01.04.2022
So werden die Erneuerbaren Energien sabotiert, Teil 2
Ein kritischer Bericht von Götz Warnke
Dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien seit Jahren auf eine Vielzahl von Hindernissen stößt, die nicht in diesen Energieformen selbst und ihren Vertretern begründet sind, ist kein Geheimnis. Vielmehr wird der Ausbau seit Jahrzehnten durch das „Störfeuer“ von Akteuren wie Einzelpersonen, Unternehmen und Organisationen begleitet, so dass es fast schon ein Wunder ist, dass die Erneuerbaren heute auf 20 Prozent an der Energieerzeugung über alle Sektoren hin gekommen sind – für eine klimasichere Zukunft müsste dieser Wert allerdings heute schon bei 70 Prozent liegen. Wenn auch die Absichten und Anteile dieser Hindernis-Errichter sicherlich unterschiedlich sind, so kann man in der Gesamtbetrachtung zweifellos von Sabotage sprechen.
Bevor wir zu einzelnen Sabotageakten in den verschiedenen Energiesektoren kommen, sehen wir uns auch im zweiten Teil weiter den Reigen der „De-Facto-Saboteure“ an:
Naturschützer und Naturschutzverbände
Der Konflikt zwischen den Erneuerbaren Energien und den Naturschutzverbänden ist praktisch ein „Dauerbrenner“, seit die Regenerativen über vereinzelte Solarenergieinstallationen und Windkraftanlagen bis maximal 12 Meter Höhe hinaus kamen. Ganz gleich, ob die Erneuerbaren die fossile Energiewirtschaft schmälern, und dadurch Schadstoffemissionen reduzieren oder den Klimawandel abbremsen – sie standen und stehen bei den Natur- und Umweltschutzverbänden stets in der Kritik.
Einer der Gründe dafür ist, dass es bei diesen Verbänden praktisch keine klare Priorisierung der Schutzziele gibt – ein Problem, das sich seit dem Bewusstwerden der Klimakrise noch verschärft hat, da mit dem Klimaschutz noch ein weiteres Schutzziel zu Natur- und Umweltschutz hinzugekommen ist. Doch nicht einmal im Naturschutz ist die Priorisierung wirklich klar; was soll da eigentlich geschützt werden? Ikonische, wieder zugewanderte Tiere wie Luchs und Wolf? Der Erhalt einzelner Arten, obgleich es auch ein natürliches Artensterben gibt? Eine möglichst große Artenvielfalt vor Ort (da sind die Gärten am Stadtrand oft vielfältiger als Naturlandschaften)? Eine Tierklasse wie die Insekten? Die Konservierung des Status Quo oder die Ausdehnung von Naturgebieten? Der Erhalt des Landschaftsbildes? Die Schaffung von möglichst gegenüber Klimakrisen resilienten Landschaften?
Zu potentiellen Konflikten, etwa ob sich die Wiederansiedlung des Wolfs negativ auf die Bestände des Wachtelkönigs auswirken kann – ein Vogel, der ansonsten alle (baulichen) Vorhaben zum Erliegen bringt – , herrscht weitgehend Schweigen.
Kein Wunder, dass bei diesen z.T. divergierenden Zielsetzungen der Naturschutz nicht immer konsequent und ehrlich bezüglich der Erneuerbaren Energien ist: Naturschützer machen gern die kleinen Wasserkraftwerke mit ihren Querverbauungen des Flussbettes etc. für den Artenschwund insbesondere bei wandernden Fischen wie dem Stör verantwortlich. Allerdings ist die Wasserkraft nur für einen geringen Teil der Querbauten verantwortlich, und es fällt auf, dass zeitgleich mit dem Verschwinden des Störs an der Wende des 19./20. Jahrhunderts auch die kleinen Wasserkraftwerke und viele ihrer Querbauten verschwanden („Mühlensterben“). Andere Flüsse wie die Elbe waren noch gar nicht verbaut, als die Störpopulation zusammenbrach; die Elbstaustufe in Geesthacht wurde erst 1960 errichtet. Über die wahren Gründe des Fischrückgangs in den Flüssen – die Wasserverschmutzung und das Wegbaggern von Flusskies (Laichgründe) – wird dagegen weniger gesprochen. Diese Probleme gehören vielfach der Vergangenheit an, so dass sich damit wenig öffentliche Aufmerksamkeit und Spendenaufkommen generieren lässt.
Ähnlich ist es bei der Windkraft, die vielen Naturschützern als Vogelkiller Nr. 1 bekämpft wird. Doch zu den nachweislich größeren Vogelkillern wie Glasscheiben, Hauskatzen und Waschbären hört man vom Naturschutz diesbezüglich wenig; von Forderungen nach einer Fenstergrößenbeschränkung, einem Verbot für freilaufende Katzen oder vermehrten Abschussquoten von Waschbären ist nichts bekannt. Solche konsequenten Forderungen könnten nämlich auch viele Naturschützer gegen ihre Verbände aufbringen.
