07.08.2020
Elektromobilität: Attraktiv und richtig umsetzen
Ein Bericht von Jörg Sutter
Die Elektromobilität wird attraktiver, die erhöhte Kaufprämie und ein weiteres Förderprogramm macht den Einsatz von Elektrofahrzeugen besonders für Handwerker und kleine Firmen spannend. Ein neuer Leitfaden soll beim Ausbau der Infrastruktur helfen, so dass Planer, Verwaltung und Nutzer die gleiche Sprache sprechen und bei der Planung gemeinsam Hand in Hand arbeiten. Der Leitfaden beantwortet viele Fragen zum Vorgehen, der Standortsuche und dem Anlagenbetrieb einer Lade-Infrastruktur, die eben mehr ist als nur eine Schuko-Steckdose in einer Kiste auf einer Säule.
Attraktivität steigt
Die Attraktivität von Elektrofahrzeugen nimmt weiter zu, die Nachfrage steigt: Im Juli wurden so viele Anträge auf Kaufprämie gestellt wie nie zuvor. Das Bafa verzeichnete einen Eingang von über 20.000 Anträgen, fast 80 % mehr als im Vorjahr. Das ist aber auch kein Wunder, wurde doch Anfang Juli die Kaufprämie, die heute „Innovationsprämie“ heißt, erhöht. Bis zu 9.000 Euro pro Elektrofahrzeug können dabei bezuschusst werden.
Attraktiv ist auch die Umstellung des ganzen Fuhrparks, zum Beispiel für kleine Handwerksbetriebe, die größtenteils lokal und regional aktiv sind und deren Fahrzeuge täglich in ähnlichem Radius bewegt werden. Diesen kleinen und mittelgroßen Unternehmen greift der Staat aktuell auch unter die Arme: Das Verkehrsministerium veröffentlichte in dieser Woche einen weiteren Förderaufruf für diese Zielgruppe, Anträge können ab sofort bis 14. September eingereicht werden.
Spezielle Förderung für Handwerker
Gefördert wird die Umstellung des Fuhrparks auf Elektro-Nutzfahrzeuge (keine Hybride) und die dazu notwendige Lade-Infrastruktur. Eine gute Übersicht über die Förderbedingungen und weiterführende Links finden sich hier.
Die Fördergeber fordern jedoch eine Entscheidung: Entweder kann die Innovationsprämie für die Fahrzeuge oder die Umstellungsförderung des Verkehrsministeriums in Anspruch genommen werden, beides zusammen geht nicht. Aber auch Leasingfahrzeuge können gefördert werden, sofern die Fahrzeuge dann mindestens zwei Jahre im Unternehmen genutzt werden. Und: Die Förderung kommt recht unbürokratisch daher, werden doch sowohl für die Nutzfahrzeuge als auch für die Ladetechnik Excel-Listen mit den förderfähigen Fahrzeugen/Ladesäulen bereitgestellt, zu denen jeweils Pauschalen als Zuschuss berechnet wurden. Allerdings müssen schon auch Bestätigungen des Steuerberaters und der Kommune (Nachweis des Nutzens für lokales E-Mobilitätskonzept) eingereicht werden.
Bedarf des Infrastruktur-Ausbaus
Mit dem zunehmenden Einsatz von Elektrofahrzeugen kommt auch der Planung der zugehörigen Infrastruktur eine immer größere Rolle zu. Das Verkehrsministerium hat dazu gemeinsam mit Forschungseinrichtungen wie der RWTH Aachen und der DLR ein Tool entwickelt, das einen Überblick über Bedarfsgebiete zeigt, um die Netzplanung voranzutreiben und mögliche Ausbaumaßnahmen zu bewerten. Für die Elektromobilität können drei Bereiche auf der Website www.standorttool.de betrachtet werden: Zum einen die bereits vorhandenen Ladepunkte im Land, Informationen zur geförderten Ladeinfrastruktur und als spannendster Punkt: Das Ausbaupotential. Hier kann von jedermann betrachtet werden, wo es zukünftig zu Engpässen der Ladeinfrastruktur kommen könnte.
Es wird der Zuwachs der Elektrofahrzeuge in den kommenden Jahren angesetzt, der zugehörige Ladebedarf berechnet und mit der vorhandenen und geplanten Struktur verglichen. Die komplexen Berechnungen unter Berücksichtigung von Verkehrsströmen und vielen weiteren Parametern werden dann anschaulich in einer Karte dargestellt. Hier kann sich jeder sein Wohn- oder Geschäftsumfeld selbst betrachten.
