein, und führe dazu, dass „Anbauverbote für gentechnische veränderte Pflanzen gekippt werden könnten“. Kurzum: das Abkommen sei „gefährlich“.
Die Grünen 2022: „Wir werden das Ratifizierungsgesetz vor der Sommerpause einbringen“
Nun hat sich einiges geändert. Die Ampel hatte im Koalitionsvertrag formuliert, dass sie die Entscheidung über die Ratifizierung von CETA nach Abschluss der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) treffen wollen. Das BVerfG hatte seine Entscheidung im März bekanntgegeben. Der am 23. Juni verkündete Durchbruch der Ampelfraktion ist ein dreiseitiges Papier mit dem Titel „Handelsagenda der Ampel“. Dort steht auf der letzten Seite: „Wir werden die Beteiligung des Bundestages bei der Umsetzung von CETA sicherstellen“. Andreas Audretsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, hat das Dokument auf Twitter veröffentlicht. Und weiter unten folgt: „Wir werden das Ratifizierungsgesetz im Kabinett vor der Sommerpause einbringen und dann die erste Lesung im Bundestag durchführen. Die zweite und dritte Lesung findet statt, sobald das Joint Committee in diesem Herbst eine entsprechende Erklärung verabschiedet hat.“ Ob eine solche Erklärung tatsächlich Schiedsgerichtsklauseln entschärfen kann?
24h für die Anhörung der betroffenen Verbände
Für die sogenannte Verbändeanhörung gab das BMWK knapp einen Tag Zeit, eine Stellungnahme einzureichen. Am Dienstag, den 28. Juni gegen 8 Uhr erhielten zivilgesellschaftliche Organisationen den „Gesetzesentwurf zur Ratifizierung von CETA“ mit der Aufforderung, ihre Stellungnahmen, sofern sie welche abgeben möchten, bis Mittwoch, den 29. Juni, 9 Uhr, zuzusenden, wie die Berliner Zeitung berichtet.
„Die neoliberalen Kräfte aus FDP und SPD könnten sich gegen die Grünen durchsetzen“
Bisher haben 15 der 27 Mitglieder der EU dem Europäischen Rat den Abschluss der Ratifizierungsverfahren notifiziert, so Reuters in der oben genannten Pressemeldung. Die nächsten Monate werden zeigen, ob CETA in den Parlamenten ratifiziert wird.
Während sich die Ampelregierung die Ratifizierung von CETA vorgenommen hat, und viele Grüne vermutlich hoffen, dass ein Austritt aus dem Energiecharta-Vertrag beschlossen wird, steht letzteres nicht auf der Handelsagenda – warnt das Umweltinstitut München. Denn: „Am Ende könnte es also passieren, dass sich die neoliberalen Kräfte aus FDP und SPD auf ganzer Linie gegen die Grünen durchsetzen.“ Dafür spricht, dass vergangene Woche Verhandlungen über eine Reform der Energiecharta stattfanden, wie die Europäische Kommission berichtet.