Auch die Solarenergie bleibt nicht verschont; hier spielt z.B. der BUND e.V. seit Jahren den Bremser der Energiewende, wenn er PV-Freilflächenanlagen auf maximal 0,10 bis 0,15 % der Landesflächen begrenzt sehen will. Dabei sollte man eigentlich schon aus Klimaschutz- und Biodiversitätsgründen froh sein, wenn statt einer hochgedüngten Maismonokultur mit all’ ihren Klimagas-Emissionen nun unter einer Agri-PV-Anlage Blühpflanzen angebaut oder Schafe gehalten werden.
Mit ihrer Inkonsequenz beim Klimaschutz bleiben die Naturschutzverbände ein stetes Hindernis für die Erneuerbaren Energien.
Narren und Narrative
Eine Partei im deutschen Bundestag hat es sich zur besonderen Aufgabe gemacht, die These der menschengemachten Klimakrise und folglich auch den Klimaschutz zu bekämpfen: die AfD. Diese Ablehnung betrifft dabei insbesondere auch die Erneuerbaren Energien und die Sektorenkoppelung. Bei einer Partei, die stets Deutschlandfähnchen schwenkend auftritt, ist es um so verwunderlicher, dass man russisches Erdgas zum Heizen der deutschen Solarthermie vorzieht, und beim Verkehr – „Kein Diesel ist illegal“ – auf das Erdöl von potentiellen Terrorfinanziers vom Persischen Golf statt auf deutschen Windstrom in deutschen E-Autos setzt; dies entzieht sich jeder logischen Nachvollziehbarkeit. Doch jenseits aller Ratio wirken solche Einstellungen vor allem bei älteren Menschen, die – „mir san mir“ – Neuerungen und damit den Erneuerbaren Energien eher ablehnend gegenüberstehen. Einige Teile der CDU sind da auch nicht besser.
Nicht nur Parteien, sondern auch Gewerkschaften versuchen – ebenso wie Unternehmensverbände – den Erneuerbaren Energien „ein Bein zu stellen“. Allen voran geht die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) mit ihrem Vorsitzenden Michael Vassiliadis. Den „Paten" der Braunkohlekumpels und Dörfer-Wegbaggerer z.B. in der Lausitz geht es vordergründig um den Erhalt von Arbeitsplätzen in einer – eindeutig mittelfristig nicht überlebensfähigen – Branche, daneben aber auch um Mitglieder und ihre Beiträge. Dazu und zur Behinderung des Klimaschutzes sowie der Erneuerbaren Energien sind ihnen viele Mittel recht.
Auch die Wissenschaft, insbesondere die einige Wirtschaftswissenschaftler, tragen gern zur Desavouierung der Erneuerbaren Energien bei. Ein besonders bekanntes Beispiel ist der Ökonom Hans-Werner Sinn, der hinsichtlich der Elektrizität aus Erneuerbaren Energie gern von „Zappelstrom“ spricht. Jenseits der Tatsache, dass E-Kraftwerke auf Basis von Wasserkraft, Biogas, Holz und Müll kontinuierlich Strom liefern, und dass auch PV-Wind-Hybridkraftwerke eine hohe Lieferkontinuität bieten, ist es richtig, dass heute vielfach noch die Stromspeicher fehlen. Doch das gilt auch für die Fossil-Energien: wenn im Zuge des Ukraine-Kriegs uns Russland die Gas- und Kohleversorgung kappt, könnte bei dann leeren Speichern auch Prof. Sinn leicht fossilen „Zappelstrom“ in der Leitung haben. Sinn hat sich im Übrigen auch mit – widerlegten – Thesen gegen die E-Mobilität ausgesprochen.
Sicher sollte man den Einfluss solcher Wirtschaftswissenschaftler nicht überbewerten, aber in bestimmten Kreisen bestärken sie die grundlosen Vorurteile gegen die Energiewende.
Dass sich Forscher aus den Bereichen Verbrennungsmotoren- und Fossilkraftwerksentwicklung gegen Erneuerbare und Elektromobilität stark machen, ist ebenso absehbar wie verständlich. Dass sich aber auch bisher völlig unverdächtige Wissenschaftler wie Prof. Harald Lesch massiv gegen Elektromobilität positionieren, ist überraschend. Auch wenn Lesch inzwischen in vielen Punkten zurückruderte, so ist der Imageschaden für die Elektromobilität jedoch angerichtet.
Daneben gibt es Schlagworte, Bilder etc., die nicht an Personen geknüpft sind, sondern allgemein durch die Diskussionen geistern, und bewusst oder unbewusst verbreitet werden.
