29.09.2023
Klimaproteste genauso wichtig wie Klimaleugnung?
Eine Studien-Hinterfragung von Heinz Wraneschitz
Immerhin jede:r Fünfte in Deutschland hält die Klima- und Klebe-Proteste der „Letzten Generation“ für notwendig, damit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft endlich entschlossen handeln. Doch mehr Bundesbürger:innen – genau 24 Prozent, also fast ein Viertel -, glaubt nicht an den menschengemachten Klimawandel.
Das sind nur zwei einer ganzen Reihe interessanter Erkenntnisse der kürzlich veröffentlichten „Sustainability-Studie 2023“ des Verbands der Technischen Überwachungsvereine TÜV Deutschland.
Erschreckend auch: Fast ein Drittel - genau 30 Prozent – sehen im Klimawandel keine Bedrohung. Und 23 Prozent der Deutschen glauben, sie selbst seien nicht von den Auswirkungen der – eigentlich für jedermensch tagtäglich erlebbaren – schlimmen, negativen Klimaveränderungen betroffen.
Leben diese Menschen womöglich so tief unter der Erde wie der Kleine König Kalle Wirsch der Kunderbuchautorin Tilde Michels, den einst die Augsburger Puppenkiste so wunderbar ans Tageslicht des Deutschen Fernsehens transferiert hat?
Dieser Kleine Erdmännchenkönig war die Ehrlichkeit in Person. Dagegen behaupten laut Studie insgesamt 76 Prozent der Befragten lediglich, „sie kaufen nachhaltig. Tatsächlich aber sind ihnen aber Preis, Design und Qualität wichtiger, wenn genauer nachgefragt wird“, so Johannes Bussmann bei der Vorstellung der repräsentativen Umfrage, die vom 28. Juli bis 8. August 2023 unter 1.000 Personen ab 16 Jahren stattgefunden hat. Und – kaum zu erwarten: Immerhin 17 Prozent gaben in der von IPSOS durchgeführten Untersuchung zu, Nachhaltigkeit spiele für sie überhaupt keine Rolle, so der Präsident des TÜV-Verbands e.V. und Vorstandsvorsitzender (CEO) der TÜV SÜD AG.
Und die Befragten fanden Gründe, nachhaltig produzierte Produkte nicht kaufen - meist vorgeschobene: „Zu teuer. Angaben schwer vergleichbar. Unklar ist, was mit den Angaben gemeint ist, fehlende Informationen.“ Das nennt Bussmann „fatal“. Denn eigentlich gebe es ja schon jene von vielen geforderte „gesetzliche Verpflichtung auf Nachhaltigkeit beim Design: Die Ökodesignrichtlinie.“
Die aber sei kaum bekannt, weshalb das Vertrauen in so produzierte Produkte verloren gehe.
Passend dazu wurde auch gefragt, wie und wer die Einhaltung solcher Umweltvorgaben prüfen solle. Und – oh Wunder: Die Hälfte aller Befragten nannten die TÜVs und sonstigen „unabhängigen Prüforganisationen“ als geeignet, dagegen wurden staatliche Stellen nur von 22 Prozent genannt.
Das Gebäudeenergiegesetz: Beliebter als erwartet!
Achja, andererseits ist kaum zu glauben: 59 Prozent der Befragten sind „grundsätzlich für das Heizungsgesetz“, also für den vorgesehenen Ausstieg aus der Heizungstechnik mit Öl oder Gas. Wer die letzten Monate in die Medien gehört oder gesehen hat, konnte das Gegenteil vermuten. Sprich: Wer am lautesten schreit, kommt offensichtlich in Radio, Fernsehen, Zeitung zu Wort, nicht die vielbeschworene „schweigende Mehrheit“. Und deshalb wundert es nicht, dass das von Springer, Aiwanger, Söder, Afden und Co. kritisierte, aber überhaupt nicht „Ampel“-seitig geplante Verbot von Öl- und Gasheizungen von 61 Prozent der Studienteilnehmer:innen als „nicht sinnvoll“ bezeichnet wird.
Aber augenscheinlich hat 81 Prozent der Deutschheit immerhin begriffen: Energiesparen spart sogar Geld. Doch nur 49 Prozent tun es aus Klimaschutzgründen. Den Ausbau der Erneuerbaren Energien fordern 83 Prozent der Befragten, selbst den Kohleausstieg wollen 57 Prozent noch weiter beschleunigen.
Tief gespaltene Gesellschaft
Und was ist die Quintessenz dieser jüngsten Befragung seines TÜV-Verbands? Noch einmal Johannes Bussmann: „Die Bevölkerung ist tief gespalten. Die einen ignorieren, die anderen kleben sich auf der Straße fest. Und der breiten Masse ist alles zu teuer.“ Immerhin 75 Prozent haben denn auch der Aussage, „Es ist noch nicht zu spät, jetzt noch etwas gegen den Klimawandel zu tun“, nicht zugestimmt. Drei Viertel der Deutschen ist also völlig schnurz, wie es den nachfolgenden Menschengeneration ergehen wird auf dieser unserer Erde. Denn sie sind offensichtlich nicht unter jenen 68 Prozent gewesen, die zunächst zu diesem Statement heftig mit dem Kopf genickt haben: „Wenn alle ihr Konsum- und Mobilitätsverhalten ändern, kann der Klimawandel abgeschwächt werden.“ Denn verantwortlich dafür für die Klimaschutz-Maßnahmen seien ja nicht sie selbst, sondern Politik, Industrie und Wirtschaft: Das meinen zumindest drei Viertel der Befragten.
Reichlich mysteriös, das Ganze.