04.08.2023
Gebäudesanierungs- statt Gebäudeenergiegesetz
Gastbeitrag von Ulf Bossel
Wärmedämmung kommt vor Wärmepumpe: Der Wechsel von fossil beheizten Kesseln zu elektrischen Wärmepumpen ist sicherlich richtig und sollte mit höchster Energieeffizient erfolgen. Mit dem vorgelegten Gebäudeenergiegesetz sollen die bei der Verbrennung von Erdgas, Heizöl oder Kohle entstehenden CO2-Emissionen möglichst schnell gesenkt werden. Offenbar wurden bei der Vorlage die Rangfolge der notwendigen Massnahmen nicht berücksichtigt. Die Wärmewende beginnt mit der Verringerung der Wärmeverluste, also mit der energetischen Sanierung der Gebäudehülle und endet im Heizungskeller. Der wesentliche erste Schritt wird im Gesetzentwurf jedoch nicht behandelt. Mit einem „Gebäudesanierungsgesetz“ müsste zuerst die energetische Verbesserung der Gebäudehülle (Wände, Fenster und Dach) geregelt werden. Erst dann können angepasste Massnahmen im Heizungskeller vorgenommen werden. Diese Reihenfolge leuchtet ein und dürfte kaum diskutiert werden. Für diese Strategie sprechen technische und ökologische Argumente.
- Viele Altbauten können nicht mit Wärmepumpen beheizt werden, weil prozessbedingt auch mit viel Aufwand die erforderlichen Vorlauftemperaturen nicht erreichen werden können. Zuerst sollte die Heiztemperatur durch Sanierung der Gebäudehülle soweit reduziert werden, dass sich der gewünschte Wohnkomfort auch mit einer Wärmepumpe kostengünstig sichern lässt. Auch erfordert der hohe Wärmebedarf von Altbauten teure Erdsonden oder Luftwärmtauscher.
- Der Einsatz von Wärmepumpen führt zu einem erhöhten Strombedarf im Winter, wenn Solarstrom Mangelware ist. Die Heizung mit heimischem Grünstrom und Wärmepumpe wird nur nach energetischer Sanierung der Gebäudehüllen gelingen. Mit den diskutierten Veränderungen im Heizungskeller werden Probleme bei der Stromversorgung im Winter geschaffen.
- Nach dem Ausstieg aus der Kernenergie wird Strom vorwiegend in Kohle- oder Gaskraftwerken erzeugt. Dabei wird das schädliche Treibhausgas CO2 in grossen Mengen abgeblasen. Bei der Verbrennung von einer Tonne Kohle entstehen etwa 3.5 Tonnen CO2. Mit dem Umbau im Heizungskeller wird der Verbrennungsprozess vom Heizkessel des Gebäudes zum Heizkessel des Kraftwerks verlagert. Die CO2-Bilanz ändert sich kaum wenn Wärmepumpen mit Kohlestrom bedient werden, denn sie sind nur mit Grünstrom sauber. Dafür müssen die nachhaltigen Stromquellen zuerst einmal die massiv ausgebaut werden. Mit dem Gebäudeenergiegesetz wird der Klimawandel also nur mit erheblicher Zeitverzögerung gestoppt.
- Mit der energetischen Gebäudesanierung wird der Brennstoffbedarf sofort und für immer wesentlich gesenkt. Die CO2-Emissionen werden auch dann bleibend verringert, wenn weiterhin mit fossilen Brennstoffen geheizt wird. Erst wenn ausreichend Grünstrom verfügbar ist, kann die Umstellung auf Wärmepumpen erfolgen und der CO2-Ausstoss auf nahezu null senkt werden.
- Für energetische sanierte Gebäude ergeben sich einige Möglichkeiten zur Verringerung der Stromlieferung für kleinere Wärmepumpen. So könnte der Strom von der eigenen Solaranlage kommen. Wegen des geringen Nachheizbedarfs kann die Wärmepumpe bevorzugt dann betrieben werden, wenn Solarstrom im Überfluss zur Verfügung steht, also zu tagsüber. Energieautarke Gebäude ohne Netzanschluss sind denkbar und wegen der hohen Energieeffizienz auch volkswirtschaftlich erwünscht.