Energy Efficiency First
Dieses Schlagwort wird seit Jahren von den unterschiedlichsten Stakeholdern verwendet. Energieeffizienz ist u.a., wenn ein neuer Riesen-SUV wie z.B. der BMW X7 bei gleich viel PS weniger verbraucht oder bei mehr PS gleich viel verbraucht. Solche „Effizienzbemühungen“ können wir uns angesichts der Klimakrise nicht mehr leisten. Und dann Energieeffizienz auch noch an die erste Stelle setzen zu wollen, ist schlicht irrational. Dieser Narrativ dient vielfach dazu, einen Umstieg auf Erneuerbare Energien auf die lange Bank zu schieben, etwa nach dem Motto: „Nur keine Aufregung, es bewegt sich ja was in die richtige Richtung“. Dabei geht es eigentlich nur in die Richtung „Klimachaos – etwas weniger oder etwas später“. Heute geht es aber nicht mehr darum, irgendwo Energie zu sparen, sondern gänzlich aus den Fossil-Energien auszusteigen. Renewable Energy First – danach kann man auch wieder ehrlich über Energieeffizienz reden.
Klimafreundlich
Das Wort, in den meisten Fällen komperativisch als „klimafreundlicher“ verwendet, will uns ebenfalls weismachen, man sei schon auf dem richtigen Weg, alles sei in Ordnung. Oft soll es nur beim besseren Verkaufen von Produkten bzw. Dienstleistungen helfen, und ist somit eine Lüge. Unser Energiesystem muss völlig klimagasfrei werden, und das geht nur mit Erneuerbaren Energien. Das „Klimafreundlicher“-Gerede versucht häufig nur, die Notwendigkeit einer vollständigen Energiewende zu verschleiern und diese dadurch zu verzögern.
CO2-neutral
Neutral, das hört sich fast so freundlich und harmlos an wie die Schweiz. Dahinter verbergen sich allerdings Techniken wie das Speichern des aus Kohlekraftwerken abgeschiedenen CO2 in alten, nur bedingt sicheren Gaskavernen oder die Anpflanzung von Baumplantagen als „Kompensationen“, die erst in Jahrzehnten wirken können – wenn es wohl möglich für das Klima zu spät ist. Natürlich können die Fossil-Freunde nicht „CO2-frei“ oder „klimagasfrei“ sagen, denn das ginge nur mit Erneuerbaren Energien, und die möchte die fossile Wirtschaft möglichst lange vermeiden. Ein ähnlicher Narrativ ist übrigens die „CO2-Minderung“, die man verwendet, um den eindeutigeren Begriff „CO2-Vermeidung“ zu vermeiden.
Gas wird grün
Gemeint ist vor allem das Erdgas, und das besteht aus dem Klimakiller Methan, von dem bei Gewinnung, Transport und Gebrauch ständig größere Mengen entweichen, um das Klima künftiger Generationen zu ruinieren. Da das inzwischen weit bekannt ist und das eigene Geschäft gefährdet, schmeißen die Verbände der Gaswirtschaft ihre Propagandamaschine für das Greenwashing an: Gas wird als grundsätzlich klimafreundlicher als Kohle dargestellt – was es nur sehr bedingt ist – , es werden Kompensationen (s.o.) angeboten, es wird viel von Biogas geredet, das schon aus ökologischen Gründen immer ein Nischenprodukt bleiben wird, und es werden „ungedeckte Schecks“ auf die Zukunft ausgestellt, und zwar in dem Sinne, dass künftig grüner Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien künftig das Erdgas im riesigen Gasnetz ersetzen soll („Green-Gas-ready“). Und das alles nur, um eine Energiewende auf Teufel komm raus zu verhindern. Besonders übel ist, dass staatliche bzw. städtische Unternehmen an dieser Volksverdummung mitwirken.
Wasserstoff
Das extrem flüchtige Gas gilt vielen als die „eierlegende Wollmilchsau“ der Energiewende. Der auf der Erde nicht mal in Reinform vorkommende Stoff soll alles können, ändern, richten. Dabei ist er eigentlich nur als Energiespeicher und als Grundstoff (Stahl- und Chemie-Industrie) zu gebrauchen, wo er auch dringend benötigt wird; den Ausbau der Erneuerbaren Energien kann er nicht ersetzen. Dafür haben interessierte Kreise für sich entdeckt, dass man H2 vielleicht zum Ausbremsen der Energiewende gebrauchen kann: Deshalb gibt es jetzt nicht nur den grünen Wasserstoff, sondern auch die ganzen anderen Farben, die das Ende der Gas- und Atomwirtschaft möglichst hinauszögern sollen. Die alten Energien inszenieren den Hype um den Wasserstoff, weil das staatliche Gelder in ihre Taschen lenkt.
Im 3. Teil betrachten wir die speziellen Sabotageakte gegen die einzelnen Erneuerbaren Energien.
So werden die Erneuerbaren Energien sabotiert, Teil 1
So werden die Erneuerbaren Energien sabotiert, Teil 2
So werden die Erneuerbaren Energien sabotiert, Teil 3