01.03.2019
Altanlagen: Rückenwind vom Strommarkt oder neue Geschäftsmodelle
Wenn im kommenden Jahr die ersten PV-Anlagen und Windräder aus der EEG-Förderung herausfallen, steht ein Paradigmenwechsel an. Vor allem alte und nach heutigen Maßstäben nicht besonders leistungsstarke Windkraftanlagen und PV-Parks müssen subventionslos und ausschließlich über den Marktpreis für Strom weiter existieren. Ob das klappen wird und welche Probleme dabei auftauchen, darüber existieren unterschiedliche Auffassungen. Vielfach lautete die Prognose, dies sei unmöglich, es bliebe nur die Stilllegung bzw. Abbau. Würden diese Annahmen Realität, käme es bei der Windkraft bis zum Jahr 2023 zu einem Wegfall von rund 14.000 MW Leistung. Wie der Solar-Blogger Björn Katz schreibt, wäre das immerhin ein Viertel der gegenwärtig installierten Onshore-Windkraft in Deutschland. „Und die könnte nicht eins zu eins ersetzt werden, denn viele der alten Standorte sind heute nicht mehr genehmigungsfähig und die Ausbaukorridore für die Windenergie ohnehin eng gefasst“. Seine Befürchtung: „Der Beitrag der Windkraft zur Energiewende könnte signifikant schrumpfen.“
Andere, zu denen auch namhafte Vertreter der Ökostrombranche gehören, plädieren für einen Weiterbetrieb alter PV- und Windenergieanlagen – aus Kosten- und Umweltgründen. “Jedes alte Windrad, das ab 2021 ohne technische Notwendigkeit stillgelegt wird, führt zu vermeidbaren Kosten für die Allgemeinheit”, argumentiert beispielsweise Oliver Hummel, Vorstand des Düsseldorfer Ökostromanbieters Naturstrom in einem Interview mit Katz. Die Bestandsanlagen seien bezahlt, abgeschrieben und würden günstigen Strom produzieren. Gestützt wird diese Haltung von den steigenden Strompreisen in Deutschland. Da der Trend aktuell steil nach oben zeige, könnten viele Altanlagen noch länger laufen und Geld bringen. Die Verteuerung von CO2-Zertifikaten hat den Börsenstrompreis über die Erzeugungskosten der Altanlagen ansteigen lassen und auch der in Aussicht stehende Ausstieg aus der Kohleverstromung könnte den Preistrend mittelfristig noch befeuern. So jedenfalls die Hoffnung mancher Biostrom-Strategen.
Neue Anlagen würden über das EEG finanziert und damit die Verbraucher über den Strompreis belasten. Hinzu kämen Fragen der Entsorgung, die bei Altanlagen, im Gegensatz zu heute, komplizierter und kostenträchtiger seien, da dies vor 20 Jahren nicht eingeplant worden war. Trotz allem haftet diesen Argumenten ein Hauch von Spekulation an. Natürlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Strompreise auch in den vor uns liegenden Jahren steigen, zumal die EU nach Jahren der Untätigkeit die Zahl der CO2-Zertifikate im ETS reduziert, was zumindest bis 2023 zu steigenden Zertifikatspreisen führen dürfte. Eine Garantie für steigende Strompreise kann dies allerdings nicht sein. Da spielen noch ganz andere Faktoren eine Rolle, die globaler Natur und kaum beeinflussbar sind.
Betrachtet man diese Argumentationsweise, so fällt auf, dass sie den Weiterbetrieb der eigenen Anlagen als abhängige Größe von Entwicklungen sieht, die außerhalb des eigenen Geschäftsmodells liegen. Die Anlagen werden als passive Variable behandelt, denen keine eigene Gestaltungsmacht innewohnt. Ihr Wohl und Wehe hängt letztlich von Aktivitäten und Entscheidungen anderer Unternehmen oder der Politik ab, insbesondere von den großen Netzbetreibern. Das mag in der mentalen Tradition des EEG liegen, das den Betreibern wenig eigene Verantwortung zugemutet hatte. Es reichte, wenn man Ökostrom produziert und in die große Kupferplatte abgekippt hatte. Gut ist das nicht. Der Wegfall der EEG-Förderung wird noch zu wenig als Herausforderung angesehen bzw. angenommen, die aktiv gestaltet und zu neuen geschäftlichen Wegen führen kann.
Solange die Altanlagen technisch einwandfrei arbeiten, könnten sie als Teil neuer Verbundlösungen für neue Geschäftsmodelle genutzt werden, die PV- und Windparks zusammen mit Batteriespeichern so kombinieren, dass sie einen eigenen Fluktuationsausgleich betreiben und sich relativ unabhängig von Übertragungsnetzbetreibern und deren Leistungselektronik machen. Aber gleichgültig welche Modelle entworfen und wie sie technisch realisiert werden, stünde erst einmal ein Mentalitätswechsel an. Vor allem die Bürgerenergie müsste sich diesen schnellstmöglich zulegen, um gegen die Großen der Energiebranche bestehen zu können. Denn alleine mit günstigen Strompreisen würde ein Paradigmenwechsel dies auf Dauer nicht funktionieren, die sind temporär und im Zweifelsfall volatil. Und die erkämpfte Position an der Energiewende sollte die Bürgerenergie mit Zähnen und Klauen verteidigen.
Klaus Oberzig
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