01.04.2022
Habeck, Fracking und die Saudis...
Ein kommentierender Erlebnisbericht von Heinz Wraneschitz
Habeck, Fracking und die Saudis: Unter diesem Titel sollte meine aktuelle Geschichte stehen. Doch was ich der Redaktion Anfang dieser Woche als Rückschau vorgeschlagen hatte, hat durch einige aktuelle Ereignisse zusätzliche Aktualität gewonnen.
Ach, wenn die Nachrichtenlage so schnell rotiert wie ein Windrad bei einer 10-Meter-pro-Sekunde-Brise: Zuerst möchte ich zurückschauen auf die vergangene Woche. In Erinnerung blieben vielen wahrscheinlich die Bücklinge, die der - ich betone: Grüne! – Bundeswirtschafts- und Energieminister Robert Habeck vorn den absolutistischen Machthabern (männlich) rund um den Golf vollzog.
Durch Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, die – wenn auch eher beiläufig aus diesem Grund – explodierenden Fossilenergiepreise und das Gejammer der Autolobby bedingt, scheint Habeck Hals über Kopf vom Regenerativ-Paulus zu Heizöl- und Erdgas-Paulus zu mutieren.
Leider hatte der Minister vor seinem Besuch noch nicht die DGS-News der vergangenen Woche lesen können: „Übrigens… behauptet Forschungsinstitut RWI: „Der Abstand zwischen Benzin- und Rohölpreisen hat sich während der Ukraine-Krise verringert.“ Genau das Gegenteil – nämlich ein vermutetes Kartellvergehen, weil sich die Mineralölkonzerne abgesprochen haben sollen – will das Bundeswirtschaftsministerium durch das Kartellamt prüfen lassen. Und was glauben wir nun?“, hätte er dort gefunden.
Wobei ja eigentlich die Kartell-Prüfidee aus seinem Hause stammt. Aber was solls? Habeck vertraut augenscheinlich weder hiesiger Erneuerbare-Energien-Branche noch Umwelt- und Energiewirtschaftsverbänden, die „100 Prozent Erneuerbare Energien bis 2030“ verwirklichen wollen und in den vergangenen Monaten vielfach per Studie nachgewiesen haben, dass es funktioniert.
Mit Katar hat er nun das Gegenteil auf den Weg gebracht, nämlich „großartigerweise“ eine „langfristige Energiepartnerschaft fest vereinbart“, wie der Spiegel berichtet. Sprich: Er hat der Fossilienwirtschaft ein langes Leben zugesichert.
Und – man kann es kaum glauben: Ausgerechnet die als so zukunftsorientiert verschriene Fraunhofer-Gesellschaft (FHG) war im Habeck`schen Regierungstross dabei und hat ein „Memorandum of Understanding“ mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) im Energiebereich unterschrieben. Wichtig dabei, ist dort zu lesen: „Grüne und blaue Wasserstofftechnologien und -infrastruktur.“ Auch hier also: Eine Abkehr der FHG von der Forderung ökologisch denkender Gruppen, dass Wasserstoff nur mit Hilfe Sonne, Wind, Wasser, Biomasse gewonnen werden darf. Ja, Wasserstoff ist die größte Cashcow vieler Forschungseinrichtungen derzeit. Da darf man wohl nicht zimperlich sein bei den Gewinnungsmethoden.
Kaum mehr in Erinnerung dürfte Minister Habeck sein, dass er 2018 „eine harte Linie gegenüber Saudi-Arabien“ gefordert hat. Klar: Damals war er „nur“ Grünen-Chef. Jetzt ist er Ampel-Minister und verantwortlich dafür, dass es hierzulande keinen Aufstand der Diesel- und Benzinfreunde gibt. „Vom Regen in die Traufe“ nennt Markus Müller in seinem Blog „Geopolitical“ den Austausch des Fossilien-Lieferanten Russland durch Arabische Förderer.