Eigene Infrastruktur ist lukrativ
Nicht nur wegen der möglichen Förderung, sondern auch wegen der Höhe der Stromkosten ist der Aufbau einer eigenen Lade-Technik für Betriebe, die E-Fahrzeuge nutzen wollen, spannend. Das zeigte sich Anfang des Jahres, als ein europaweit tätiger Ladestrom-Anbieter plötzlich die Preise an öffentlichen Ladesäulen für E-Mobilisten, die keine Stammkunden waren, sprunghaft erhöht hat. Es gab dazu viel Protest, vor allem, weil die Infrastruktur dieses Anbieters öffentlich gefördert wurde. Doch immer klarer wird: Der Strom aus der eigenen Photovoltaik-Anlage ist für das Elektroauto in vielerlei Hinsicht am besten geeignet. Gerade auch bei den Kosten kann hier viel gespart werden: Werden an den Ladesäulen ähnlich wie im Haushalt rund 31 Cent pro Kilowattstunde fällig, so kann der eigene Solarstrom inzwischen schon für unter 10 Cent getankt werden. Eine 70-prozentige Kosteneinsparung hat die Beratungsgesellschaft EuPD aktuell hier analysiert, konkret werden die Autostrom-Kosten im Bereich zwischen 450 bis 900 Euro pro Jahr reduziert, wenn „vom Dach“ getankt wird.
Konkrete Umsetzung im öffentlichen Raum
Doch wie packt man ein Projekt „Ladesäule“ oder „Meine Stromtankstelle“ an? Besondere Anforderungen gelten, wenn der Aufbau im öffentlichen Raum stattfinden soll. Welche Randbedingungen gibt es dabei zu berücksichtigen, bei welchen Behörden sind Genehmigungen für die baulichen Maßnahmen zu beantragen? Antworten auf viele solcher Fragen bietet ein neuer Planungsleitfaden, der auch in dieser Woche erschienen ist – und zwar vom DIN.
Der Leitfaden beginnt mit einer ausführlichen Begriffserläuterung und der Definition von sieben verschiedenen „Use-Cases“, wobei die drei Standorttypen (@home, @work und @publik) unterschieden werden. Je nach Standort werden verschiedene Anforderungen insbesondere an die Ladeleistung gestellt.
Strukturiert werden die Kosten von Infrastrukturmaßnahmen und Förderprogramme aufgelistet, auch Schaubilder der beteiligten Rollen beim Betrieb (siehe Bild 2) werden aufgezeigt. Eine Liste nennt bundesweit alle nationalen und länderweiten relevanten Förderprogramme. Schematisch wird dann auf die einzelnen Schritte der Planung eingegangen.
Genauer aufgezeigt wird in dem Papier dann der Weg zu einer öffentlichen Ladestruktur, die mit einer kommunalpolitischen Zielsetzung beginnen muss. Sodann werden die möglichen Akteure aufgelistet, die bei solch einem Projekt dabei sind, das Spektrum reicht von der Straßenverkehrsbehörde bis zum Netzbetreiber.
Für Investoren muss dann auch die Frage geklärt werden, ob für die Errichtung von Ladepunkten eine Baugenehmigung beantragt werden muss. Der Bayrische Verwaltungsgerichtshof hat das für kleine Ladesäulen in der Ausdehnung eines Parkscheinautomaten verneint.
Details zur Auswahl
Unabhängig von der technischen Umsetzung müssen auch organisatorische Fragen geklärt werden. Wer soll Eigentümer und Betreiber sein, welche Zahlungsmöglichkeiten sollen angeboten werden? Sie „Suchraumidentifizierung“ ist ein weiteres Thema, also die Frage, wo zukünftig welche Lademöglichkeiten geschaffen werden sollen. Dazu kann z.B. das oben genannte Tool eingesetzt werden.
Spannend ist hierbei die Auswahl der Kriterien, die auch im Leitfaden beschrieben sind: Es kann bedarfsorientiert ausgebaut werden (Grundlage: Bevölkerung, Nutzer, Verkehrsströme), es kann versucht werden, eine flächige Abdeckung zu erreichen mit einer bestimmten Anzahl von Ladepunkten in jedem betrachteten Teilgebiet. Auch eine dritte Möglichkeit ist denkbar (aber sicher für die E-Fahrer nicht so befriedigend): Der Ausbau erfolgt optimiert nach den geringsten Ausbaukosten bei der Stromversorgung. Dadurch entstehen Ladepunkte in wenig belasteten Netzbereichen und nahe Trafostationen, das hält die Bau- und Anschlusskosten gering.
Bei der Standortwahl können auch Aspekte wie Denkmalschutz, Lärmschutz (bei HPC-Ladern) oder Altlasten im Boden schon einmal einen Strich durch den geplanten Ausbau machen bzw. zu höheren Kosten führen. Abgerundet wird der Leitfaden dann noch durch die Beschreibung der Genehmigungsverfahren, Meldepflichten und Anforderungen für den Betrieb. Für den Laien ist der Leitfaden ein gelungener und gut strukturierter Einstieg in die Planungsthematik. Man bekommt Respekt vor der Arbeit, die mit der Errichtung einer einzigen verloren stehenden Ladesäule am Ortsrand zusammenhängt. Da will man fast aus Mitleid dort Strom tanken.
DGS-Angebot zu diesem Thema
Für alle, die bis hierher gelesen haben und sich weiter mit dem Aufbau von Elektromobilität beschäftigen wollen oder müssen: Am 1. September startet der DGS-Lehrgang „DGS-Berater zur Elektromobilität“. In vier Tagen werden technische und rechtliche Grundlagen, Anforderungen der Elektromobilität, der Verbund von PV und Elektromobilität und die konkrete Beratungspraxis in diesem Feld beleuchtet.
Weitere Informationen und Anmeldung hier