01.03.2024
Unsere Kritik an der CCS-Strategie der Bundesregierung
Eine Stellungnahme des Präsidiums der DGS
Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) e.V. kritisiert die geplante Ermöglichung der unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid (Carbon Capture and Storage CCS) durch die Bundesregierung und appelliert an die Koalitionspartner und die Opposition, den Fokus darauf zu legen, endlich alle Subventionen für fossile Brennstoffe zu beenden und sämtliche Hürden für den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu beseitigen, um Schaden von der Bevölkerung abzuwenden. „Wir fordern stattdessen konkret den Abbau von Hürden für den Ausbau der Erneuerbaren Energien anstelle der Ermöglichung der Kohlenstoffdioxidspeicherung für Industriebetriebe“, so Torsten Lütten, Präsident der DGS.
Am 26. Februar 2024 hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Eckpunkte einer Carbon Management-Strategie und einen darauf basierenden Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes vorgelegt. Die Regierung begründet den Vorstoß damit, dass es in gewissen Industriezweigen wie bei der Herstellung von Zement und Kalk „sehr schwer oder gar nicht vermeidbare“ Emissionen gäbe und dass die Abscheidung und Speicherung von verbleibendem CO2 notwendig sei, um die Industriezweige in Deutschland zu halten und die Klimaziele, also Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen.
Unsere Meinung
Dies kommentiert DGS-Präsident Lütten wie folgt: „Es steht außer Frage, dass es sehr energieintensive Industrien gibt und diese vor großen Herausforderungen stehen, um ihre giftigen Abgase, die sie uns und der Welt mit all den bekannten Folgeschäden bewusst zumuten, auf null zu senken. Sie hatten Jahrzehnte Zeit, das zu tun und haben es nicht getan. Was es jetzt angesichts des neuen weltweiten Höchststands des CO2-Wertes in der Atmosphäre braucht, ist die Klarheit einer Diagnose eines Arztes: Das Wirtschaftswachstum ist außer Kontrolle geraten, es ist wie Krebs. Und einen Krebs bekämpft man nicht irgendwann, sondern sofort. Im Falle der deutschen Wirtschaft sind Steuern und Ordnungsrecht eine erprobte Therapie, von Reparationszahlungen will ich noch gar nicht sprechen. Wir haben Herausforderungen wie Asbest, Waldsterben, hohen Zigarettenkonsum, Rauchen in Restaurants und Unfalltote durch Autofahren ohne Gurt bewältigt. Wir können Probleme lösen. Dafür braucht es Mut.“
Aus DGS-Sicht kann zum Beispiel ein Bonus-Malus-System helfen. Lütten: „Wer unsere Lebensgrundlage verbessert, wird ein bisschen belohnt, aber wer sie weiter vergiftet, zahlt dafür, und zwar kräftig. Wenn der Wirtschaftsminister jetzt dagegen vorschlägt, weiter giftige Emissionen zu produzieren, um sie dann später woanders hoffentlich in ein Endlager sperren zu können, zementiert er sprichwörtlich das Problem der letzten Jahrzehnte. Es ist doch abzusehen, dass die Bemühungen seitens der Industrie, CO2-Emissionen zu reduzieren, an Schwung verlieren, sobald eine renditeschonende Speicherung ihrer Treibhausgase ermöglicht wird. Dabei existieren keine erschwinglichen und vor allem im großen Maßstab anwendbaren Technologien für die CO2-Speicherung, ganz zu schweigen von sicheren Standorten. Alles müsste in der Zukunft erst entwickelt werden. Und dabei dürfen keine zusätzlichen Ressourcen verbraucht werden wie Zement und fossile Brennstoffe. Diese Rechnung kann und wird nicht aufgehen, das muss der Minister wissen! Dabei gibt es echte Lösungen. Warum sind sie nicht Pflicht? Alternative Baustoffe, günstiger Strom aus Photovoltaik, Prozesswärme aus Solarthermie zu 30 Jahre vorhersehbaren stabilen Kosten, große Strom- und Wärmespeicher: das alles ist sofort verfügbar. Diese tatsächlichen Lösungen für unser Land sind es, die die volle Unterstützung von Regierung und Opposition brauchen. Was fehlt, ist das parteiübergreifende Anerkennen der Wirklichkeit, der ungeschönten Diagnose. Aber erst dann kann ein Investitionssicherheit bietender Master-Plan jährlicher Emissionsreduktionsziele Investitionen auslösen bei Unternehmen und Haushalten.“
Zum Glück nehmen immer mehr Firmen in Deutschland ihre unternehmerische Chance eigenständig wahr und warten nicht auf mögliche staatliche Hilfe. Sie profitieren schon heute von Elektrifizierung, Digitalisierung und energieeffizienten Prozessanpassungen. Mit Strom und Wärme vom eigenen Dach und Grund verbessern sie ihre Wirtschaftlichkeit und sichern Standorte und Arbeitsplätze.
