07.07.2023
Zeichen der Zeit: Rekommunalisierung der Fernwärme
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Wird das Berliner Fernwärmenetz rekommunalisiert? Das ist der Wunsch zahlreicher Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft. Unter dem Motto „Fernwärme in öffentliche Hand – für Berlin und das Klima“ fand diese Woche eine Kundgebung vor der schwedischen Botschaft statt. Die Forderung an die Regierenden lautet, „dem Land Berlin den (Rück)Kauf der Fernwärmeversorgung zu ermöglichen“. An der Protestaktion beteiligten sich die Organisationen „Berliner Energietisch“, „BürgerBegehren Klimaschutz“ und „Naturfreunde Berlin“.
In den 90er Jahren war die Energieversorgung der Hauptstadt mehrheitlich im Besitz des Landes Berlin. Ab Ende der 90er wurden die Anteile nach und nach verkauft, bis die BEWAG vollständig privatisiert wurde. Mehrere Dekaden später findet die Idee von Privatisierungen weniger Befürwörter:innen. Durch die vielfältigen Krisen der letzten Zeit erkennen viele Menschen die Bedeutung einer funktionierenden und bezahlbaren Infrastruktur und die öffentliche Daseinsvorsorge erlebt eine Renaissance, wie der Deutschlandfunk letztes Jahr berichtete. In dem Interview kritisierte der Organisator einer Demo, Vincent Janz, dass die Privatisierung von Produktion und Dienstleistungen durch Großkonzerne nicht zur umfassenden Grundversorgung der Allgemeinheit führe. Eine Rekommunalisierung würde erreichen, dass die Gesellschaft zurückkehrt „zu dem System: Wir zahlen aus unseren Steuergeldern und Gebühren das, was wir in der Daseinsvorsorge brauchen und verbrauchen und nicht mehr und nicht weniger“, sagte Carl Waßmuth, Gründer der NGO „Gemeinwohl in BürgerInnenhand“ im gleichen Interview.
In Hamburg waren solche Initiativen bereits erfolgreich, das Stromnetz wurde 2014 zurückgekauft, 2018 das Gasnetz. Seit 2019 ist auch das Fernwärmenetz in städtischer Hand.
Das Berliner Fernwärmenetz
Nun besteht die Möglichkeit für Berlin, dass die Fernwärme bald wieder in öffentlicher Hand sein kann. Der staatliche schwedische Energiekonzern Vattenfall AB kündigte den Verkauf der Vattenfall Wärme Berlin AG an. Vattenfall Wärme betreibt Berlins größtes Fernwärmenetz, mit rund 1,4 Millionen angeschlossenen Wohneinheiten. Das Verbundnetz inklusive der dezentralen Erzeugung
hat eine Trassenlänge von etwa 2.030 km und versorgt Kunden mit einer gesamten thermischen Anschlussleistung von circa 5,5 GWth. 77 % der Fernwärme wird mit Gas, 18 % mit Steinkohle und 5 % mit Erneuerbaren Energien produziert.
Bereits vor drei Jahren kritisierten Klimaschutzaktivist:innen, dass Berlin zu den „Schlusslichtern im Bundesvergleich bezüglich erneuerbarer Wärme“ gehöre, damals lag der Anteil Erneuerbarer Energien im Wärmebereich bei unter 4 % (die DGS-News berichteten). Der Berliner Senat bemüht sich um die Übernahme des Fernwärmenetzes von Vattenfall sowie der Vattenfall-Anteile an der Gasag (31,6 %). CDU und SPD bekräftigten diese Absicht im Koalitionsvertrag, wie der Tagesspiegel berichtete.
Ein Brief an die schwedische Regierung
Nach Nach eigenen Angaben verfolgt Vattenfall Wärme das Ziel, bis zum Jahr 2040 „Klimaneutralität“ zu erreichen. Das sagte auch Vorstandsvorsitzender Christian Feuerherd kürzlich in einer Pressemitteilung.
Bei der Kundgebung vor der schwedischen Botschaft in Berlin überreichten die Demonstrierenden einer Botschaftsmitarbeiterin ein Schreiben an den schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson. Die Klimaschutzaktivist:innen fordern die schwedische Regierung auf, aufgrund der „gemeinsamen Verpflichtung der EU-Mitgliedsländer Schweden und Deutschland zum Klimaschutz und zu sozialer Kohäsion“, den Verkauf des Fernwärmesystems an das Land Berlin zu ermöglichen. Sie argumentieren, dass der Staatskonzern Vattenfall „wesentlich die ökonomische Verantwortung für die Versorgung der Stadt Berlin mit Fernwärme“ trage. „Hochrelevant“ sei es, „dass die Fernwärmeversorgung durch die öffentliche Hand und nicht durch Finanzinvestoren bzw. Pensionsfonds erfolgt und verantwortet wird“, so das Schreiben im Wortlaut.
Rabea Koss vom BürgerBegehren Klimaschutz, weist darauf hin, dass sich das Unternehmen weiterhin offenhalte, das Fernwärmenetz meistbietend zu verkaufen. Deshalb gibt es unter den Klimaschutzaktivist:innen Zweifel, ob Vattenfall tatsächlich nur an einen Bietenden verkaufen wird, „der den begonnenen Umbau mit dem Ziel der Erlangung von Klimaneutralität bis spätestens 2040 fortführen will“, wie es im Schreiben an die schwedische Regierung steht.
Bei Redaktionsschluss hatte die schwedischen Regierung noch nicht auf das Schreiben geantwortet. Auf Nachfrage erklärte Michael Efler, Mitglied des Vorstands des Vereins BürgerBegehren Klimaschutz, warum sich das Bündnis nicht an die Berliner Politik, sondern an die Regierung in Schweden gerichtet hat. Die Entscheidung über den Verkauf werde nicht in Berlin, sondern in Schweden getroffen. „Deshalb hat sich das Bündnis entschieden, den schwedischen Staat zu adressieren“, sagte Efler.