03.11.2023
Mit E-Fuels in die Klimakrise
Ein Bericht von Götz Warnke
E-Fuels, von manchen Spöttern als „E-Pfuis“ betitelt, sind verschiedene, mit Hilfe von Erneuerbaren Energien (Power-to-X) hergestellte, Flüssigkraftstoffe, deren chemische Basis auf Wasserstoff, Kohlenstoffdioxid und bisweilen auch Stickstoff beruht. Da man sie wie erdölbasierte Kraftstoffe in Motoren und Turbinen verbrennen kann, gelten sie vielen Anhängern und Vertretern des konventionellen Motoren- und Triebwerksbaus als Rettung vor der E-Mobilität, die diese Wirtschaftszweige überflüssig machen würde.
Einer der entschiedensten Vertreter der E-Fuel-Nutzung ist Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der im März 2023 mit seiner Intervention in Brüssel den Versuch der EU stoppte, Verbrennungsmotoren im Straßenverkehr ab 2035 zu verbieten. Dabei argumentierte der Minister im Sinne der von der FDP so geliebten „Technologieoffenheit“ man müsse „jede Form klimaneutraler Mobilität zulassen, und welche sich dann am Markt durchsetzt, das müssen wir nicht jetzt entscheiden.“ Entscheidend sei also in jedem Fall der Klimaschutz.
Mit sonstigen Schutzzielen ist es bei den E-Fuels auch nicht weit her: sie erzeugen genau so viel Kohlenmonoxid (CO) und Stickoxide (NOX) wie konventionelle Treibstoffe und ähnlich viel Feinstaub; sie erhitzen die Umwelt in Millionenstädten um 1°C zusätzlich, was in den Großstädten Südostasiens zu tausenden Hitzetoten mehr und gesteigertem Stromverbrauch von Klimaanlagen führen würde; verschwenden Unmengen an Erneuerbaren Energien – ihr Wirkungsgrad von der Erzeugung bis zum Reifenantrieb (Well-to-Wheel) liegt bei maximal 13% – ein Grund, warum E-Fuels teuer sind und es auch bleiben werden. Und sie verursachen mehr Extrafahrten zu Stationen des immer dünner werdenden Tankstellennetzes und in die Werkstätten, da sie anfälliger als E-Autos sind.
Aber zumindest klimafreundlich sollen sie sein, die E-Fuels, – so zumindest die Anforderungen, auch von unserem Bundesverkehrsminister im März diesen Jahres. Daher hat die EU-Kommission im vergangenen September einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der sicherstellen soll, dass ab 2035 neue Verbrenner-Fahrzeuge nur noch mit E-Fuels betankt werden können, und dass die Klimagas-Emissionen hierbei im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen um 100 Prozent gesenkt werden, dass diese E-Fuels also zu 100% klimaneutral sind. Letzteres ist wichtig, da auch mit E-Fuels (Renewable Fuels of Non-Biological Origin/RFNBOs) betriebene Motoren am Auspuff CO2 ausstoßen. Daher sollten die Treibstoffe also zumindest in der Herstellung und den Vorketten CO2neutral sein sollten, was u.a. die Abscheidung des CO2 aus der Luft, und nicht etwa aus den Abgasen eines Braunkohlekraftwerks beinhaltet.
Immerhin muss und will Deutschland bis 2045 klimaneutral sein; da passen die über gewöhnlich 12 Jahre genutzte Verbrenner-Fahrzeuge mit schmutzigen E-Fuels so gar nicht ins Bild.
Doch der Minister, dem noch im März (s.o.) der Klimaschutz so sehr am Herzen lag, möchte jetzt entgegen der EU-Kommission nur noch 70prozentige Reduktion der Klimagas-Emissionen hierbei im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen für die E-Fuels festgeschrieben haben. Hintergrund ist nicht ein ominöses Tricksen der Brüsseler Kommission, sondern eher, dass den Verantwortlichen im Verkehrsministerium schwant, dass es mit der großen Technologieoffenheit hier aus physikalischen, technischen und finanziellen Gründen nichts werden wird.
Dass echter Klimaschutz mit der Wissingschen 70%-Reduktion nicht funktioniert, zeigt auch eine neue, im Oktober veröffentlichte Kurzstudie der europäischen Umweltorganisation Transport & Environment (T&E). Diese hatte sich schon in der Vergangenheit intensiv mit dem Thema E-Fuels und Umweltschutz befasst; jetzt ging es um die Klimaauswirkungen. Als Vergleichsbasis verwendet T&E folgende Prämissen: europäische C-Segment-Fahrzeuge („Golf-Klasse“), einerseits ein Benziner-Neuwagen des Jahres 2035, der dann mit Fossil-Fuels 94 gCO2eq/MJ ausstoßen wird (heute > 160 gCO2eq/MJ), andererseits ein E-Neuwagen, dem die durchschnittliche Kohlenstoffintensität des europäischen Stromnetzes angelastet wird. Bei einer 70prozentigen Reduktion des CO2 durch den Einsatz von E-Fuels im Benziner-Fahrzeug ergibt das immerhin noch 61 gCO2, während das E-Auto mit Strom aus dem europäischen Stromnetz gerade einmal auf 13 gCO2 kommt. E-Fuel-Fahrzeuge mit der Wissingschen 70-Prozent-Reduktionsidee emittieren also fünfmal sowie CO2 wie batterie-elektrische Fahrzeuge (BEV). Und, was T&E nicht sagt: werden die E-Autos nicht mit dem durchschnittlichen EU-Netzstrom, sondern mit Ökostrom aus dem Netz oder von der eigenen PV-Anlage auf dem Dach betrieben, liegen ihre CO2-Emissionen schon heute praktisch bei Null!
Fazit
Die aufgeweichten, deutschen E-Fuels-Konzepte mit der 70%-Reduktion führen zu einem Ausbremsen des Klimaschutzes im Verkehr, und dazu, dass ein CO2freier, klima- und(!) umweltfreundlicher Verkehr in weite Ferne rückt. Damit reiht sich diese Maßnahme in eine endlose Kolonne von politischen (Fehl-)Entscheidungen ein – frei nach dem Motto „Zu schwach, zu spät, zu falsch“ – , die die Klimakrise befeuern und letztlich in eine wie immer geartete Katastrophe führen werden. Und wieder spielt dabei der missbrauchte Begriff der „Technologieoffenheit“ eine Rolle, der eine faire Vergleichbarkeit suggeriert, aber in Wirklichkeit „Äpfel mit Birnen vergleichen“ will.