„Diese First-Mover haben es verstanden. Sie denken vom Ende her und passen ihre Geschäftsmodelle und Herstellungsweisen konsequent darauf an. Eine glaubwürdige Politik zum Schutz unserer Lebensgrundlagen tut genau das: sie setzt nicht auf glitzernde CCS-Einhörner in ferner Zukunft. Wer Emissionen auf null bringen will, tut es einfach“, stellt Präsident Lütten klar.
Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren endlich umsetzen
Das immer wieder verzögerte „Solarpaket 1“ beispielsweise soll für den Abbau von Hürden beim Bau von Photovoltaikanlagen sorgen, besonders im gewerblichen Bereich, wo bürokratisch aufwändige Genehmigungsverfahren, Ausschreibungen und Anlagenzertifikate den Zubau einschränken, aber auch bei Mieterstrom- und Balkonsolaranlagen, die seit vielen Jahren zugunsten fossiler Kraftwerksbetreiber und Gasproduzenten ausgebremst werden.
„Wie im Stromsektor, so muss auch im Wärmesektor die politische Einflussnahme der fossilen Öl-, Kohle-, und Gaskonzerne endlich überwunden werden. Wieso ist bei Tausenden Toten, die jährlich in Deutschland an Hitzewellen und Feinstaub sterben, bei der auf Jahresniveau bereits überschrittenen 1,5-Grad-Marke und bei einem CO2-Wert von mittlerweile über 420 ppm die Produktion von Kohlendioxid immer noch eines der rentabelsten Geschäftsmodelle? Wie ist das möglich“, wundert sich Lütten. Er fordert deshalb: „Freiflächen-Solarthermie-Anlagen, die Wärme in Fernwärmenetze einspeisen oder für die Industrie liefern, müssen mindestens so wie die Photovoltaik (PV) im Außenbereich privilegiert sein, Megawatt-Solarthermie-Anlagen sind als CO2-freie, sichere, Kosten stabilisierende und marktreife Technologie von Industrie und Kommunen erkannt worden. Nun gilt es, diese Anlagen massenhaft und zügig zu bauen.“
Hersteller, Planer, und Installateure brauchen ein klares Signal für kräftige Investitionen in den Aufbau von Personal und Produktionskapazität. „Warum setzen sich Regierung und Opposition nicht für ein Moratorium der ganzen Behinderungen ein“, fragt Lütten. „Warum werden bis 2030 nicht alle ordnungsgemäßen Bauanträge aufgrund des übergeordneten öffentlichen Interesses sofort bewilligt? Das wäre die Zeitenwende, die es braucht.“
Wie leistungsstark und belastbar die deutsche Solarbranche bei Planern und im Handwerk ist, beweisen die Zubauzahlen aus dem vergangenen Jahr. Laut Bundesnetzagentur wurden 2023 Photovoltaikanlagen mit einer Spitzenleistung von rund 14 Gigawatt auf Dächern und Freiflächen in Betrieb genommen. Vom 1. Januar bis Ende Februar 2024 wurden bereits Anlagen mit rund 2,1 Gigawatt Leistung zugebaut – aller bürokratischen Auflagen und Einschränkungen zum Trotz. Über 4,5 Millionen Solaranlagen gibt es bereits, zumeist in privatem Besitz. „Das ist ein toller Erfolg aller Menschen, die sich seit vielen Jahren und oft ehrenamtlich für die Entwicklung und Verbreitung der Nutzung der Sonnenergie in Deutschland einsetzen. Das Tempo muss aber weiter erhöht werden, um die Versäumnisse der Vergangenheit aufzuholen. Vor allem muss die Dekarbonisierung im Wärmesektor massiv vorangetrieben werden. CCS hilft dabei kein Stück“, fasst Torsten Lütten die Situation zusammen.
Über die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) e.V.
Die DGS ist Deutschlands erster Solarverband und zählt bereits über 3.600 Mitglieder. Seit 1975 engagiert sich die DGS für die Entwicklung und flächendeckende Anwendung der Photovoltaik und Solarthermie. Ergänzt wird dieses Engagement durch die Forderung einer raschen hundertprozentigen und resilienten Versorgung mit Erneuerbaren Energien in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Aktuell sind 20 aktive Sektionen, sechs Landesverbände und zehn Fachausschüsse unter dem Dach der DGS aktiv.
Sieben DGS-Solarschulen bieten begehrte Weiterbildungen mit ausgewiesenen Experten als Referenten an. Die Geschäftsstelle hat ihren Sitz in Berlin. Die Website www.dgs.de bietet einen großen Fundus an wertvollen Informationen zu vielen Fachthemen sowie zu den regionalen Sektionen und Landesverbänden.