15.12.2023
Im Haushalt flexibel Strom nutzen
Eine Analyse von Jörg Sutter
In den letzten beiden Wochen haben wir an dieser Stelle die Inhalte der neuen Festlegungen der Bundesnetzagentur besprochen, die in etwas über zwei Wochen (01.01.2024) hinsichtlich steuerbarer Verbraucher gelten werden. Gedanklich dazu passend präsentierte in der vergangenen Woche die Agora Energiewende eine neue Studie, in der diese Flexibilitäten bei der Stromnutzung untersucht wurden. Das Ziel der Studie: Die Auswirkungen von Flexibilisierung, Lastverschiebungen und dynamischen Stromtarifen beziffern und auch simulieren, um herauszufinden, ob es für Haushalte interessant sein kann, diese Möglichkeiten auch für eine Reduzierung der Stromrechnung zu nutzen.
Das Ziel der Energiewende im Strombereich ist klar: Vor allem mit Sonne und Wind soll der Strombedarf gedeckt werden, mit flexibleren Stromnetzen und Verbrauchern soll das System stabil gehalten werden um auf Schwankungen in der Erzeugung reagieren können, ohne die Netzstabilität zu gefährden. Und wie bekommt der Hausbesitzer Lust, hier flexibel mitzumachen? Über Preisanreize und vergünstigte Stromkosten, wenn gerade viel Strom verfügbar ist. Solche variablen Stromtarife versprechen, dass sich, nicht nur im Schwabenland, Stromverbraucher anpassen und damit gleichzeitig das System stabil halten und gleichzeitig Geld im eigenen Haushalt sparen.
Und die Strommenge, die in Zukunft (betrachtet wurde das Jahr 2035) für flexiblen Einsatz in Haushalten zur Verfügung steht, ist enorm: Weil massiv Batteriespeicher, Elektroautos und (derzeit weniger massiv) auch Wärmepumpen zugebaut werden, sollen 2035 rund 100 Terawattstunden Stromverbrauch in Haushalten für eine Flexibilisierung zur Verfügung stehen. Das entspricht laut Studie zehn Prozent des zukünftigen Gesamtstromverbrauches.
Vorteil für die Netze
Und ein weiterer Vorteil soll mit flexiblen Stromtarifen erreicht werden: Wenn in den Preissignalen nicht nur die Verfügbarkeit des Stroms abgebildet wird, sondern ebenso die Belastung der Stromnetze, kann auch einer lokalen Überlastung der Stromnetze entgegengewirkt werden. Das spart Netzausbau beziehungsweise vermindert den Druck, die Netze schnell auszubauen.
Und der erste Schritt in diese Zukunft ist getan: Heute haben Haushaltkunden – bis auf wenige Ausnahmen – nur einen zeitlich konstanten Stromtarif. Ab dem Jahr 2025 haben Stromkunden neue Möglichkeiten: Lieferanten müssen auch sogenannte dynamische Tarife anbieten. Der Strompreis reagiert dann beispielsweise in jeder Viertelstunde auf die aktuelle Lage im Stromsystem: hohe Preise in Stunden der Knappheit, billiger Strom, wenn genug Strom zur Verfügung steht.
Und das könnte laut Studie mit variablen Netzentgelten kombiniert werden, um auch die Netzbelastung finanziell abzubilden und damit Anreize zur Lastverschiebung zu generieren. Die Netzentgelte haben zwischen 2012 und 2021 laut BDEW rund 25 % des Haushaltsstrompreises ausgemacht, also ein recht großer Hebel, um hier ein Preissignal zu bilden. Zum 01.01.24 werden die Netzentgelte weiter deutlich angehoben, weil ein Zuschuss des Bundes an die Netzbetreiber wegen der WTF-Problematik entfallen ist.
Diese Kombination (variabler Stromtarif und variable Netzentgelte) werden in der Studie als „dynamische Stromtarife“ bezeichnet, es wird aber auch darauf hingewiesen, dass die aktuelle energiewirtschaftliche Definition (noch) keine variablen Netzentgelte in den dynamischen Stromtarifen enthält. Das ist also noch ein Stück Zukunftsmusik.
Vier Strukturen untersucht
Die vorliegende Studie hat nun vier Szenarien untersucht:
- a) Lowflex: Hier sind Beschaffungspreis und Netzentgelt zeitlich konstant
- b) Flex: Beschaffungspreis dynamisch, aber Netzentgelt konstant
- c) Flex-zeitvarNe: Beschaffung dynamisch, Netzentgelte zeitlich variabel in festen Zeitfenstern
- d) Flex-dynNe: Beschaffung dynamisch, Netzentgelte zeitlich variabel in dynamischen Zeitfenstern
Das Szenario a) entspricht dabei dem heutigen System, d) ist das flexibelste System, von dem auch die größten Effekte zu erwarten sind.
Die Studie beschreibt nun in vielen Details die Auswirkungen der vier Szenarien auf den Stromverbrauch, die Lastverschiebung, die Netzauslastung und insgesamt auf die Verbrauchspreise. Darauf möchten wir an dieser Stelle gar nicht eingehen; die Studie ist unten verlinkt.
Das wichtige Resultat aus Verbrauchersicht ist das in Bild 2 dargestellte: Wer flexible Verbraucher steuern kann, kann seinen durchschnittlichen Strom-Beschaffungspreis deutlich absenken, ja nahezu halbieren (rechts im Bild von 10,4 auf 5,5 ct/kWh). Doch auch Haushalte, die keine Flexibilitäten anbieten können, werden wohl profitieren: Durch den insgesamt „geglätteten“ Stromverbrauch reduzieren sich auch die Steuereingriffe ins Netz und die Kosten des Netzausbaus, die auf den Strompreis umgelegt werden. Für Haushalte ohne Flexibilitäten rechnet die Studie daher mit einem finanziellen Vorteil von rund einem Cent pro kWh (links in Bild 2, von 10 auf 9 ct/kWh).
Die Studie betont auch, dass es nach der erfolgten Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes nun in den Händen der Bundesnetzagentur liegt, die Rahmenbedingungen auch für variable Netzentgelte zu schaffen und einen solchen Mechanismus gemeinsam mit den Netzbetreibern umzusetzen. Wir können gespannt sein, wann die Bundesnetzagentur diesen Ball aufnimmt.
Die ausführliche Studie (121 Seiten pdf, kostenlos, deutsch) ist hier zu finden.