Hans-Josef Fell, Ur-Grüner und Ex-MdB im Unruhestand, legt den Finger zudem nicht nur in die Öko-Wunde. Denn einerseits gelte „Katar als Land, das den islamistischen Terrorismus finanziert. Nicht nur Hamas und die Taliban sind Nutznießer der Unterstützung Katars. … Eine Terrorfinanzierung über den Einkauf von Flüssigerdgas (LNG) aus Katar ist verwerflich und gefährdet durch die Stärkung des islamistischen Terrors auch unsere eigene Sicherheit, genauso wie die andauernde Finanzierung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine – ebenfalls mit deutschen Energieeinkäufen.“
Und andererseits ist – so Fell – „LNG (Flüssiggas) aus Erdgas in der Stromerzeugung bis zu 30% klimaschädlicher als Kohle, wie erst kürzlich die Wissenschaftssendung Nano im ZDF betonte. Kaum zu fassen: Ein für Klimaschutz zuständiger Minister reist nach Katar, um für langfristige höchst klimaschädliche LNG-Lieferungen nach Deutschland zu werben. Verträge sollen geschlossen werden, die eine langfristige Schädigung der Erdatmosphäre bewirken würden.“
Das müsste eigentlich gesessen haben. Aber nein: LNG soll nicht nur aus Katar und andere Golfstaaten gekauft werden, sondern auch aus den USA. Dort wird diese Fossilie bevorzugt über die sehr umweltkritische Fracking-Methode gewonnen.
In Deutschland ist es verboten, Erdgas aus unterirdischem Gestein zu pressen; unter anderem, weil es das Grundwasser gefährdet. Aber ausgerechnet ein Grüner KlimaSCHUTZminister sieht offenbar keinen Grund, die amerikanische Umwelt vor dieser Ausbeutung zu schützen.
Und jetzt?
So, genug des Rückschau-Gejammers, blicken wir auf die positiven Meldungen der Woche. Da hat derselbe Minister Robert Habeck auf dem Berlin Energy Transition Dialogue 2022 erklärt: „Wir müssen mehr denn je für eine globale Energiewende werben und den globalen Ausbau Erneuerbarer Energien ebenso wie die Steigerung der Energieeffizienz entschlossen vorantreiben.“ Und an diesem Mittwoch rief er die „Frühwarnstufe“ eines dreistufigen „Notfallplan Gas der Bundesregierung“ aus und forderte die Bevölkerung zum Energiesparen auf, wenn auch nur „vorsorglich“. Unterstützung erhielt er von Bayerns Energieminister Hubert Aiwanger: Der Freie-Wähler-Chef rief gleich zum Einsatz von Wolldecken auf. Und außerdem ist Aiwanger aktuell „die Lebensmittelversorgung per Lkw wichtiger als die Einhaltung der Abgaswerte. Jetzt Ad Blue Notfallregeln schaffen“, fordert er vom Bund.
Krise, Krieg, Rubeldrohung: Da konnten sich natürlich die so genannten Fachberater nicht zurückhalten: Uns wurde angeboten, über „weiteres Krisenmanagement statt einer strukturierten Energiewende“ mit einem „Arthur D. Litte Fachmann Matthias von Bechtolsheim“ zu sprechen – worauf wir aber verzichtet haben.
Die Verbraucherzentrale NRW weiß zwar auch, dass „die aktuelle Situation erfordert, sparsam mit Energie umzugehen“, gibt aber schlichtweg „konkrete Tipps für private Haushalte“. Vielleicht ist ja eine solche, von der VZ gezeigte „Ruhe die erste Bürgerpflicht“, wie es Graf von der Schulenburg in seinem „geflügelten Wort“ formuliert hat.
Möge sich Jedermann und Jedefrau eine eigene Meinung zur aktuellen Energiesituation bilden. Für mich ist das hektische Versenden laufend neuer Erklärungen nichts weiter als ein aufgeregter Politikerirrsinn: Von strategischem Vorgehen – das wäre eigentlich Aufgabe verantwortlicher Politik – erkenne ich zurzeit wenig.