26.02.2021
Wege zur erneuerbaren Netzwärme
Eine Analyse von Götz Warnke
Nein, es ist ja nicht gerade „das gelbe vom Ei“, was oft dabei herauskommt, wenn Umwelt- und Naturschutz-Verbände über den Erneuerbaren Energien (EE) brüten. Insofern kann man als mit den EE befasster Autor eine gewisse Skepsis nicht vermeiden, wenn ein Umweltverband sich zum Thema grüne Fernwärme äußert. Dies hat Mitte Februar die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in ihrem 12seitigen Papier Mehr grüne Fernwärme - Sieben Forderungen der DUH getan.
Ist also die Skepsis berechtigt?
Die DUH beginnt schon mal sehr gut – mit einer großen Freiflächen-Solarthermieanlage auf dem Titelbild. Dies ist immerhin die flächeneffizienteste und nachhaltigste Form der Gewinnung grüner Fernwärme, wie traditionell viele Beispiele aus Dänemark, aber inzwischen auch aus Deutschland zeigen. Im Inhaltsverzeichnis des DUH-Papiers wurde dann allerdings die 3. Forderung „Fördermerkmal ‚hocheffiziente KWK‘ in der EU-Energieeffizienz-Richtlinie (EED) und in der EU-Beihilfe-Leitlinie (EEAG) abschaffen“ vergessen.
In der Einleitung verweist die DUH auf den heutigen Status quo der marginalisierten regenerativen Fernwärme: Von rund 1.330 Terawattstunden (TWh) des jährlichen Wärmbedarfs in Deutschland fließen 220 TWh über Wärmenetze, davon 120 TWh in öffentlichen Netzen. Von den 220 TWh wiederum sind nur 15% nominell erneuerbar, nur 1% stammen aus Geo- oder Solarthermie sowie von Umweltwärme. [Auch wenn die DUH nicht explizit darauf verweist, so stammt der überwiegende, „erneuerbare“ Anteil also aus Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK), (Alt-)Holz- und Müllverbrennung, aus mit Düngemitteln gefördertem Mais in Biogasanlagen etc.] Dabei sei Fernwärme durchaus sinnvoll, zumal, wenn sie verschiedene Wärmequellen einbinde und Wärme dahin liefere, wo sie ortsnah nicht erzeugt werden könne. Leider ist die EU beim Ausbau der Erneuerbaren Fernwärme (EFW) keine echte Hilfe, soll doch nach ihrer Richtlinie Renewable Energy Directive II. zwischen 2020 und 2030 der Anteil Erneuerbarer Energien in der Fernwärme jährlich gerade einmal um einen Prozentpunkt steigen. Deutschland hat dieses Ziel übernommen, wird also in 2030 nur 30 % erreichen.
Aus dieser Ausgangssituation heraus leitet die DUH sieben Forderungen ab:
1. Erneuerbare Fernwärme nicht mehr über fossilen Umweg fördern
Bisher wird die EFW indirekt über mit Gas betriebene Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlagen) gefördert: diese erhalten für jede erzeugte kWh Strom (!) eine Vergütung, was natürlich die Ausbreitung der KWKs und damit auch des fossilen (Erdgas!) Stroms und fossiler Wärme fördert. Stattdessen soll die Erneuerbaren Fernwärme künftig technologiespezifisch, d.h. gemäß den Besonderheiten der jeweiligen EE-Technologie gefördert werden. Hier legt die DUH ihren Finger in eine offene Wunde unseres Fördersystems, die schnellstens geschlossen gehört.
Aber: "Eine Förderung der Abwärmenutzung ist abzulehnen, wenngleich sie unter Umständen eine sinnvolle Lösung ist." Diese Einschränkung ist hingegen sinnlos, da die (regenerative!) Abwärme von Kühlhäusern, Molkereien, großen Gewächshäusern etc. durchaus in kalten oder warmen Wärmenetzen genutzt werden kann.
2. Erzeugung von Wärme und Strom trennen
In den fossil-befeuerten KWK-Anlagen führt die zwangsweise Koppelung der Sektoren Strom und Wärme dazu, dass sich das Gesamtsystem stets nach dem dringenden Bedarf eines der Sektoren richten muss, was fast immer zu eine Überproduktion im anderen Sektor führt. Insofern ist die geforderte Entkoppelung sinnvoll. In die Irre führen kann allerdings das gezeigte Beispiel, das eine KWK-Anlage mit einer „GUD-Gasturbine mit Wärmepumpe“ vergleicht und auf den unterschiedlichen Gesamtenergie-Output (KWK: 90 kWh, GuD: 100 bis 120 kWh) abstellt. Klar, der Reiz ist, dass bei beiden Techniken die gleiche Menge Erdgas (100 kWh) als Energieeinsatz angenommen wird. Dennoch ist das Beispiel unglücklich gewählt, und es muss klar sein, dass auch GuDs keine klimaadäquate Lösung sind. Wir müssen raus aus den fossilen Energien, oder um es mit den Brexiteers zu sagen: Leave means Leave!
