14.07.2023
Wasserstoff: Energieregion Nürnberg führt und schweigt
Ein Bericht von Heinz Wraneschitz
„In Stuttgart fährt bald der erste Wasserstoff-Bus der Welt im Linienverkehr!“ musste sich Peter Bung kürzlich sagen lassen. Was jedoch nicht stimmt: Diese Weltneuheit war bereits vor Jahren auf Frankens Straßen unterwegs. Doch das hat sich wohl nicht bis in die Spätzle-Metropole herumgesprochen.
Typisch: Franken zurückhaltend
Manchmal scheint sie schon hinderlich, die typisch fränkische Zurückhaltung. Bung, Geschäftsleiter des Vereins Energieregion Nürnberg weiß ein traurig´ Lied davon zu singen – auch und gerade wenn es um die Wasserstofftechnologie geht.
Wasserstoff = Stromspeicher
Wasserstoff – kurz H2 – spielt in der Zukunft der Energietechnik eine gewichtige Rolle, gerade als Speichermedium für elektrischen Strom. Größere Strommengen zu speichern ist heutzutage sehr aufwändig und teuer: Pumpspeicherwerke wie der Happurger Stausee werden angelegt, um Spitzenstrom zu erzeugen. Oder Kraftwerksblöcke wie die in Nürnberg-Gebersdorf werden das ganze Jahr bereitgehalten, um gerade mal an ca. 200 Stunden die Lastspitzen abzudecken, die besonders an kalten Wintermorgen Engpässe in der Stromversorgung verursachen.
Mit H2 als Speichermedium wäre vieles leichter: Das Gas lässt sich sowohl in Motoren nutzen, es ist auch katalytisch zu Heizzwecken einsetzbar. Und nicht zuletzt kann mittels „kalter Verbrennung“ in sogenannten Brennstoffzellen aus H2 immer dann Strom und Wärme gewonnen werden, wenn benötigt. Und das nicht nur in großen Kraftwerken, sondern auch im Einfamilienhaus: Verschiedene Heizungshersteller wenden heute bereits erkleckliche Forschungsmittel auf, um die „Hausbrennstoffzelle“ marktreif zu machen.
Problem bei Sonne und Wind gelöst
Doch gerade für Strom aus erneuerbaren Energiequellen (EE) wie Wind oder Sonne setzen Fachleute auf H2 als Speichermedium: Solarpionier Ludwig Bölkow oder der frühere AEG-Forscher Reinhard Dahlberg planten eine „Solare Wasserstoffwirtschaft“ (SoWaWi). Im Kleinen war die SoWaWi in Neunburg vorm Wald zu bestaunen. Mit Hilfe großtechnischer H2-Speicherung wären die oft gegen EE angeführten Probleme wie „Die Sonne scheint nur tagsüber“ oder „Der Wind bläst wann er will“ mit einem Schlag gelöst.
Doch um eine SoWaWi in großem Stil nutzen zu können, müssen noch einige der notwendigen Technik-Komponenten zu Massenprodukten werden: Nur in Kleinserien oder Prototypen gibt es heute Brennstoffzellen, H2-Speicher oder eben den ersten Wasserstoffbus. Doch was die Wenigsten wissen: die Energieregion Nürnberg ist vielfach führend in H2-Forschung und Fertigung. So wurden wesentliche Teile des beschriebenen Busses bei MAN in Nürnberg gefertigt – und die Verkehrs-AG (VAG) setzte das Testfahrzeug in Nürnberg und Erlangen im Linienverkehr ein.
Siemens-BZ auf U-Booten
Auf U-Booten weisen seit Jahrzehnten Brennstoffzellen (BZ) von Siemens Erlangen erfolgreichen Einsatz nach: Demnächst werden solche BZ auch auf Luxusyachten beweisen, was fränkische H2-Technik zu leisten vermag. Und nicht zuletzt sind BZ aus Schwabach die möglicherweise weltweit am Meisten verbreiteten: In Modellbausätzen verschiedener Elektronik-Versender finden sich kleine aber feine BZ der jungen Firma H2-Interpower wieder. Dazu stammt der Speicher der Bausätze, ein so genannter Metallhydridspeicher, ebenfalls aus der Energieregion, nämlich von HERA, einem Gemeinschaftsunternehmen der Nürnberger Gesellschaft für Metallurgie (GfE) mit einem US-Hersteller.
Fränkische Technik überall drin
Als kürzlich in Hamburg die H2-Expo lief, eine führende Wasserstoffmesse, hatte kein einziger Hersteller der Energieregion Nürnberg dort einen eigenen Stand. Doch viele anwesende Hersteller von anderswo hatten Produkte von Hera oder H2-Interpower in ihre vorgestellten Produkte eingebaut. Aber wer weiß, dass Franken in der H2-Technologie führend ist, wenn niemand drüber redet?
Ein Kommentar hintendran
Den vorstehenden Bericht habe ich bereits vor zehn Jahren verfasst. Erschienen ist er damals u.a. in den Nürnberger Nachrichten.
Und wer bis hierher gelesen hat, versteht nun wohl auch, warum wir vom DGS-News-Team seit langer Zeit dem Thema Wasserstoff so geringe, aktuelle Bedeutung einräumen. Denn einige der genannten Unternehmen gibt es heute nicht mehr – hatten sie womöglich mehr auf Forschungsgelder als auf echten Umsatz gesetzt und irgendwann den Betrieb eingestellt?
Im Zusammenhang mit der „Solar-Wasserstoff-Bayern“ in Neunburg vorm Wald – betrieben in den 1990er Jahren – sei auf das im laufenden Jahr 2022 groß gefeierte Solar-Wasserstoff-Projekt in Pfeffenhausen (Niederbayern) verwiesen: Dort wird nahezu derselbe Aufbau wie bei SWB wiederholt. Doch die „neuen“ Forscher:innen haben wahrscheinlich keine Ahnung, dass sie alte Schläuche nur neu füllen. Aber es gibt ja wieder massiv Forschungsgelder, hier vermittelt vom als Mautverbrenner berühmten CSU-Experten A. Scheuer.
Wasserstoff-Linienbusse werden übrigens ebenfalls heuer wieder als „ganz neu“ gefeiert – diesmal in Oldenburg.
Die Energieregion Nürnberg sieht sich übrigens immer noch führend bei H2-Technologien, nennt sich gar inzwischen "Wasserstoff-Metropolregion Hy+" und hat ihr Schweigen aufgegeben. Aber ob das hilft?
Heinz Wraneschitz