- Das Stromnetz wird für den langfristigen Bedarf angepasst und nicht für den vorübergehend künstlich mit überdimensionierten Wärmepumpen geschaffenen Strombedarf ausgebaut. Die Gebäudehüllensanierung schafft also nicht nur die Basis für Massnahmen im Heizungskeller, sondern auch für eine nachhaltige Optimierung der Stromnetze.
- Der Wert einer Liegenschaft steigt mit der Verbesserung der Wärmehülle. Die thermische Sanierung hat bleibenden Wert. Die Kosten dafür können deshalb hypothekarisch abgesicherte und damit auf mehrere Jahre verteilt werden. Die Massnahmen im Heizungskeller dienen jedoch dem Erhalt der Gebäudefunktion und müssen als Betriebskosten sofort erfasst werden.
- Die finanzielle Abwicklung des Sanierungsvorhabens wird stark vereinfacht. Zuschüsse sind nicht, wie im Gebäudeenergiegesetz vorgesehen, mit bürokratischen, technischen und persönlichen Auflagen verbunden. Die Sanierungshypotheken werden ganz normal von Banken und Bausparkassen zu vergeben. Der Staat beteiligt sich anteilig an den Zinsen. Um die energetische Sanierung der Gebäudehülle für alle Hausbesitzer attraktiv zu machen, sollten die Hypothekenzinsen etwa den eingesparten Heizkosten entsprechen. Zur Beschleunigung der Gebäudesanierung könnte der Staat seine Beteiligung an den Zinskosten zeitlich senken. Wer zuerst saniert wird mit den höchsten Vergünstigungen belohnt.
Mit der energetischen Sanierung der Gebäudehülle und der damit verbundenen starken Reduzierung des Heizwärmebedarfs ergeben sich für Hausbesitzer einige Möglichkeiten für individuelle Massnahmen zur Verringerung der Energiekosten. Mit der dezentralen Ernte des Grünstroms wird die Wärmewende auch zu Anpassungen bei der Stromversorgung führen. Der Einsatz von Erdgas und Heizöl wird abgebaut.
Der vorliegende Entwurf des „Gebäudeenergiegesetzes“ ist eigentlich der zweite Schritt der Wärmewende und sollte möglichst schnell sistiert werden. Die Wärmewende beginnt mit einem „Gebäudesanierungsgesetz“, das die Voraussetzungen für Massnahmen im Heizungskeller schafft. Zusammen mit der Gebäudesanierung werden sicherlich auch Wärmepumpen und Pelletheizungen installiert. Zum Vorteil vieler Hausbesitzer können bestehende Heizungsanalgen neueren Datums jedoch weiter betrieben werden, bis sie altersbedingt ersetzt werden müssen. CO2-Emissionen werden durch die Verminderung des Brennstoffverbrauchs drastisch gesenkt. Hauseigentümern wird der bürokratische Aufwand erspart, weil die Zusatzhypothek ein normales Bankgeschäft ist und Banken den staatlichen Anteil an der Verzinsung direkt anfordern können.
Die Verbesserung der Wärmedämmung von Gebäuden wirkt nachhaltig. Sanierte Gebäude bleiben bis an ihr Lebensende energetisch saniert, während Veränderungen im Heizungskeller nur eine zeitlich begrenzte Lebenserwartung haben. Massnahmen im Heizungskeller obliegen dem Hausbesitzer, der sich nach Sanierung der Gebäudehülle technologieoffen für eine Wärmepumpe, eine Pelletheizung oder andere innovative Lösungen entscheiden kann. Die CO2-Reduktion ist jedoch von allgemeinem Interesse und sollte vom Staat durch zinsgünstige Hypotheken gefördert werden. Die Zinslast sollte etwa den ersparten Heizkosten entsprechen, damit die Gebäudesanierung für den Hausbesitzer kostenneutral erfolgen kann. Für die im Heizungskeller notwendigen Massnahmen ist jedoch der Besitzer zuständig. Er plant den Erhalt seines Gebäudes, erteilt Aufträge und unterstützt die notwendigen Arbeiten mit Eigenleistungen. Das Ziel des vorliegenden Gesetzes, die Verminderung der CO2-Emissionen, kann erst nach Abschaltung der Kohlekraftwerke erreicht werden. Deshalb sollte der vorliegende Gesetzentwurf sistiert werden. Start der Wärmewende ist die Verabschiedung und Verwirklichung eines „Gebäudesanierungsgesetzes“.