3. Fördermerkmal „hocheffiziente KWK“ in der EU-Energieeffizienz-Richtlinie (EED) und in der EU-Beihilfe-Leitlinie (EEAG) abschaffen
Um als „hocheffizient“ zu gelten, muss eine große KWK-Anlage gemäß der Energieeffizienz-Richtlinie (EED) der EU eine um 10 Prozent bessere Brennstoffausnutzung haben als vergleichbare Anlagen zur getrennten Erzeugung von Strom und Wärme. Dies ist angesichts der ohne Brennstoffe auskommenden EE eine Mogelpackung sowie eine indirekte Förderung der Gaswirtschaft, und gehört in der Tat abgeschafft.
4. Fehlanreize des Primärenergiefaktors bei Fernwärme beseitigen
Der Primärenergiefaktor (PEF) dient der Vergleichbarkeit des Energieeinsatzes bei meist fossilen Energien unter Einbeziehung ihrer energetischen Wandlungsverluste auf dem Weg zur Endenergie; relevant ist das bei der energetischen Bilanzierung von Gebäuden (bei niedrigem PEF ist eine geringe Dämmung möglich). Bei der fossilen Fernwärme wurde der PEF auf gerade einmal 0,3 festgelegt. Hintergrund ist ein Tricksen bei der Berechnungsmethode: Bei der verwendeten Stromgutschrift-Methode werden die Energieverluste fast ausschließlich dem Stromsektor zugeschlagen, weshalb dann die fossile KWK-Wärme z.B. noch mit Solarthermie (PEF: 0,0) konkurrieren kann. Die DUH fordert daher künftig die Verwendung Carnot-Methode, um die Energieverluste verursachungsgerecht den Sektoren Strom und Wärme zuzurechnen, und so den PEF der KWK-Fernwärme wirklichkeitsgetreuer abzubilden. Eine noch bessere Wahl in diesem Zusammenhang wäre die Finnische Methode gewesen, die weniger auf KWK ausgerichtet ist, und von verschiedenen Energiebilanzen verwendet wird.
5. Förderung für fossile Energie beenden
Die DUH führt hier verschiedene Fördertöpfe für KWK-Anlagen sowie die dabei fließenden Summen auf, und kommt zu dem Schluss, dass die KWK im Vergleich zu den Erneuerbaren Energien deutlich überfördert ist. Dadurch blockiere eine letztlich fossile Energietechnik die Dekarbonisierung des Wärmesektors. Dem ist vollumfänglich zuzustimmen.
6. Verbindliche Wärmeplanung auf kommunaler Ebene einführen
Die DUH setzt auf eine langfristige kommunale Wärmeplanung, die sich an den Klimazielen orientiert, dadurch Fehlinvestitionen und Anbieter-Abhängigkeiten vermeidet, sowie gesetzlich festgeschrieben wird. Es sei darauf zu achten, dass sich kommunalen Entscheidungsträger nicht über die Finanzierungen von Schwimmbädern und Kultureinrichtungen durch fossile Wärmeversorger in deren Sinne beeinflussen lassen. Wichtiger Satz: „Erneuerbare Wärme braucht Platz; eine solche Kategorie ist in den kommunalen Flächenplänen bisher aber gar nicht vorgesehen.“
7. Einspeiserecht für Wärmenetze prüfen
Die DUH fordert eine Entflechtung von Wärmeerzeugung und Wärmenetzbetrieb, wie sie ja schon bei den Strom- und Gas-Netzen üblich ist. Dadurch könnte ein diskriminierungsfreier Zugang zu den Wärme- und Kälte-Netzen auch für andere Temperatur-Erzeuger geöffnet werden, die ihre mittels Erneuerbarer Energien erzeugten Temperaturen dort anbieten könnten.
Diese DUH-Forderung ist sehr sinnvoll und wichtig, da die Wärmewende bisher kaum Fortschritte gemacht hat. Dabei könnten zum einen energieautarke Häuser mittels eines Netzes durchaus ihre Nachbarschaft mitversorgen , zum anderen sind größere Solarthermieanlagen durchaus in der Lage, ihre Wärme direkt in bestehende Fernwärmenetze einzuspeisen. Und eine Einspeise-Option könnte viele Unternehmen dazu animieren, auf EE umzusteigen, zumal manche Betriebe die Wärme nicht ganztags (z.B. Großküchen) oder täglich (z.B. an Wochenenden) benötigen.
Wer wirklich flächendeckend Erneuerbare Wärme will, muss die Prosumer-Idee auch auf Wärmenetze ausdehnen und dort das Monopol von Staat und Großkonzernen brechen.
Fazit
Mit Ausnahme einiger, weniger, zu kritisierender Einzelpunkte sind die DUH-Forderungen insgesamt sinnvoll und praktikabel. In seiner nüchtern-rationalen Analyse der Situation und der hier notwendigen Aktionen unterscheidet sich dieses kurze Papier wohltuend von manchen Positionspapieren anderer Natur- und Umweltschutzverbände.