09.06.2023
Goldgräberstimmung am Acker
Eine Kritik von Heinz Wraneschitz
Und wieder grüßt das Murmeltier mit Namen Pachtpreis – diesmal wegen des Freiflächenbooms bei PV-Anlagen. Was waren das für Diskussionen, als im ersten Jahrzehnt dieses Millenniums tausende Biogasanlagen auf diesem unserem flachen Lande entstanden – und dafür zigtausend Hektar Ackerland mit der so genannten „Monokultur Mais“ bepflanzt werden mussten. „Teller statt Tank“ – darüber wurde genauso heftig gestritten, als die Idee aufkam, Pflanzenöl zum Antrieb von Pkw, Lkw oder gar Landmaschinen einzusetzen.
Während sich Letzteres durch ein Steuergesetz eines SPD-Ministers mit Vornamen Peer recht schnell erledigt hatte, führte der als „Vermaisung des Landes“ beschimpfte Biogasboom zurecht zu deutlich steigenden Pachtpreisen für Ackerland. Vor allem dort, wo Menschen die Chance nutzten, mit der Wärme vom Bauern ihre Dörfer zu beheizen. Oder wo Energieunternehmen Megawatt-Bioerdgasanlagen in Industriegebiete aufgestellt hatten. Schnell machten hier Pacht-Angebote von über 1.000 Euro pro Hektar die Runde.
Doch solche Zahlen sind Peanuts im Vergleich zu Avancen, die ganz aktuell in den so genannten Sozialmedien oder auf Anzeigenseiten von Tageszeitungen und Wochenblättern zu finden sind.
Blender überall
„LAND VERPACHTEN FÜR PHOTOVOLTAIK! HEUTE ANGEBOT ANFORDERN!“ wirbt beispielsweise in schreierischen Großbuchstaben eine 25.000-Euro-GmbH mit Sitz am Berliner Kudamm. Das Versprechen: „Verpachten Sie Ihr Land für Photovoltaikanlagen & profitieren Sie von unzähligen Vorteilen“. Vor allem können sich Grundbesitzende von Acker- wie Grünland „bis zu 4.000 €/ha Jahrespacht sichern“.
Eher kleingedruckt der Satz: „Vertrauen Sie der langjährigen Expertise unserer Mitarbeiter und Subunternehmen im Bereich der Errichtung von Erneuerbaren Energien.“ Denn selber scheint die Firma nicht viel Expertise zu haben, wurde sie doch erst Mitte 2021 gegründet. Ein Gründungsgeschäftsführer wurde übrigens bereits abgelöst.
Etwas weniger reißerisch, aber dennoch ohne jeden Rest an Zweifel wirbt ein privates Institut aus Bayern für „doppelt nachhaltiges Investieren in Sachwerte“, und meint damit seine „erfolgreichen Solarprojekte“. Wie genau das Institut und/oder seine Geld-Anlegenden an den über 100 „Referenz-Standorten“ beteiligt sind, erschließt sich nicht wirklich. Nur, dass es sich beim Geschäftsmodell offensichtlich um das Einwerben von Nachrangdarlehen handelt – zwar sicher verzinstes Investorengeld, aber mit bestimmt noch sichererem Mehrfachgewinn für die Firma. Die ist immerhin schon ein paar Jahre im Handelsregister eingetragen.
Lieber auf Bewährtes setzen
Altbekannte, alteingesessene Projektentwickler können da oft nicht mehr mithalten – außer, potenzielle Verpächter vertrauen lieber erfahrenen Partnern mit langjähriger Erfahrung. Die setzen meist auch weniger auf den eigenen Gewinn als die Beteiligung von regionalen Investoren daran und die Zusammenarbeit mit den Ortsgemeinden. Eine gute Hilfe könnte hier die Mitgliederliste der DGS sein.
Wie der Autor selber erlebt hat, kann es dann schon einmal passieren, dass wegen der irren Entwicklung am Strommarkt in einem Jahr mehr Geld aufs Konto fließt, als am Anfang investiert wurde.
Ich bin sicher: nächste Woche auf der Vielfachmesse in München, die einmal Intersolar hieß, da werden an vielen goldglänzenden Ständen Menschen in dunklen Anzügen um Investoren werben – oder nach Riesen-Pachtgelände für Freiflächen-PV gieren. Auch „Agri-PV“ wird da sicher oft zu lesen sein – dieweil außer Forschungsprojekten da noch nicht wirklich viel umgesetzt wurde oder wird.
Schauen, wer dahinter steckt
Doch bitte lassen Sie sich nicht blenden von den glänzend versprochenen Aussichten – schauen Sie hinter die Kulissen der Beteiligungs-Anbieter und Flächensucher. Denken Sie daran: Regionale aufgestellte und nachhaltig entwickelte Projekte unterstützen viele Menschen, Kommunen und die Allgemeinheit. Echte Bürgersolarprojekte oder Energiegenossenschaften sind oft gute Anlaufstellen – auch wenn diese nicht so laut tönen. Denn nicht selten finden sich hinter großartigen Werbesprüchen sogar direkte Verbindungen zu Luftfahrtunternehmen oder Groß-Energie-Konzernen.